Wie fühlt sich ein Leben an, das bedroht ist von ständiger Atemnot? Carina weiß es. Sie hat Mukoviszidose, auch zystische Fibrose (CF) genannt. Im Interview spricht sie über den Alltag mit der seltenen Lungenerkrankung und darüber, warum sie heute als M.Sc.-Psychologin andere chronisch Kranke unterstützt.
Wann und wie wurde Mukoviszidose bei Ihnen diagnostiziert?
Meine Eltern erhielten die Diagnose zystische Fibrose bereits in meinem ersten Lebensjahr, nachdem ich eine Lungenentzündung gehabt hatte.
„Du kannst dieses nicht tun, du kannst jenes nicht tun!“ – das hören chronisch Kranke sehr oft. Wie sind Sie als Kind, als Jugendliche damit umgegangen? Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Es hat weniger stattgefunden, dass mir diese Sätze gesagt wurden. Es war eher so, dass ich diesen Satz in mir gespürt habe, weil mein Körper mir Grenzen aufgezeigt hat: Wenn andere Kinder draußen herumgetollt sind, saß ich mit Atemnot da und musste zuschauen. In meiner Jugend war das ähnlich. So habe ich früh feststellen müssen, dass ich anders bin als die anderen Kinder. Ich war stets zu schwach, zu krank, zu leise. Das hat viel mit mir gemacht. Wirklich damit umgehen konnte ich erst, als ich größer war.
Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert, und wie geht es Ihnen heute?
Über viele Jahre hinweg hatte ich körperlich eine schwere Zeit, die von viel Leid und Krankheit geprägt war. Die CFTR-Modulatoren bedeuteten einen großen Wandel: Ich bin durch sie gesundheitlich stabiler und leistungsfähiger. Aber auch auf der emotionalen Ebene ist die Erkrankung prägend. Ich wäre heute niemals die, die ich bin, wenn mich die zystische Fibrose nicht so unerbittlich begleitet hätte. Das hat meinen positiven Blick auf die Welt geprägt, wofür ich dankbar bin. Ich bin eine sehr feinfühlige Person, die zwischen den Zeilen spüren kann – das hilft mir im Umgang mit meinen eigenen Sorgen und Ängsten, aber auch in meiner Arbeit als Psychologin.
Eine chronische Erkrankung ist aufwendiger, als sie von außen manchmal erscheint.
Ja, ein echter Fulltime-Job. Ich verbringe viele Stunden täglich damit, meine Therapien und Anwendungen zu machen: Inhalation, Reinigung der Inhalationsinstrumente, Medikamenteneinnahme, Stel-
len der Medikamente, Physiotherapie und Infusionen. Gleichzeitig perfektionierte ich durch meine Erkrankung das Kaschieren: Man sieht eine junge Frau, die einen anspruchsvollen Job hat, überall pünktlich ist und noch dazu fröhlich. Trotzdem bin ich kräftemäßig sehr oft am absoluten Limit. Die Therapie dauert mehrere Stunden – auch heute noch. Nach außen scheint vieles unbeschwert und einfach – es ist oft das Gegenteil. Heute weiß ich, dass das Versteckspiel jedoch nicht die gesündeste Variante ist – weder für den Körper noch für die Seele.
Sie sagen, manchmal fühlen Sie sich, als würden Sie in einer anderen Welt leben. Was meinen Sie damit?
Die Welt, in der eine chronisch erkrankte Person lebt, fühlt sich häufig wie ein Paralleluniversum an: die Belastungen, die Einschränkungen, die Ängste und Sorgen. All das scheint in der anderen Welt so kaum zu existieren. Zu den Belastungen, die auch Gesunde kennen, kommen bei den CF-Betroffenen noch viele andere hinzu: die täglichen Zweifel, wie die Zukunft aussieht und wie lange der Körper mitmacht. Die Schmerzen, die Einschränkungen, die körperlichen Grenzen, die nicht nur reell wehtun, sondern auch seelisch schmerzen. Der Vergleich mit Freunden und Bekannten tut weh, und das macht diese Universen so verschieden.
Wie kam es dazu, dass Sie andere chronisch Kranke unterstützen?
Ich habe mich durch meine Erkrankung jahrelang wert- und nutzlos auf dieser Welt gefühlt. Ich hatte das Gefühl, nicht willkommen zu sein, egal wie sehr ich mich anstrengte. Ich fühlte mich nie gut genug. Diese Selbstzweifel und Gedanken beobachte ich bei den meisten chronisch Erkrankten – früher im persönlichen Austausch und heute in meiner Beratung. In der Regel sind diese Selbstzweifel ein Konstrukt im Kopf. So auch bei mir. Das heißt: Wir können selbst etwas dagegen tun und so zu einem sehr glücklichen Leben mit der Erkrankung finden. Neben der psychologischen Forschung, die ich an einer Uniklinik mit chronisch Erkrankten durchführe, berate ich chronisch Erkrankte täglich hauptsächlich über Videotelefonat. Diese Arbeit erfüllt mich sehr und es bedeutet mir unheimlich viel, die Fortschritte zu beobachten, die andere chronisch Erkrankte machen.
Das Interview führte Emma Howe
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