Kindergesundheit

Generation kurzsichtig: Sehschwächen bei Kindern bleiben oft lange unentdeckt

Junge beim Augenarzt
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Cornelia Hermann
Staatlich geprüfte Augenoptikerin
und Augenoptikermeisterin

Die Anzahl der kurzsichtigen Kinder hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Jeder vierte junge Mensch in Deutschland ist kurzsichtig – Tendenz steigend. Die Folgen sind Müdigkeit, Unkonzentriertheit und Leistungsabfall. Im Straßenverkehr – ob zu Fuß oder auf dem Rad – erkennen sie heranfahrende Autos später. Das kann gerade in der bevorstehenden dunklen Jahreszeit gefährlich werden. Im Interview beantwortet die staatlich geprüfte Augenoptikerin und Augenoptikermeisterin Cornelia Hermann die wichtigsten Fragen rund um das Thema Kurzsichtigkeit bei Kindern.

 Frau Hermann, woran liegt es Ihrer Ansicht nach, dass immer mehr Kinder kurzsichtig sind?

Ein großes Problem unserer Zeit ist, dass schon Sechsjährige kaum noch Hobbys haben, die draußen stattfinden. Stattdessen verbringen sie viel zu viel Zeit vor Bildschirmen. Leider lässt sich diese Entwicklung nicht rückgängig machen. Wenn sie schon nicht vermeiden können, dass ihre Kinder Zeit vor dem Bildschirm verbringen, sollten Eltern so viel Platz wie möglich zwischen Gerät und Kind schaffen. Einfach gesagt: Ein großes Tablet ist besser als ein Handy, weil das Kind es sich nicht direkt vor die Augen halten kann, wenn es alles erkennen will. Genauso ist eine Playstation besser als ein PC, weil zwischen Sofa und Fernseher meist mehr Platz ist, als wenn das Kind am Schreibtisch vorm Computer sitzt.

Wie oft sollten die Augen kontrolliert werden?

Einmal im Jahr sollten die Eltern die Augen der Kinder auf jeden Fall untersuchen lassen. Wenn die Eltern selbst kurzsichtig sind, auch öfter. Für Kleinkinder sind ja die sogenannten U-Untersuchungen vorgeschrieben, jedoch werden hierbei Fehlsichtigkeiten oft nicht erkannt.

Warum ist es so wichtig, eine beginnende Myopie frühzeitig zu erkennen?

Weil starke Kurzsichtigkeit und die damit einhergehende Abhängigkeit von einer Sehhilfe Kinder in ihrer Freiheit einschränken. Stellen Sie sich vor, die Brille oder die Kontaktlinsen gehen unterwegs verloren oder kaputt und Ihr Kind kann seine Umgebung nur noch schemenhaft erkennen. Das kann eine sehr beängstigende Erfahrung sein, die umso weniger drastisch ausfällt, je geringer die Kurzsichtigkeit ausgeprägt ist. Außerdem steigt ab einem Wert von circa -4 bis -5 Dioptrien das Risiko, im Alter an schweren Augenleiden zu erkranken. 

Welche Optionen zur Eindämmung von Myopie gibt es?

Augenärzte können Kindern spezielle Augentropfen verschreiben, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verlangsamen sollen. Studien stellen die langfristige Wirkung dieser Tropfen aber aktuell noch infrage. Ich persönlich halte nichts davon, Kindern ein Medikament ins Auge zu tropfen. Spezielle Kontaktlinsen zum Myopie Management sind für mich eine gesündere, zuverlässigere Option. Hier gibt es verschiedene Varianten: Zum einen feste Linsen, die das Kind zum Schlafen trägt und weiche Einmalkontaktlinsen, die es tagsüber aufsetzt. Es existieren auch entsprechende Brillengläser, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit eindämmen. Ich persönlich halte Kontaktlinsen für die bessere Wahl.

Warum bevorzugen Sie Kontaktlinsen für Kinder?

Weil sich die meisten Kinder meiner Erfahrung nach durch Brillen eingeschränkt fühlen. Sie empfinden es meist als störend, dass sie ihr Aussehen verändern, und haben Angst, von anderen Kindern wegen der Brille gehänselt zu werden. Noch entscheidender ist, dass ich auch schon erlebt habe, dass Kinder Hobbys wegen der Brille ausgeschlossen haben. Dass beispielsweise ein Kind nicht zum Fußballtraining gehen möchte, weil es Angst hat, die Brille könnte kaputt gehen, halte ich für sehr bedenklich, da sich die Kinder frei entfalten sollten. Umgekehrt habe ich bei den Kindern, die von mir Kontaktlinsen bekommen haben, noch nie Negatives von ihnen oder ihren Eltern gehört. Die Kinder tun, worauf sie Lust haben und sind begeistert, dass die Kontaktlinsen ihr Leben und Aussehen kaum merklich verändern. Gerade Jugendliche sagen oft explizit, dass sie froh sind, keine Brille tragen zu müssen.

Das Interview führte Leonie Zell

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