Krebs

Generationswechsel bei Krebstherapien – Was kommt nach der Chemo?

Prof. Dr. Uwe Platzbecker

Prof. Dr. Uwe Platzbecker
Direktor der Klinik und Poliklinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Leipzig AöR

Neue Therapieansätze geben vielen Krebspatienten Grund zur Hoffnung. Wir sprachen mit Prof. Dr. Uwe Platzbecker über vielversprechende Innovationen.

Herr Prof. Dr. Platzbecker, welche vielversprechenden neuen Therapieansätze gibt es aktuell?

Eine Revolution im Bereich der Therapie ist derzeit die Immuntherapie, im Bereich der Hämatologie vor allem die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie, die derzeit vor allem für Lymphdrüsenkrebs und Myelomerkrankungen eine große Rolle spielt. Außerdem verstehen wir die Biologie der Erkrankung immer besser, können Tumoren besser genetisch charakterisieren und gezielt Einfluss auf die Pathophysiologie nehmen. Die genetische Information erlaubt uns, die Prognose besser einzuschätzen und entsprechende Therapien einzuleiten.

Was genau zeichnet die CAR-T-Zell-Therapie aus?

Bei der CAR-T werden Immunzellen der Patienten über eine Apherese, eine Blutwäsche, abgeschöpft und im Anschluss genetisch so manipuliert, dass sie die Krebszellen wieder erkennen. Dort docken sie spezifisch an und eliminieren die Krebszellen – sie zerstören den Tumor. Das Verfahren ist sehr gut verträglich, in der Regel besser als eine allogene Stammzellentransplantation oder eine hoch dosierte Chemotherapie. Es ist zudem erstaunlich wirksam, auch anhaltend, selbst Heilung ist bei vielen Patienten möglich bzw. kann die Zeit bis zum nächsten Rezidiv, bis die Erkrankung wiederkommt, deutlich hinausgezögert werden. Das ist eine Revolution.

Eine Alternative ist die Antikörperimmuntherapie: Hier erhalten die Patienten zum Beispiel eine Infusion mit einem spezifischen Antikörper, der die Immunzellen und den Tumor im Körper zusammenführt. Diese Therapien sind mittlerweile zugelassen für akute Leukämien und Lymphome und auch dort sehr wirksam und verträglich.

Was bedeutet das für Krebspatienten?

Es ist bahnbrechend, eine unglaubliche Entwicklung. Mittelfristig werden wir von der klassischen Chemotherapie wegkommen. Wir können vielleicht nicht alle Krebspatienten heilen, aber wir werden in der Lage sein, die Erkrankung zu chronifizieren und ihr Fortschreiten zumindest hinauszuzögern. Die Therapien wirken nicht nur, sie haben auch viel weniger Nebenwirkungen.

Sie forschen auch dazu, wie künstliche Intelligenz, KI, zum Beispiel Diagnostik unterstützen kann. Wie funktioniert das?

Im Bereich der Diagnostik hilft uns KI bei der Auswertung von genetischen Tests, die wir bei vielen Krebs- und Leukämieformen durchführen. Hier wird eine KI-basierte, standardisierte Analyse der verschiedenen genetischen Varianten vorgenommen. Diese Vorselektion spart sehr viel Zeit und erlaubt uns, den Fokus auf die spezifische Auswertung, diagnostische Verfahren und das Gespräch mit unseren Patienten zu richten. zu richten. Hier sind wir schon relativ weit.

Hilfreich ist KI für uns auch in einem anderen Bereich. Die Leitlinien für bestimmte Erkrankungen ändern sich regelmäßig, weil es so viele Innovationen gibt. Es ist nicht leicht, hier den Überblick über Therapien und Richtlinien zu behalten. Im Rahmen eines unserer Forschungsprojekte entwickeln wir KI-basierte Therapieunterstützungssysteme. Simpel ausgedrückt: Sie füttern die KI mit Informationen und erhalten einen Therapievorschlag. Natürlich darf man das aktuell noch nicht einfach umsetzen – aber es hilft bei Vorselektion und Planung. Ein bisschen wie autonomes Fahren im Krankenhaus.

Das ist sicher enorm hilfreich, für Patienten wie für Behandelnde, insbesondere mit Blick auf die Unmengen an Informationen.

Ja, richtig. Auch die Politik stellt hier aktuell wichtige Weichen, zum Beispiel mit dem Datenschutzgesetz. Um diesen Wandel zu begleiten, braucht es verschiedene Säulen – Bürokratie muss abgebaut, Prozesse müssen beschleunigt und Daten müssen breit genutzt werden können.

Mit welchen Disziplinen arbeiten Sie hier zusammen?

Wir kooperieren mit unseren Kollegen vom ICCAS – dem Innovation Center Computer Assisted Surgery von der Medizinischen Fakultät in Leipzig, das auch Robotiksysteme für die Chirurgie konstruiert. Wir entwickeln mit KI-Spezialisten beispielsweise Therapieunterstützungssysteme. Bald soll die Digitalisierung der Krankenhäuser abgeschlossen sein, dann gibt es keine Akten mehr. Auch eine elektronische Patientenakte ist geplant. Wir sehen schon jetzt mit dem digitalen Rezept konkrete Schritte in diese Richtung. Das ist ein Fortschritt, es wird unsere Arbeit vereinfachen und Bürokratie reduzieren.

Wenn wir den Blick in die Zukunft wagen – was erwartet uns in den kommenden Monaten in Bezug auf Therapiemöglichkeiten?

Die revolutionären neuen Therapien rücken immer weiter vor in die Erstlinientherapie. Die Ablösung jahrzehntealter Standards wie der Chemotherapie durch neue Immuntherapien ist im Gange, belegt durch die Ergebnisse vieler Studien, die aktuell erscheinen, es rücken ständig neue nach.

Wir erwarten zudem die Digitalisierung des Krankenhauses, auch den gläsernen Patienten. Mit der digitalen Patientenakte wird Information für Behandelnde schneller verfügbar sein, auch wird es weniger Doppeluntersuchungen geben. Das ist eine allgemeine Entwicklung, nicht nur im Bereich der Hämatologie. Sie ist für alle Bereiche sehr wichtig und auch für uns bedeutet dies einen Fortschritt für die Diagnostik. Wir erhalten einen immer umfassenderen Überblick, können die Ausbreitung von Tumoren besser stoppen und therapeutische Angriffspunkte finden, sodass wir mehr Patienten heilen können.

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