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„Ich wollte da raus – zurück auf die eigenen Füße“

Jürgen

Ein Gespräch mit Jürgen Aschemoor über das Leben nach dem Schlaganfall – über das mühsame Wiedererlernen des Gehens, tiefe Ängste, neue Stärke durch seine Familie und die Kraft, nicht aufzugeben.

Herr Aschemoor, erinnern Sie sich noch an den Moment Ihres Schlaganfalls?

Ja, sehr genau. Es war ein Wintertag, ich war mit meiner Frau in der Bremer Innenstadt unterwegs. Von einem Schritt auf den nächsten konnte ich mein linkes Bein nicht mehr bewegen. Ich blieb stehen, um nicht zu stürzen. Meine Frau drehte sich um, sah mein Gesicht – und erkannte sofort den schiefen Mundwinkel. Sie rief sofort 112. Keine drei Minuten später war der Notarzt da. Ich hatte Glück.

Wie ging es danach weiter?

Ich kam sofort ins Krankenhaus. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, lag im Bett, war auf den Rollstuhl angewiesen. Meine linke Körperhälfte war gelähmt – Arm, Bein, Hand, nichts funktionierte. Ich wurde direkt in eine Rehaklinik verlegt, wo ich Schritt für Schritt lernte, mit der neuen Situation umzugehen. Körperlich wie mental.

Was war in der Reha Ihr größtes Ziel?

Ich wollte unbedingt aus dem Rollstuhl raus. Das war mein größter Antrieb. Ich habe in kleinen Etappen das Gehen wieder gelernt – auf dem Laufband, mit Gehstock, anfangs mit Unterstützung. Irgendwann konnte ich meine ersten Schritte allein machen. Das war ein sehr emotionaler Moment.

Gab es Momente, in denen Sie fast aufgegeben hätten?

Ja. Vor allem in der Weihnachtszeit. Ich war allein in der Reha, abgeschottet von meiner Familie. Das war schwer. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, war depressiv. Aber ich habe mir gesagt: Jürgen, da musst du raus. Ich habe mich abgelenkt, viel telefoniert, Fernsehen geguckt – alles, um nicht zu versinken. Und ich habe andere gesehen, die es nicht geschafft haben. Das wollte ich nicht.

Wer oder was hat Ihnen geholfen?

Vor allem meine Frau. Ohne sie geht gar nichts. Sie hat mich nicht nur in der Fußgängerzone gerettet, sondern war auch später meine größte Stütze. Sie hat mich nie bemitleidet, sondern immer ermutigt. Wenn ich sagte: „Ich kann das nicht“, sagte sie: „Versuch’s!“ Auch meine drei Söhne waren eine wichtige Hilfe. Ich hatte das große Glück, eine Familie hinter mir zu haben. Das hat nicht jeder.

Sie sprechen offen über Ihre Spastik – was bedeutet das für Ihren Alltag?

Nach dem Schlaganfall hat sich eine Spastik entwickelt – vor allem im linken Arm. Die Muskeln zogen sich ständig unkontrolliert zusammen. Mein Arm stand immer unter Spannung. Das war unangenehm, hat mich in vielen Bewegungen eingeschränkt. Ich habe verschiedene Therapien ausprobiert, Sandkastenübungen, Spiegeltherapie – bei mir hat leider nichts dauerhaft geholfen.

Grafik Armspatik

Eine Spastik kann nach einem Schlaganfall neben dem Armen auch die Beine betreffen.

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Arm- und Beinspastik

Wie kam es zur Behandlung mit Botulinumtoxin?

Erst zehn Jahre nach dem Schlaganfall hat mein Neurologe mir das vorgeschlagen. Ich war erst skeptisch – ein Nervengift? Aber dann habe ich die Behandlung ausprobiert: zwölf Injektionen alle drei Monate, tief in die betroffenen Muskeln. Zwei Tage später wurde der Arm spürbar lockerer. Ich konnte plötzlich wieder mit der linken Hand eine Tür öffnen. Das war ein riesiger Fortschritt – und seither mache ich das regelmäßig.

Gab es noch andere Ängste, mit denen Sie kämpfen mussten?

Ja – zum Beispiel Angst vor dem Wasser. Ich war früher ein sportlicher Schwimmer, viel auf der Weser und der Nordsee unterwegs. Aber nach dem Schlaganfall konnte ich nicht mehr schwimmen. Das hat in mir eine richtige Panik ausgelöst: Was, wenn ein Schiff untergeht – alle retten sich, nur ich nicht? In der zweiten Reha habe ich das angesprochen, und eine Therapeutin hat mit mir gezielt daran gearbeitet. Heute kann ich mich wieder über Wasser halten. Das hat mir viel von dieser Angst genommen.

Wie hat sich Ihr Leben verändert – abgesehen vom Körperlichen?

Ich musste mein gesamtes Leben neu denken. Alles umstellen. Vom Autofahren – das ich nur mit Umbau und neuem Führerschein wieder durfte – bis zum Öffnen einer Flasche. Aber ich bin Ingenieur – ich finde technische Lösungen. Und ich habe Tagebuch geführt, von Anfang an. Daraus ist schließlich mein Buch entstanden: Leben nach dem Schlaganfall.

Was möchten Sie anderen Betroffenen mitgeben?

Gib dich nicht auf. Es geht nicht darum, wieder zu werden wie früher. Aber es geht darum, das Beste aus dem Neuen zu machen. Such dir Hilfe. Sprich mit anderen. Ich engagiere mich heute in einer Selbsthilfegruppe. Dort sehen wir: Kein Schlaganfall ist wie der andere. Aber jeder Mensch hat das Potenzial, seinen Weg zu finden. Und wenn ich heute andere sehe, die Hoffnung schöpfen, weil ich ihnen Mut mache – dann weiß ich: Es hat sich gelohnt, nicht aufzugeben.

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Dieses Interview wurde in Zusammenarbeit mit IPSEN umgesetzt


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