Clusterkopfschmerz ist eine der schwersten Kopfschmerzerkrankungen – selten, kaum bekannt, aber für Betroffene verheerend. Der Schmerz, den er auslöst, gilt als nahezu unerträglich. Schätzungsweise 0,1 Prozent der Bevölkerung sind betroffen, Männer erkranken häufiger als Frauen. Einer von ihnen ist Wolfgang Meierich. Mit 38 Jahren hatte er seine erste Attacke. Nach einem jahrelangen Ärztemarathon erhielt er endlich die Diagnose. Heute helfen ihm moderne Therapien, die Schmerzen zu lindern – doch die Krankheit bleibt sein ständiger Begleiter.
Herr Meierich, bitte erzählen Sie uns, wie alles begann.
Die ersten Beschwerden traten vor 17 Jahren auf, und ich erinnere mich noch genau an die erste Attacke. Es war mitten in der Nacht, und ich wurde von einem unfassbar intensiven Kopfschmerz geweckt. Es war so schlimm, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war und ich auch nicht mehr liegen konnte. Ich lief auf und ab, hielt mir den Kopf und hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Danach folgten immer wieder ähnliche Attacken, oft zur gleichen Zeit, und ich wusste überhaupt nicht, was mit mir los war.
Können Sie den Schmerz näher beschreiben?
Es ist schwer, die Schmerzen in Worte zu fassen, aber ich versuche es: Es fühlt sich an, als würde jemand ein heißes Messer durch mein Auge stechen. Am liebsten würde ich dann meinen Kopf gegen eine Wand schlagen, nur damit es aufhört. Dabei verzerrt sich zudem mein Gesicht, mein Auge beginnt zu tränen und meine Nase zu laufen.
Wie häufig treten diese Attacken auf?
Clusterkopfschmerzen treten bei mir episodisch auf. Das bedeutet, dass ich mehrere Wochen oder Monate am Stück täglich Attacken habe, oft zur gleichen Tageszeit. Eine Attacke dauert bei mir zwischen 15 Minuten und zwei Stunden. Während dieser Episoden bin ich ständig in Alarmbereitschaft, weil ich weiß, dass die nächste Attacke jederzeit kommen kann. In den Pausen zwischen den Episoden kann ich zwar aufatmen, aber die Angst vor der nächsten Phase bleibt immer im Hinterkopf.
Das klingt unglaublich belastend. Wie verlief die Suche nach einer Diagnose?
Es war ein richtiger Ärztemarathon, der sich über Jahre hinzog. Anfangs wurde ich meistens nicht ernst genommen – weder von meinem Hausarzt noch vom Neurologen. Beide meinten, es seien „nur Kopfschmerzen“ oder vielleicht auch eine Migräne. Manche haben es auf Stress geschoben, andere meinten, ich würde übertreiben. Das war unglaublich frustrierend, weil ich wusste, dass etwas nicht stimmte. In der Zwischenzeit versuchte ich, mit Schmerztabletten zurechtzukommen, aber die haben nicht geholfen. Erst nach vielen weiteren Arztbesuchen, etlichen Tests und Fehldiagnosen wurde ich durch einen Zeitungsartikel auf Clusterkopfschmerzen aufmerksam. Ich ging erneut zum Neurologen und schilderte ihm meinen Verdacht, der sich dann schließlich auch bestätigte. Die Diagnose war einerseits eine Erleichterung, weil ich endlich wusste, was ich habe, aber andererseits war es auch niederschmetternd. Denn zu erfahren, dass die Erkrankung nicht heilbar ist, hat mir anfangs jede Hoffnung genommen. Während der Attacken habe ich oft mit meinem Leben gehadert. Zum Glück hatte ich meine Frau, die mich immer wieder aufgebaut hat, sonst weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich das durchgestanden hätte.
Wie wurden Sie nach der Diagnose therapiert?
Anfangs mit Tabletten. Doch leider wirkten diese nicht so, wie ich gehofft hatte. Wenn sich eine Attacke ankündigte und ich die Tablette nahm, wirkte diese meistens erst, wenn die Attacke bereits am Abklingen war. Das frustrierte mich sehr. Jetzt wusste ich zwar, was ich habe, aber es änderte nicht wirklich etwas an meiner Situation. Doch zum Glück hat sich viel getan, und dadurch geht es mir heute deutlich besser.
Bitte gehen Sie näher auf die neuen Therapieansätze ein. Wie haben diese Ihr Leben verändert?
Die modernen Behandlungsansätze haben wirklich einen großen Unterschied gemacht. Leider ist die Erkrankung bisher nicht heilbar, aber heute gibt es viele Möglichkeiten, die Attacken zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. In Akutsituationen nutze ich Sauerstoff oder eine Behandlung via Injektion oder Nasenspray – je nach Situation und wie stark die Schmerzen sind. Besonders die Möglichkeit der Injektion hat mein Leben verändert. Die Wirkung setzt schnell ein, und ich kann sie überall anwenden, was mir ein Stück Kontrolle zurückgibt. Es gibt auch prophylaktische Ansätze wie spezielle Nervenstimulationen, die die Anzahl der Attacken reduzieren sollen. Bedauerlicherweise wirken diese bei mir nicht, aber vielleicht sind sie für andere Betroffene hilfreich. Trotzdem: Mit den Akuttherapien bin ich heute viel besser aufgestellt, und die Attacken sind nicht mehr so lebenseinschränkend. Während ich früher in den Clusterphasen kaum etwas unternehmen konnte und ständig in Angst vor der nächsten Attacke lebte, kann ich heute viel besser damit umgehen. Natürlich gibt es nach wie vor schwierige Zeiten, aber ich weiß, dass ich mit den Akuttherapien die Schmerzen schnell lindern kann. Das hat mir meine Lebensqualität zu einem großen Teil zurückgegeben. Ich kann wieder normal arbeiten gehen, soziale Kontakte pflegen und sogar Urlaubsplanungen machen – etwas, das früher undenkbar war.
Was wünschen Sie sich für Betroffene und den Umgang mit Clusterkopfschmerzen in der Gesellschaft?
Ich wünsche mir, dass Ärzte früher auf diese Krankheit aufmerksam werden. Niemand sollte so viele Jahre, so viele Schmerzen und so viele Arztbesuche durchmachen müssen wie ich, um endlich die richtige Diagnose zu bekommen. Außerdem wäre mehr Verständnis von der Gesellschaft wichtig. Clusterkopfschmerzen werden oft unterschätzt – viele denken, es seien „nur Kopfschmerzen“. Aber diese Schmerzen sind so intensiv, dass sie das ganze Leben lahmlegen können. Es muss mehr Aufklärung geben, und ich hoffe, dass auch in der Forschung noch viel passiert, damit es irgendwann vielleicht eine Heilung gibt.
Was gibt Ihnen auch in schweren Phasen Kraft und Hoffnung?
Die Fortschritte, die bereits gemacht wurden, geben mir Hoffnung. Auch die Unterstützung, die ich durch meine Freunde und meine Familie, aber auch durch den Austausch in sozialen Medien bekomme, ist unbezahlbar. Zu wissen, dass ich nicht allein bin und dass es Möglichkeiten gibt, meinen Schmerz zu bewältigen, hilft mir sehr. Und ich weiß, dass jede Episode irgendwann vorbeigeht – auch das gibt mir Kraft.
Das Interview führte Emma Howe.