Wenn ein Mensch vermisst wird, zählt jede Minute. In solchen Momenten machen sich die ehrenamtlichen Rettungshundeteams des Bundesverbands Rettungshunde e. V., kurz BRH, auf den Weg. Seit 50 Jahren setzen engagierte Frauen und Männer ihr Herz, ihre Zeit und ihre Hunde dafür ein, Hoffnung zu geben und Leben zu retten. Drei von ihnen blicken zurück auf die bewegenden Anfänge, prägende Einsätze und das, was sie bis heute antreibt.
Wie haben Sie die Entwicklung des BRH von den Anfängen bis heute erlebt?
Jürgen Weinreuter: Damals wusste kaum jemand, was ein Rettungshund ist. In Deutschland hatte zunächst der Bundesverband für den Selbstschutz die Aufgabe, Hunde für die Trümmersuche auszubilden. Doch 1973 wurde die Ausbildung eingestellt, mit der Begründung, dass bald technische Geräte die Hunde ersetzen würden. Genau da fiel die Entscheidung: Wenn es niemand weiterführt, machen wir es selbst.
Jürgen Behrendt: Wir waren fest entschlossen und überzeugt: Rettungshunde werden gebraucht. Zwar war die Zukunft ungewiss, aber wir glaubten an die Fähigkeiten der Hunde als Lebensretter und wollten nicht zulassen, dass diese Arbeit verschwindet. In meinen 40 Jahren als aktiver Hundeführer habe ich sechs Rettungshunde ausgebildet und mit ihnen an 400 regionalen und drei Auslandseinsätzen teilgenommen, darunter ein Erdbeben 1980 in Lioni/Italien, ein Dammbruch 1985 in den Dolomiten und 1988 ein Erdrutsch in der Türkei.
Christa Hiegemann: Ich kam eher zufällig hinzu, über meinen Sohn, den ich immer zu den Trainings fuhr. Irgendwann fragte man mich, ob ich nicht selbst mitmachen möchte, und so begann mein Weg. Eine sehr prägende frühe Erinnerung war das Erdbeben 1985 in Mexiko. Zwei unserer Staffelmitglieder waren dort im Einsatz. Ihre Rückkehr war emotional, und es war ein Moment, der uns als Gemeinschaft enorm zusammengeschweißt hat.
Welche Herausforderungen mussten Sie in den Anfangszeiten überwinden?
Jürgen Weinreuter: Als wir 1974 mit zehn Ehrenamtlichen die erste private Rettungshundestaffel Deutschlands gründeten, hatten wir nichts. Keine Übungsplätze, keine offizielle Unterstützung, keine finanziellen Mittel. Wir mussten Spenden sammeln, Gelände organisieren, Strukturen, Prüfungsordnungen und Ausbildung selbst aufbauen. Rückblickend war es ein mutiger Schritt, aber ein notwendiger.
Jürgen Behrendt: In den ersten Jahren haben wir für Einsätze oft unbezahlten Urlaub genommen. Einsatzfahrzeuge haben wir selbst gebraucht gekauft und umgebaut. Unterstützung gab es keine, und Spenden waren selten. Aber unser Zusammenhalt war groß, und wir wussten, wofür wir es tun.
Christa Hiegemann: Ja, die Bedingungen waren hart. Gleichzeitig gab es eine unglaubliche Pionierstimmung. Wir haben viel improvisiert, aber immer mit dem Blick darauf, besser zu werden, auch für die Zukunft der Rettungshundearbeit.
Der BRH hat seither viele bewegende Einsätze erlebt. Welcher ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Christa Hiegemann: Am stärksten bewegen mich Einsätze mit Kindern. Wenn es gut ausgeht, fährt man erleichtert nach Hause. Wenn nicht, trägt man es lange mit sich. Der Flugzeugabsturz in Remscheid, Gasexplosionen, der Fall Jakob von Metzler … solche Ereignisse lassen einen nicht los. Da ist es wichtig, im Team Halt zu finden.
Jürgen Behrendt: Der Einsatz nach dem Erdbeben in Lioni in Italien war für mich prägend. Es war der erste Auslandseinsatz des BRH. Die Zerstörung war unvorstellbar. Mit meinem Schäferhund Gildo konnten wir gemeinsam mit anderen sechs Menschen lebend orten. Die Freude darüber war riesig. Aus diesem Einsatz haben wir sehr viel gelernt.
Barry vom Großen St. Bernhard rettete über 40 Menschenleben. Welche Bedeutung haben solche Geschichten für Ihr Engagement?
Jürgen Weinreuter: Barry ist ein Symbol dafür, wozu Hunde fähig sind, wenn Menschen an sie glauben. Solche Geschichten haben uns Mut gemacht, denn sie zeigen, dass Rettungshunde wirklich Leben retten. Nicht in Sagen und Romanen, sondern im echten Leben.
