*Neurologische Erkrankungen

„Migräne ist so viel mehr als nur Kopfschmerzen“

Rund 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung leiden an Migräne. Eine von ihnen ist Wiara. Im Interview spricht sie über ihr Leben mit chronischer Migräne und den langen Weg, ihre Krankheit zu akzeptieren.

Wiara, seit wann hast du Migräne und wie fing es bei dir an?

Ich habe meine Migräne, seit ich ungefähr acht Jahre alt bin. Ich und meine Familie wussten damals noch nichts von meiner Migräne. Wir dachten einfach, ich hätte normale Kopfschmerzen. Wenn diese auftraten, habe ich mich in mein abgedunkeltes Zimmer gelegt und gewartet, bis es vorbei war. Damals traten die Attacken noch nicht so oft auf, eher selten. Heute habe ich sie leider chronisch.

Bitte beschreibe den Schmerz.

Der Schmerz ist bei mir meist einseitig im Kopf und zieht vom Nacken bis zum Auge. Jeder Schritt, jede noch so kleine Bewegung tut mir im Kopf weh. Dazu bin sehr licht-, lärm- und geruchsempfindlich. Oft wird mir sehr schlecht und ich muss mich übergeben vor Schmerzen. Der Schmerz ist pochend, pulsierend und hämmernd. Und die Kopfhaut ist sehr empfindlich.

Was sind die vier Phasen einer Migräneattacke?

Die erste Phase ist die Prodromal-Phase. Da wird die Migräne meist schon durch Symptome wie: Müdigkeit, Reizbarkeit, Hochstimmung, Gähnen und Heißhunger ankündigt.

Die zweite Phase ist die Aura-Phase. In dieser Phase treten Sinnesstörungen auf, wie z.B. Sehstörungen, Missempfindungen, Sprachstörungen oder Lähmungen.

Die dritte Phase ist die Kopfschmerz-Phase. Hier kommt der starke, pochende Kopfschmerz zum Vorschein mit Symptomen wie Erbrechen, Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit.

Die vierte Phase ist die Auflösungsphase. In dieser Phase sind die Kopfschmerzen in der Regel vorbei, und der Körper ist unfassbar erschöpft. Man ist sehr müde, schlapp, sozial zurückgezogen und oft depressiv gestimmt.

Wie hast du gelernt, mit den Schmerzen umzugehen?

Ich denke, ich lerne bis heute noch, mit dieser chronischen Krankheit umzugehen. Mal fällt es mir leichter, doch dann gibt es auch wieder die Momente, in denen ich diese Krankheit und meinen Kopf verfluche und hasse. Doch in der Regel versuche ich, die Krankheit anzunehmen und zu akzeptieren. Ich versuche, mir Gutes zu tun in den Momenten, in denen es mir sehr schlecht geht. Ich versuche, die schmerzfreien Momente umso mehr zu genießen und dankbar dafür zu sein, da ich nie weiß, wie lange sie bleiben.
Ich glaube, am meisten musste ich lernen, auf meinen Körper zu hören. Dass ich nicht mehr so viel ertrage und aushalte wie früher. Daher habe ich meinen Alltag auf die Hälfte reduziert. Wir müssen unsere Energie jeden Tag gut einteilen, denn viel haben wir davon nicht. Das war für mich besonders schwer, da ich früher immer gerne mehr als 100 Prozent gegeben habe und immer mehr gemacht habe als andere. Jetzt darf ich nicht das tun und machen, was ich möchte, sondern muss immer zuerst auf meinen Körper achten, was er noch kann.Teaser Hörmagazin

Welchen Zusammenhang siehst du zwischen Ernährung und Migräne?

Da Migräne eine Reizverarbeitungsstörung des Gehirns ist, fehlt uns oft die notwendige Energie, die unser Gehirn aber bräuchte. Daher ist eine regelmäßige Ernährung sehr wichtig für uns. Wir sollten alle drei bis vier Stunden komplexe Kohlenhydrate zu uns nehmen, da diese die nötige Energie für unser Gehirn liefern. Also lieber kleinere Portionen, aber dafür öfter am Tag.

Kann man Migräne vorbeugen?

Die Migräne liebt Regelmäßigkeiten. Durch einen gleichmäßigen Alltag, wie einen gleichen Schlaf-Wach-Rhythmus oder regelmäßige Essenszeiten, kann man einer Migräneattacke vorbeugen. Es gibt dennoch viele Trigger für uns. Wie zum Beispiel Stress, unregelmäßige Essenszeiten, unregelmäßiger Schlaf-Wach- Rhythmus, Wetterwechsel, zu viel Lärm usw. Aber oft ist ein Trigger allein nicht Auslöser für eine Attacke, sondern eher die Summe vieler Trigger. Daher sind Ruhephasen sehr wichtig für uns. Wir sollten niemals in ein Energiedefizit kommen.

Wie geht dein Umfeld mit der Erkrankung um?

Mein Umfeld geht mittlerweile sehr verständnisvoll mit meiner Krankheit um. Anfangs war ihnen nicht bewusst, dass die Krankheit nicht nur während einer Attacke eine Rolle spielt, sondern eigentlich jeden Tag, jede Stunde. Aber Grund dafür war, dass es mir selbst noch nicht bewusst war und ich diese Krankheit nicht ernst genommen habe bzw. nicht wusste, dass Migräne so viel mehr als nur Kopfschmerz ist. Seitdem ich mehr für mich und meinen Körper einstehe, tun es die anderen auch. Vor allem meine Familie. Sie baut mich immer wieder auf und macht mir immer wieder Mut, nicht aufzugeben. Sie war und ist immer an meiner Seite, egal was kommt. Das gibt mir einen Grund, nicht aufzugeben und immer weiterzumachen.

Du teilst deine Hochs und Tiefs mit der Erkrankung auf Instagram, unter @headache.heroes. Wie kam es dazu und was ist dein Ziel?

Ich wurde oft auf meine Migräne angesprochen und nach Rat gefragt. Da dachte ich mir: Wieso starte ich nicht einfach einen Instagramkanal und teile meine täglichen Herausforderungen mit der Migräne? Teile mein Wissen und meine Erfahrungen? Ich teile aber nicht nur, sondern sammle auch jede Menge Tipps und Ratschläge. Es ist mittlerweile wirklich ein toller Austausch geworden zwischen mir und vielen weiteren Migränebetroffenen. Mit einer Person habe ich mich sogar schon getroffen, und es ist so schön, dass man sich mit Leidensgenossen austauschen kann. Dadurch fühlt man sich sehr verstanden und nicht so alleine mit dieser Krankheit.

Welche Tipps möchtest du Betroffenen geben?

Neben all den Regeln und Möglichkeiten, irgendwie einer Attacke vorzubeugen, möchte ich lieber allen Migränebetroffenen mitteilen, dass sie damit nicht alleine sind und nicht aufgeben sollen zu kämpfen. Ich weiß, es ist oft sehr schwer, positiv zu bleiben, vor allem, wenn man eine Phase hat, in der die Schmerzen nicht aufhören wollen. Aber es kommen wieder bessere Momente und Tage, an denen wir dann verstehen und spüren, warum wir immer weiterkämpfen. Wir sollten niemals die Hoffnung aufgeben, dass eines Tages vielleicht doch etwas dazu führt, dass es uns endlich besser geht. Ich glaube ganz fest daran!

Das Interview führte Emma Howe

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