Als Gynäkologin kennt Prof. Dr. Pia Wülfing die Fragen, Sorgen und Bedürfnisse von Frauen mit Brustkrebs gut. Sie hat die App PINK! Coach entwickelt, eine DiGA, die Patientinnen bei Therapie und Nachsorge begleitet und auf Kassenrezept erhältlich ist.
Frau Prof. Dr. Wülfing, was ist das Ziel der PINK! Coach App?
PINK! Coach begleitet Brustkrebspatientinnen von der Diagnose bis zur Nachsorge – auf medizinisch hohem Niveau. Alle Informationen entsprechen den Leitlinien und Therapiestandards. In der App stellen wir Texte, Videos und Podcasts zum Thema Brustkrebs und speziell zu der Fragestellung „Was kann ich selbst als Betroffene tun?“ bereit. Darüber hinaus bieten wir Webinare an und coachen Brustkrebspatientinnen engmaschig.
Ich bin total begeistert von der App. Jeden Tag werde ich gepusht, mich zu bewegen und mir Gedanken über die richtige Ernährung zu machen. Besonders wertvoll empfinde ich die Meditation. Darüber erlange ich innere Ruhe und mehr Energie für den Alltag.*
Wie funktioniert das Coaching?
Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Betroffenen selbst aktiv werden. Bei einer Krebserkrankung hat man nicht alles in der Hand – aber vieles kann man positiv beeinflussen. Damit das so einfach wie möglich gelingt, bereiten wir die Informationen und Anleitungen in kleinen Häppchen vor und geben im Sinne eines personalisierten Coachings konkrete Tagesziele aus: Was kann ich heute tun, welches Maß an Bewegung ist das richtige und auf welche Ernährung sollte ich achten?
Die Coaching-Programme der App wurden von Experten aus verschiedenen Bereichen erarbeitet. Im Bereich Bewegung von Professor Baumann von der Uniklinik Köln, Professor Smollich von der Uniklinik Lübeck ist unser Ernährungsexperte und der Neurowissenschaftler Doktor Bornemann, aus Berlin, ist für die mentale Gesundheit zuständig. Er hat drei Achtsamkeitskurse erstellt, mit täglichen Übungen und geführten Meditationen für besseren Schlaf, gegen Angst und für mehr Selbstfürsorge.
Welche Funktionen bietet die App PINK! Coach neben den Tageszielen, Webinaren, Videos und Podcasts?
In der Infothek stellen wir jeweils relevante Inhalte zur Verfügung. Unser Chatbot beantwortet Fragen zu möglichen Nebenwirkungen und Symptomen individuell. Welche Beschwerden können im Zusammenhang mit Therapien auftreten, wie geht man mit ihnen um und was kann man selbst tun, um das Auftreten von Nebenwirkungen zu reduzieren?
Viele Fragen kommen zu Zeiten auf, in denen die behandelnden Ärzte nicht erreichbar sind, an den Wochenenden oder nachts. Unsere App gibt den Patientinnen jederzeit leitliniengerechte Antworten. Die Inhalte unserer App sind zudem personalisiert, sodass sie genau zur Situation der Nutzerin passen.
Die App ist dauerhaft als DiGA gelistet – was bedeutet das?
DiGAs, also „Apps auf Rezept“, müssen zahlreiche Qualitätsprüfungen durchlaufen, PINK! Coach hat einen klaren medizinischen Nutzen, der im Rahmen einer großen Studie nachgewiesen wurde. Datenschutz und Sicherheit sind gewährleistet. Auch Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit sind gegeben, sodass auch seh- oder hörbehinderte Menschen die App nutzen können. Unter unseren Nutzerinnen sind viele ältere, die nicht der Generation der „Digital Natives“ angehören. Besonders für sie muss das Nutzererlebnis intuitiv sein. Es gibt zwar viele Apps zu medizinischen Themen, aktuell sind aber nur drei Apps im onkologischen Bereich als DiGA anerkannt und entsprechen den Leitlinien. Und PINK! Coach ist die einzige App für Brustkrebspatientinnen, die dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurde.
Wie lief die Studie ab und was wurde untersucht?
