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„Manchmal muss ich den Pausenknopf drücken“

Schmerz

Rund 15,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Migräne. Eine von ihnen ist Carina  Teresa. Welche Therapie ihr hilft, wie sie den Alltag meistert und was sie sich von der Gesellschaft wünscht, erzählt sie im Interview.

Carina Teresa, seit wann haben Sie Migräne und wie fing es bei Ihnen an?

Ich habe Kopfschmerzen, solange ich mich zurückerinnern kann. Schon als Schülerin lag ich oft gerädert auf der Couch. Im Nachhinein ist es schwer nachzuvollziehen, ob es schon immer Migräne war, weil man sich als Kind keine Gedanken darüber macht, wie es sich anfühlt. Ich weiß noch, dass ich das sehr lange nicht richtig benennen konnte und mit den Fragen der Ärzte überfordert war, was zur Folge hatte, dass Ärzte sagten, dass es keine Migräne sei. Irgendwann wurde mir dann doch das Migränemittel Triptan verschrieben und siehe da, es wirkte, wenn ich einen Anfall bekam. Damit wusste ich, dass ich Migräne habe, und war froh, dass es endlich eine Diagnose für meine starken Kopfschmerzen gab.

Leider verschlechterte sich Ihr Zustand.

Ja, nach der Schulzeit, als das Leben begann Fahrt aufzunehmen, wuchsen auch die Verantwortlichkeiten, stieg das Stresslevel und kamen immer neue Herausforderungen auf mich zu – mit alldem wurden auch meine Migränetage immer häufiger.

Bitte beschreiben Sie diese Tage.

Es gibt zwei Arten von Anfällen. Da sind die ruhigen, eher leisen, die sich auf meinen Magen legen und mich benebeln. Mir geht es zu gut, um nur zu liegen, aber zu schlecht, um mich wirklich zu bewegen. Dann gibt es die Attacken. Sie kommen plötzlich und knocken mich komplett aus. Dann geht nichts mehr.

Wie geht Ihr Umfeld mit der Erkrankung um?

Mein nahes Umfeld hat viel Verständnis für mich. Sie bekommen es ja auch hautnah mit, wenn es mir schlecht geht. Leider ist es in Bereichen, wo Leistung gefordert wird, oft nicht so, dass Verständnis herrscht – hier wird man schnell zum „Drückeberger“ erklärt, wenn man mal nicht 100 Prozent geben kann.

Wie reagieren Sie auf dieses Unverständnis?

Es gibt Momente bei der Erkrankung, da muss man den Pausenknopf drücken – egal was andere davon halten, denn man hat einfach keine andere Wahl. Dieses Aufhörenmüssen ist eine der schwersten, lebenslangen Übungen und die Erkenntnis zu erlangen, sich selbst wichtig genug zu sein, und sich die Pause zu nehmen, die der Körper in diesem Moment braucht.

Wie wird Ihre Migräne behandelt?

Ich behandle die Migräne prophylaktisch mit einer Antikörperspritze. Seitdem geht es mir besser und ich habe weniger Attacken. Bis dahin war es ein weiter Weg. Bevor ich damit angefangen habe, musste ich jegliche andere Therapieform ohne Erfolg probiert haben. Da bei mir nichts half, bekam ich die Antikörpertherapie – wofür ich sehr dankbar bin. In Akutfällen ist nach wie vor Triptan meine erste Wahl.

Ist ein normaler Alltag für Sie möglich?

Ja und nein. Die erfolgreiche Prophylaxe hat viel verändert. Denn ein Leben unter Dauerschmerzen, das knockt auch die Stärksten mental früher oder später aus. Wichtig war es für mich zu erkennen, dass die Migräne zu mir gehört – auch wenn ich sie eher als eine meiner Schwachstellen bezeichnen würde. Die Migräne zeigt mir aber auch, wenn irgendetwas nicht passt: zu wenig Schlaf, zu viel Stress, Unterzuckerung, Hitze. Durch die Migräne habe ich gelernt, mehr auf mich zu achten und mit meinem Körper an einem Strang zu ziehen.

Was würden Sie sich von der Gesellschaft wünschen?

Mehr Akzeptanz für die unsichtbaren Krankheiten! Viele Leute meinen, es verstehen zu können, denn Kopfschmerzen kennt ja fast jeder. Doch zwischen den Zeilen steht etwas anderes: Übertreibe doch nicht! Reiß dich mal zusammen! Du bist doch selbst schuld! Doch eine Migräne ist eben etwas anderes als gewöhnliche Kopfschmerzen. Bei einem Migräneanfall setzen plötzlich heftige Schmerzen ein, oft nur auf einer Kopfseite. Meist begleiten den heftigen Kopfschmerz weitere Symptome wie Übelkeit, Licht-, Geruchs- oder Geräuschempfindlichkeit. Und diesen Leidensdruck können Nichtbetroffene einfach nicht nachvollziehen, und das müssen sie auch nicht. Echtes Verständnis würde uns Betroffenen schon reichen.

Mehr über Carina Teresa erfahren Sie unter: www.instagram.com/migraenemadame

Autor: Leonie Zell
Foto: Theresa Wiedenbein


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