Der Darm wird oft als das zweite Gehirn bezeichnet, weil er eine so wichtige Schaltzentrale für die Gesundheit des Menschen ist. Aber wieso ist die Darmgesundheit noch immer ein Thema, über das man nicht so gerne redet? Und welche Rolle spielt die Ernährung? Das haben wir Diabetologe und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl und Sternekoch Johann Lafer gefragt.
Lafer und Riedl möchten mit ihrem Buch „Medical Cuisine – Gesunder Darm“ nichts Geringeres, als Deutschlands Küchen zu revolutionieren – auf genussvolle Art. Das ist auch dringend nötig, denn noch immer wissen viel zu wenige um den Zusammenhang zwischen Ernährung und (Darm-)Gesundheit. Und um diese steht es hierzulande schlecht.
Der Darm spielt eine sehr zentrale Rolle im Körper. Zu seinen Aufgaben gehören neben der Nährstoffverwertung auch die Abwehr von Erregern und der Abtransport von Giftstoffen. Er reguliert die Psyche und beherbergt das Immunsystem. Vor diesem Hintergrund ist kaum verständlich, dass man noch immer kaum über den Darm und Darmgesundheit spricht. Millionen Deutsche leiden regelmäßig an Verdauungsbeschwerden, darunter allein über 300.000 an den chronisch- entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Die Zahl der Darmkrebspatienten steigt beständig. Besonders alarmierend sind die Zuwachsraten bei den Jüngeren. Dabei ließen sich viele Erkrankungen durchaus verhindern: mithilfe eines gesunden Lebensstils und einer besseren Ernährung.
Ein Superheld im Bauch
„Viele genieren sich, über das Thema Darmgesundheit zu sprechen, obwohl es jeden Einzelnen von uns betrifft“, so Dr. Matthias Riedl. Johann Lafer ergänzt: „Es gilt, den Menschen schmackhaft zu machen, sich einfach besser und gesünder zu ernähren. Dann muss man gar nicht so viel über Beschwerden reden, sondern kann sich über die gute Gesundheit freuen. Das macht das Thema gleich viel salonfähiger.“ Der wohl größte Hebel, die Darmgesundheit positiv zu beeinflussen, ist das Essverhalten. Genau aus diesem Grund ist es in den letzten Jahren auch zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt. Besonders ein Faktor scheint eine sehr zentrale Rolle zu spielen: das sogenannte Darmmikrobiom.
Der Verdauungstrakt ist die Heimat von rund 95 Prozent aller Mikroben, die meisten davon wiederum finden sich im Dickdarm. Auch wenn es vielleicht seltsam klingt: Diese Mikroorganismen bzw. Bakterien gehen eine komplexe Symbiose mit uns Menschen ein, von der (im Idealfall) beide Seiten profitieren. Riedl: „Nur wenn das Gleichgewicht unter den Mikroben stimmt, bleiben wir gesund. Bestimmte Lebensmittel und Nahrungsbestandteile ‚füttern‘ die guten Darmbakterien, andere wiederum fördern die schlechten.“
Gute Mikroben, schlechte Mikroben
Gute Mikroben regen die Darmbewegung an und helfen, die Nahrung zu verwerten. Sie produzieren Vitamin K, das für die Blutgerinnung wichtig ist, und sind an der Bildung von Hormonen beteiligt. Sie stärken die Barrierefunktion des Darms gegenüber Erregern. Sie bilden Botenstoffe, Enzyme und Substrate, die für eine gesunde Funktion von Fett-, Nerven- und Leberzellen sorgen – und vieles mehr. Man geht heute sogar davon aus, dass gute Darmbakterien möglicherweise sogar die Intelligenz des Menschen beeinflussen können – und die Lust, sich zu bewegen.
