Als Lea zur Welt kam, schien alles normal – sie war ein zartes Baby, wirkte aber gesund. Doch dann kamen rätselhafte Symptome wie hartnäckiger Ausschlag und Blutarmut. Endlose Arztbesuche folgten und drei Monate voller Unsicherheit, bis Leas Eltern endlich die Diagnose kannten: Mukoviszidose.
Bei Ihrer Tochter Lea hat es etliche Wochen gedauert, bis Sie die Diagnose kannten. Wie haben Sie als Familie diese Zeit erlebt?
Es war eine extrem belastende Zeit. Sehr kurz nach der Geburt wurde Lea immer kränker, aber niemand konnte uns sagen, warum. Wir fühlten uns hilflos und verzweifelt. Schließlich wurden ihre Hautveränderungen an der Charité untersucht. Bilder wurden in die USA geschickt, eine Hautbiopsie wurde durchgeführt – und dann veranlasste die Chefärztin der Dermatologie sofort die Einweisung ins Krankenhaus. Zwei Tage nach der Einweisung kam Lea auf die Kinderintensivstation. Wir waren rund um die Uhr bei ihr; über Nacht durfte nur Leas Mutter bleiben, weil sie noch stillte. Unsere Eltern haben uns Essen in die Klinik gebracht. Plötzlich standen mehrere schwere Diagnosen im Raum. Keiner wusste genau, was ihr fehlte – und wir hatten große Angst, sie zu verlieren. Das war eine furchtbare Zeit; wir haben nur noch funktioniert.
“Plötzlich standen mehrere schwere Diagnosen im Raum. Keiner wusste genau, was ihr fehlte – und wir hatten große Angst, sie zu verlieren.“
Wann wussten Sie, dass es Mukoviszidose ist?
Im Krankenhaus wurde ein Test durchgeführt, um Mukoviszidose auszuschließen. Zwei Wochen später kam die Ärztin mit dem Ergebnis – doch anstatt Entwarnung zu geben, hatte der Test die Mukoviszidose bestätigt! Das war ein Schock, aber gleichzeitig auch eine Erleichterung. Endlich wussten wir, womit wir es zu tun hatten. Lea bekam sofort Kreon, ein Medikament mit Pankreas-enzymen zur Fettverdauung, sowie hochkalorische Nahrung und zusätzliche Vitamine, dazu Zink und Selen. Sie musste auch täglich inhalieren. Durch die Therapie besserte sich ihr Zustand rasch.
Heute ist Lea 14 Jahre alt. Wie hat sich die Therapie in den letzten Jahren verändert?
Es hat sich enorm viel getan, vor allem durch die CFTR-Modulatoren. Früher kämpfte Lea mit ihrem Gewicht, jetzt muss sie nicht mehr extra viel essen. Die Medikamente haben ihr Leben verändert.
Wie geht Ihre Tochter selbst mit der Erkrankung um?
Sie war immer ein lebensfrohes Kind und voller Energie. Doch in den letzten Jahren – vielleicht auch durch die Pubertät – ist sie zurückhaltender geworden. Besonders die Zeit der Pandemie war schwierig. Wir mussten sie aufgrund der Krankheit früh aus der Schule nehmen, und die Isolation war hart für sie. Außerdem recherchiert Lea inzwischen selbst und hat gelesen, dass Mukoviszidose die Lebenserwartung verkürzen kann. Das hat sie stark beschäftigt. Doch mittlerweile geht sie positiv damit um; die neuen Medikamente geben ihr Hoffnung.
Auch Leas Bruder hat Mukoviszidose
Ihr Sohn, Leas jüngerer Bruder, hat ebenfalls Mukoviszidose. Wie war es, als Sie seine ersten Symptome bemerkten?
Uns war bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er die Erkrankung ebenfalls hat, daher ließen wir ihn direkt testen. Aber schon vorher hatten wir einen Verdacht: Das grüne Fruchtwasser und auch Hautprobleme deuteten darauf hin. Nach Rücksprache mit den Ärzten begannen wir früh mit Enzymkapseln, einem Granulat, noch bevor das Testergebnis vorlag. Dadurch konnten wir verhindern, dass er Probleme mit der Gewichtszunahme bekam.
