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„Ohne meinen Hund wäre ich heute tot“

Hund

Heidrun Walter musste drei Mal im Leben laufen lernen. Als Kind – und als Erwachsene nach einer Gehirnblutung und einem Schlaganfall. Ein Gespräch über den harten Kampf zurück ins Leben.

Wie und wann äußerte sich Ihre Krankheit?

Ich erlitt 2018 eine schwere Subarachnoidalblutung (SAB) im Gehirn. Vorher hatte ich schon jahrelang Kopfschmerzen, auch am Tag, als es passierte. Und die letzten Tage vor dem Anfall bin ich mit dem Bein immer umgeknickt. Das waren die ersten Lähmungserscheinungen. Während der Arbeit musste ich mich dann wegen Übelkeit übergeben. Ich bin noch die 25 Kilometer nach Hause gefahren und habe mich dort sofort hingelegt.

Ich wollte endlich wieder laufen können.

In der Nacht hat mich mein Mann schließlich bewusstlos neben dem Bett gefunden, nachdem unser Mops Alarm geschlagen hatte. Ich wurde reanimiert, und bei der OP hat man das Aneurysma mit einem Metallclip abgeklemmt. Nach ein paar Wochen begann die Reha.

Wie sind Sie dort wieder zu Kräften gekommen?

Zuerst einmal über Ernährung. Ich hatte schließlich 30 Kilo abgenommen. Mithilfe von Ärzten und Physiotherapeuten habe ich dann meine Muskulatur wieder aufgebaut. Im  Bett selbst noch mit einem Ball in der Hand. Ich hatte nicht mal die Kraft, eine Zeitung umzublättern. Mit Therapie im Schwimmbecken habe ich wieder ein Körpergefühl bekommen. Problematisch waren auch Orientierungsstörungen. Irgendwann kam dann der Punkt, dass ich aus dem Rollstuhl aufstand, mir gesagt habe: „Jetzt gilt’s.“ Ich wollte endlich wieder laufen.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Vor unserem Haus gibt es 22 Stufen – die gilt es hochzugehen. Ich bin erst lange Zeit am Stock gegangen und habe Krankengymnastik zu Hause und in der Praxis gemacht. Auf dem Kopf musste ich nach der Operation lange Zeit einen Spezialhelm tragen. Manchmal nutze ich heute auch noch einen Rollator und trage eine Beinschiene.

Leider hatte ich vor ein paar Jahren außerdem einen Schlaganfall. Also wieder Reha. Ich musste ein drittes Mal in meinem Leben laufen lernen. Geholfen hat mir sehr ein elektronischer Fußheber-Stimulator. Das Sanitätshaus Wittlich hat ihn mir vor Ort angepasst und ich aktiviere ihn über einen Funkschalter. Aus eigener Kraft kann ich mein linkes Bein nicht mehr heben.

Nachdem der Stimulator zum ersten Mal in der Klinik angelegt wurde, bin ich sogar auf einer Wiese mit Löchern wie ein junger Gott gelaufen. Alle anderen Patienten sind staunend stehen geblieben, einige hatten Tränen in den Augen. Einfach ausgedrückt: Das ist wirklich ein geiles Teil. Ich musste es jedoch selbst bezahlen. Leider finanziert es die Krankenkasse nicht, was ich nicht verstehe.

Mein Enkelsohn kam immer wieder ins Schlafzimmer und schaute nach, ob ich noch lebe.

Kann Ihnen Ihre Familie in diesem schweren Schicksal Kraft geben?

Ich glaube eher, dass ich denen noch Kraft gebe. Das jüngste meiner zwei Enkelkinder, das 2018 acht Jahre alt war, ist immer wieder in unser Schlafzimmer gekommen. Der Junge hatte panische Angst und wollte überprüfen, ob ich noch lebe. Auch für den kleinen Knirps war das ein echter Schock.

Konnten Sie nach dem Schlaganfall wieder arbeiten?

Ich habe während einer Wiedereingliederung sechs Monate in meiner Tätigkeitals Sachbearbeiterin gearbeitet. Wegen Gedächtnisstörungen ging das jedoch irgendwann nicht mehr. Inzwischen bin ich frühverrentet. Auch heute habe ich nach wie vor Probleme, ein Buch zu lesen. Wegen des fehlenden Kurzzeitgedächtnisses kann ich am nächsten Tag neu damit anfangen.

Ich habe auch nach wie vor Schmerzen im Kopf. Die Nerven vermitteln ein Gefühl, als wenn sich das Gehirn zusammenkneift. Viele hatten sich gewundert, dass ich überhaupt die Kraft gefunden hatte, wieder zur Arbeit zu gehen. Aber ich wollte wenigstens kämpfen.

 

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