„Das Darmmikrobiom hat einen direkten Einfluss auf unsere Gesundheit, und auch in unserem Blut finden wir nützliche Eiweiße, die ebenfalls von Bakterien produziert wurden“, erläutert Dr. Matthias Riedl den Zusammenhang. „Keins ist wie das andere. Das Mikrobiom unseres Darms ist genauso individuell wie unser Fingerabdruck.“
Schutz vor Krankheiten
Ein möglichst vielfältiges und ausgeglichenes Darmmikrobiom besteht aus Billionen von Bakterien. Viele von ihnen produzieren Stoffe, die für uns Menschen lebensnotwendig sind und viele weitere Vorgänge im Körper beeinflussen. Doch ohne die entsprechende Nahrung können diese Bakterien nicht sein, und oft gibt es zu wenige der „guten“ Bakterien im Darm. Infolgedessen ist das Risiko für verschiedene Zivilisationserkrankungen erhöht, von rheumatischen Beschwerden über Diabetes bis hin zu Krebs.
Studien zeigen, dass viele Deutsche sich aktuell auf eine Art ernähren, die Darm und Mikrobiom schwer zusetzen. Naturbelassene Lebensmittel, Ballaststoffe oder Fermentiertes sind selten auf unseren Tellern zu finden, von hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichten, Wurst und Süßwaren essen wir hingegen viel. Zu viel, denn sie schwächen nicht nur die Verdauung, sondern auch unser Immunsystem, das stark vom Darm beeinflusst wird. Sich das bewusst zu machen, ist ein wichtiger erster Schritt. Doch wie kann eine bessere Ernährung gelingen?
Einfach lecker, ohne Verbote
„Mit den Rezepten in unserem Buch kann es jeder sehr leicht schaffen, sich darmgesund zu ernähren“, so Riedl. „Nur ein gesunder Darm kann alle benötigten Nähr- und Vitalstoffe für den Organismus aufschlüsseln und Krankheitserreger abwehren. Das Konzept unserer ‚artgerechten‘ Ernährung haben wir genau auf diese Wirkung hin optimiert.“ – „Zugleich steht wieder der Genuss im Zentrum!“, wirft Starkoch Johann Lafer ein. Lafer und Riedl haben typische Lieblingsgerichte wie Grießnockerlsuppe, Matjessalat und Reibekuchen, aber auch exotische Leckerbissen wie Sushi, Ceviche und Pho so verändert, dass sie beides können – die Darmgesundheit fördern und gleichzeitig gut schmecken. Denn das ist wichtig, damit man die gesunde Art zu kochen nicht nur ausprobiert, sondern auch beibehält. Für ein längeres Leben mit mehr Lebensqualität.
Ihr kulinarisches Konzept heißt „Medical Cuisine“. Über Monate saßen Riedl und Lafer für ihr gleichnamiges Buch zusammen. Sie schrieben Zutatenlisten, veränderten Würzungen und passten Rezepte an, bis sie mit dem Ergebnis rundum zufrieden waren. Entstanden ist eine volksnahe Alltagsküche mit schnell zuzubereitenden Gerichten und ohne Verbote. Auch Zutaten wie Fleisch oder Kartoffeln kommen in den Rezepten vor, dazu viele weitere, die ein ausgeglichenes Darmmikrobiom fördern und den Darm funktionsfähig halten. Und sie schmecken – und zwar richtig gut.
Autor: Miriam Rauh
Foto: Gräfe und Unzer/Gaby Gerster
Buchtipp
Unser Darm ist mehr als ein Verdauungsorgan: Das „Bauchhirn“ schlängelt sich durch den Körper, regelt Psyche, Immunsystem, Körpergewicht und Krankheiten. Höchste Zeit, ihm mehr Aufmerksamkeit, Ballaststoffe und Präbiotika zu schenken.
Viele kennen es: Der Darm zwickt und zwackt, der Bauch macht Probleme und fühlt sich gebläht an. Das ist nicht nur unangenehm, es überträgt sich auch aufs gesamte Wohlbefinden. Deutschlands Top-Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl und Starkoch Johann Lafer zeigen in 100 Rezepten, welche Lebensmittel gegen Entzündungen im Darm, bei Verdauungsproblemen und Reizdarm helfen.
Der Beweis, dass Gesundheit und Genuss kein Widerspruch sind und wie Lieblingsgerichte zum Booster für Darm und Verdauung werden!
Medical Cuisine – Gesunder Darm
Gräfe und Unzer
ISBN-10: 3833892358
ISBN-13: 978-3833892356