Manchmal ist ein ganz normales Leben möglich, doch dann geht es wieder los: Attacken mit schweren Bauchschmerzen, Gliederschmerzen, Taubheitsgefühlen, Lähmungserscheinungen, Müdigkeit, Erschöpfung und Angstzuständen. Die quälenden Beschwerden lassen alles in den Hintergrund rücken und schränken den Alltag – Beruf, Familienleben und Freizeit – enorm ein. Sind die Symptome abgeklungen, bleiben bei über 60 Prozent der Betroffenen chronische Symptome und die Furcht vor der nächsten Attacke sowie die Frage: Was kann dahinterstecken? Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte stehen oft ebenfalls vor einem Rätsel. Sie finden keine Erklärung für die unspezifischen Symptome. Oft dauert es Jahre, bis die Ursache gefunden wird: eine seltene, genetisch bedingte akute Porphyrie.
„Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, wäre mir vieles erspart geblieben“, fasst eine Patientin ihren langen Leidensweg zusammen. Wie bei den meisten Betroffenen mit einer akuten Porphyrie begann auch bei ihr alles mit unerträglichen Bauchschmerzen, für die niemand eine Erklärung hatte. Zu den extremen Schmerzen gesellten sich weitere Beschwerden wie Übelkeit, extreme Müdigkeit und Atemprobleme, die scheinbar aus dem Nichts kamen.
Die Symptome der akuten Porphyrie können individuell sehr unterschiedlich ausfallen und passen nicht eindeutig zu einem bestimmten Krankheitsbild. Daher erleben viele Betroffene eine Odyssee von Arztpraxis zu Arztpraxis und von einer Untersuchung zur nächsten. Unter anderem kann der Verdacht auf eine akute Magenschleimhautentzündung, ein Reizdarmsyndrom, Hepatitis, Gallenentzündungen und auch neuropsychiatrische Erkrankungen im Raum stehen.
Solange keine gesicherte Diagnose gestellt werden kann, geht der Leidensweg meist weiter. Wiederkehrende starke Schmerzen und chronische Beschwerden schränken zunehmend die Lebensqualität ein und belasten die Psyche. Heftige akute Attacken können sogar lebensbedrohlich werden. Für einige Patientinnen und Patienten kann dies wiederholte Krankenhauseinweisungen und bei Fehldiagnosen auch unnötige Operationen und Therapien bedeuten. Manchmal dauert es mehrere Jahre, bis eine Ärztin oder ein Arzt eine seltene Erkrankung als Ursache der Beschwerden vermutet und weitere diagnostische Schritte veranlasst.
Was ist eine akute Porphyrie?
Akute Porphyrie bezeichnet eine Gruppe seltener, genetisch bedingter Erkrankungen. Genetische Defekte führen dazu, dass in der Leber die Bildung von Häm – dies ist ein für den Körper essenzieller Stoff – gestört ist. Die Bildung von Häm ist ein mehrstufiger Prozess, an dem verschiedene Enzyme beteiligt sind. Bei einer akuten Porphyrie funktioniert eines dieser Enzyme nicht richtig. Dadurch kommt es in der Leber zur Anreicherung von Giftstoffen namens Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG), die in den gesamten Körper freigesetzt werden. ALA und PBG schädigen Nervenzellen. Dies erklärt die verschiedenen Symptome bei der Erkrankung, die als Folge von Funktionsstörungen im Nervensystem auftreten können.
Je nachdem, bei welchem Enzym ein genetischer Defekt vorliegt, werden drei ähnliche Typen der akuten Porphyrie und der extrem seltene Mangel der Delta-Aminolävulinsäure-Dehydratase unterschieden. Die akute intermittierende Porphyrie (AIP) macht etwa 80 Prozent aller Fälle aus, deutlich seltener sind die Porphyria variegata (VP) und die hereditäre Koproporphyrie (HCP).
Mitten im Leben schachmatt gesetzt
Eine akute Porphyrie kann in jedem Alter sowohl bei Frauen als auch bei Männern auftreten. Es leiden jedoch deutlich mehr Frauen daran: Etwa 83 Prozent der Erkrankten sind Frauen. Erste Attacken machen sich meist zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr bemerkbar. In dieser üblicherweise sehr aktiven Lebensphase werden Betroffene regelrecht ausgebremst. Wenn Schmerzattacken den Alltag beherrschen, allein das Gehen erhebliche Probleme bereitet und an Schlaf nicht zu denken ist, ziehen sich viele zurück und schränken ihr Sozialleben ein. Sich auf Ausbildung oder Beruf zu konzentrieren, ist ebenfalls schwer möglich. Doch das ist es nicht allein: Der Wechsel zwischen quälenden Beschwerden und scheinbar gesunden Phasen lässt sich anderen kaum vermitteln. Viele Betroffene stoßen irgendwann sowohl im privaten wie im beruflichen Umfeld auf Unverständnis. Entsprechend mühsam ist es, Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten oder im Beruf voranzukommen.
Endlich eine Antwort zu den Ursachen der Beschwerden
Äußert schließlich jemand den Verdacht auf eine akute Porphyrie, kann ein Spontanurintest während oder kurz nach einer Attacke einen wichtigen Hinweis geben. Bei der Laboranalyse werden die PBG- und ALA-Konzen-trationen sowie Porphyrine im Urin bestimmt. Erhöhte PBG- und ALA-Werte bestätigen den Verdacht. Die Analyse der Porphyrine kann auf den Typ der akuten Porphyrie hindeuten. Auffälligkeiten im Urin können einige Betroffene möglicherweise auch selbst feststellen. Manchmal verfärbt sich während oder direkt nach einer Attacke der Urin rot oder dunkel, wobei die Urinprobe beim Stehenlassen bei Licht nachdunkelt. Zusätzlich zum Urintest kann ein genetischer Test dazu beitragen, die Diagnose zu sichern oder den Typ der akuten Porphyrie zu bestimmen.
Was kommt nach der Diagnose?
Für die Beschwerden gibt es jetzt eine Erklärung und für die Krankheit einen Namen. Betroffene können sich konkret mit der Erkrankung auseinandersetzen und gezielt Hilfe suchen. Akute Porphyrie ist zwar nicht heilbar, aber es gibt Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit für künftige Attacken zu reduzieren, anhaltende Schmerzen zu vermeiden und damit die Lebensqualität deutlich zu verbessern.
Wichtig ist, mögliche Auslöser für die Attacken, die von Person zu Person unterschiedlich sein können, zu identifizieren und zu meiden. Dabei kann ein Symptomtagebuch helfen. Eine akute Porphyrie wird sowohl durch körperlichen als auch durch seelischen Stress angefacht. Weitere mögliche Auslöser sind zum Beispiel bestimmte Medikamente, Schwankungen des Hormonspiegels, Infektionen, Alkoholkonsum, Rauchen, Fasten oder extreme Diäten.
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Für weitere Informationen und Hinweise zur Diagnose einer akuten Porphyrie und Tipps zum Leben mit der Erkrankung besuchen Sie die Internetseite www.livingwithporphyria.eu/de. Zudem gibt es dort einen Leitfaden für das Arztgespräch und eine Liste mit Zentren, die Erfahrungen mit der Diagnose und Behandlung von akuter Porphyrie haben.
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit
Alnylam Pharmaceuticals umgesetzt.