Wie sieht der Alltag mit zwei Kindern mit Mukoviszidose aus?
Lange Zeit war unser Alltag streng strukturiert: morgens und abends Inhalationen, Krankengymnastik, tägliche Sterilisation der Inhaletten. Selbst die Mahlzeiten mussten getaktet sein, da man nicht direkt vor oder nach dem Inhalieren essen sollte. Dank der neuen Medikamente ist vieles entspannter. Unsere Kinder müssen zwar noch ihre Medikamente nehmen, aber unser Alltag fühlt sich inzwischen fast normal an. Wir legen Wert darauf, dass sie Spaß an Sport und Bewegung haben – und zwar nicht nur als Therapie, sondern weil es ihnen guttut. Physiotherapie und Bewegung sind sehr wichtige Säulen der Behandlung; je mehr sich unsere Kinder im Sportverein und mit ihren Freunden bewegen, desto selbstverständlicher wird es und desto weniger Krankengymnastik brauchen sie.
Welche Einschränkungen gibt es im Alltag?
Als wir die Diagnose bekamen, wurde uns eingetrichtert, besonders auf Hygiene zu achten. Pseudomonaskeime, die sich in der Lunge festsetzen können und besonders in stehenden Gewässern und abgestandenem Wasser vorkommen, waren unsere größte Sorge – deshalb sollte Lea nicht in Seen schwimmen, keine Zimmerpflanzen haben und öffentliche Duschen meiden. Heute ist vieles gelockert. Lea hat zwar noch immer in der Schule ihre eigene Toilette, aber sie war mittlerweile das erste Mal in einem See schwimmen – im Chiemsee. Unser Arzt hatte grünes Licht gegeben, aber für uns war es nach der langen Zeit der ständigen Vorsicht eine schwere Entscheidung. Als wir Lea dann so glücklich im Wasser sahen, wussten wir: Es war die richtige. Ein unvergesslicher Moment.
Woher nehmen Sie Ihre Kraft?
Wir unterstützen uns gegenseitig und wir haben eine starke Familie. Unsere Eltern waren uns auch eine große Stütze; sie haben zum Beispiel unseren Sohn betreut, als ich wieder arbeiten ging. Wir versuchen, nicht zu weit in die Zukunft zu denken. Sorgen um mögliche Probleme machen wir uns erst, wenn sie wirklich eintreten. Wir leben im Hier und Jetzt.
Hat die Diagnose Ihrer Kinder Ihre Einstellung zum Leben verändert?
Ja, absolut. Früher standen Karriere und materielle Dinge im Fokus – heute ist uns Zeit mit den Kindern wichtiger als alles andere. Wir haben gelernt, das Beste aus der Situation zu machen und positiv zu bleiben.
Was möchten Sie anderen Eltern mit einer frischen Diagnose mitgeben?
Lasst euch nicht verrückt machen. Am Anfang haben wir uns um jedes Gramm Fett und jede Enzymkapsel Sorgen gemacht, aber mit der Zeit wird vieles zur Routine. Wir können eine familienorientierte Reha nur empfehlen. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft enorm – und die Kinder knüpfen Freundschaften, die ihnen Kraft geben. Unsere Kinder sind bis heute mit ihren Reha-Freunden in Kontakt. Diese Gemeinschaft ist sehr kostbar.
Das Interview führte Miriam Rauh.
Informationen für Betroffene und Angehörige
Der Bundesverband Mukoviszidose e.V. setzt sich seit 60 Jahren für die Belange von Menschen mit Mukoviszidose und ihren Angehörigen ein und ist das deutschlandweite Kompetenznetzwerk für alle Themen rund um die Erkrankung. Er leistet mit seinen vielfältigen Angeboten Hilfe zur Selbsthilfe, fördert die Forschung und unterstützt die Qualitätssicherung der Behandlung. Infos: www.muko.info