Christa Hiegemann: In jedem Hund steckt ein unglaubliches Potenzial. Unsere Aufgabe als Rettungshundeführer ist es, dieses Potenzial zu fördern, zu schützen und in den Dienst anderer zu stellen.
Wie hat sich die Ausbildung von Rettungshunden seit der Gründung verändert?
Jürgen Weinreuter: Früher kamen fast alle Hundeführer aus dem Hundesport und brachten diese Erfahrung mit. Es gab wenige Trainingsmöglichkeiten und kaum Fortbildungen. Heute trainieren die Staffeln mehrmals pro Woche, und moderne Technik wie Drohnen oder GPS ergänzt unsere Arbeit. Es gibt auch mehr Spezialbereiche: Damals wurden die Hunde viel in Trümmern eingesetzt, heute sind die Sparten Flächensuche und Mantrailing unverzichtbar.
Christa Hiegemann: Die Prüfungsordnung orientiert sich inzwischen viel stärker an realen Einsätzen. Früher wusste man genau, wie viele Personen man sucht. Heute kann es eine, zwei oder drei sein. Auch die Ausbildung selbst ist professioneller: Es gibt zertifizierte Ausbilder, Ausbildungszentren, Fortbildungen mit Fachleuten, wissenschaftliche Erkenntnisse – das Niveau ist enorm gestiegen.
Jürgen Behrendt: Die Anerkennung hat sich ebenfalls verändert. Heute werden wir als Rettungshundeführer viel ernster genommen. Mehr Arbeitgeber unterstützen das Ehrenamt. Und der Verband unterstützt uns mit kostenloser Aus- und Weiterbildung in den Ausbildungszentren oder mit medizinischer Versorgung unserer Hunde. Ab und zu gibt es auch öffentliche Unterstützung. Wir haben beispielsweise vom Land ein Einsatzfahrzeug bekommen. Das ist sehr wertvoll für unsere Arbeit.
Wie sehen Sie die Rolle von Rettungshunden heute im Vergleich zu früher?
Christa Hiegemann: Technik kann viel, aber den Hund nicht ersetzen. Sein Geruchssinn, sein Gehör, seine Wahrnehmung – all das bleibt einzigartig. Die beste Kombination ist die Zusammenarbeit von Hund, Mensch und Technik wie beispielsweise Drohnen.
Jürgen Weinreuter: Hunde bleiben das Herzstück unserer Arbeit. Die Entwicklung der Technik hilft, aber sie wird den Hund nie ablösen können.
Jürgen Behrendt: Man darf allerdings nicht vergessen, dass Hunde ohne Menschen, die sie ausbilden, nur Hunde sind, nicht Rettungshunde.
Welche Hoffnungen und Wünsche haben Sie für die Zukunft des BRH?
Jürgen Weinreuter: Dass wir weiterhin Menschen finden, die bereit sind, sich zu engagieren. Dieser Verband lebt von Herz und Ehrenamt.
Christa Hiegemann: Ich wünsche mir mehr gesellschaftliche Anerkennung für alle Ehrenamtlichen, nicht nur im BRH. Viele investieren einen großen Teil ihres Lebens, tragen Kosten privat und stellen ihre Zeit in den Dienst anderer. Das verdient Unterstützung und Wertschätzung.
50 Jahre Bundesverband Rettungshunde e. V.
Meilensteine auf einen Blick
• 1974 – Erste private Rettungshundestaffel Deutschlands entsteht in Heilbronn
• 1976 – Zusammenschluss der Staffeln: Der BRH Bundesverband Rettungshunde e. V. wird gegründet
• 1980er – Erste Auslandseinsätze nach schweren Erdbeben, u. a. in Italien und Mexiko
• 1990er–2000er – Professionalisierung der Ausbildung, einheitliche Prüfungen, Ausbau der Einsatzschwerpunkte (Trümmer, Fläche, Mantrailing)
• heute –über 90 Staffeln, rund 2.500 Ehrenamtliche – deutschlandweit bereit, Leben zu retten
Ihre Hilfe macht den Unterschied
Manchmal entscheidet ein Einsatz des BRH über ein Leben, ein Wiedersehen, eine zweite Chance. Unsere Hunde geben Hoffnung in Momenten, in denen Familien verzweifelt warten. Doch diese Einsätze sind nur möglich, weil Menschen wie Sie an uns glauben. Ob einmalig oder regelmäßig: Jeder Beitrag stärkt unsere Teams, unsere Hunde und die Menschen, die auf sie hoffen.
Schenken auch Sie ein Stück Hoffnung. Für den Moment, der den Unterschied macht. Weitere Informationen und Spendenmöglichkeiten: www.bundesverband-rettungshunde.de
Das Interview wurde in Zusammenarbeit mit dem
Bundesverband Rettungshunde e. V. umgesetzt.