Für die Hauptstudie haben wir 422 Patientinnen mit Brustkrebs an sieben großen Brustkrebszentren in Deutschland rekrutiert. Es wurde ausgelost, wer in die Gruppe der sofortigen Nutzerinnen der App und wer in die Kontrollgruppe kommt. Beide Gruppen waren gleich groß, darunter Patientinnen mit einem frühen Brustkrebsstadium und Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs. Auch verschiedene Therapiesituationen waren durch die Teilnehmerinnen der Studie abgedeckt, von der frisch gestellten Diagnose bis zur Nachsorge, Patientinnen unter Chemotherapien oder Antihormontherapien wurden eingeschlossen.
Die PINK! Coach App war in den letzten Monaten für mich eine wertvolle Unterstützung. So was wie eine gute und ziemlich kluge Freundin, die während der Therapie – und auch danach – immer an meiner Seite war.*
Während der Laufzeit der Studie haben die Teilnehmerinnen regelmäßig Fragebögen ausgefüllt, sowohl zu bestimmten Eckpunkten ihres körperlichen Befindens als auch zur psychischen Belastung. Untersucht wurden zum Beispiel körperliche Aktivität, BMI bzw. Körpergewicht und die Verträglichkeit der Therapien. Wir konnten nachweisen, dass bei den Patientinnen, welche die App PINK! Coach nutzten, die psychische Belastung im Vergleich zu denen, die sie in den ersten drei Monaten nicht zur Verfügung hatten, deutlich reduziert war. Je länger sie die App nutzten, desto deutlicher zeigte sich dieser Effekt, die psychische Belastung sank.
Bei Auswertung der Daten von sechs Monaten zeigte sich, dass auch die Patientinnen der Kontrollgruppe, die drei Monate nach der ersten Gruppe mit der Nutzung der App begannen, von einer Verbesserung ihrer psychischen Belastung durch Nutzung der App profitieren konnten. In dem Moment, in dem sie mit der Nutzung begannen, verbesserte sich ihre Situation.
Verbesserte sich auch die physische Situation der Nutzerinnen?
Ja, die App wirkt ganzheitlich. PINK! Coach leitet Patientinnen an, wie sie sich gesundheitsförderlich verhalten können, und zielt auf die drei Säulen Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit ab. Wir haben festgestellt, dass sich die App-Nutzerinnen deutlich mehr bewegen. Diejenigen, die Kortison oder eine Antihormontherapie erhalten, nehmen weniger oder gar nicht zu. Das ist eigentlich sensationell, da ansonsten die meisten Patientinnen mit der stetigen Gewichtszunahme zu kämpfen haben, Übergewicht aber sehr ungünstig für die Prognose ist, also verhindert bzw. reduziert werden sollte. Auch Schmerzen, zum Beispiel in den Gelenken, lassen sich mit bestimmten Maßnahmen reduzieren. Nutzerinnen der App befassen sich zudem mit allen drei Säulen, nicht nur mit einer. Insbesondere im Bereich mentale Gesundheit profitieren viele Patientinnen von der konkreten Anleitung.
Die App hilft durch die schwere Zeit der Krebsbehandlung und auch hinterher. Mir vermittelt sie Stabilität – auch in den schwersten Momenten. Eine wunderbare App.*
Welche Altersgruppen nutzen die App?
Das ist ganz verschieden, unsere derzeit älteste Nutzerin ist 89 Jahre alt. Anhand unserer Daten sehen wir, dass ältere Nutzerinnen sogar noch mehr Zeit in der App verbringen als jüngere; sie scheinen die bereitgestellten Informationen ausführlicher zu lesen. Die App lässt sich einfach und niederschwellig nutzen. Man braucht nur ein Smartphone, ein Rezept und kann starten.
Wie erhalten Patientinnen Zugang zur PINK! Coach App?
Die PINK! Coach App ist auf Rezept für gesetzlich Versicherte erhältlich, die Krankenkassen tragen die Kosten. Jeder Arzt kann die PINK! App verschreiben, unabhängig von der Fachrichtung. Auf dem Rezept sollten die folgenden Angaben stehen: „DiGA“, die Pharmazentralnummer (PZN) 18206191 und der Name „PINK! Coach“. Alle Informationen findet man auch auf unserer Homepage. Die Patientin schickt das Rezept an ihre Krankenkasse, erhält von dieser einen Freischaltcode und kann die App im App Store oder bei Google Play herunterladen.
Bei Fragen können sich Patientinnen oder Behandelnde gern an unser Team wenden. Wir helfen auch bei Bedarf, die App zu beantragen.
Erfahren Sie mehr unter:
pink-brustkrebs.de/aktiv-gegen-brustkrebs/pink-coach
*Patientinnenstimmen, die die App nutzen bzw. genutzt haben