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„Ohne Vorsorge wären wir heute nicht mehr hier“

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Christin und Danny waren beide unter 30, als sie ihre Krebsdiagnose bekamen – in einem Alter, in dem die wenigsten an Krebs denken oder Vorsorge ernst nehmen. Dass Christin und Danny dennoch die selbst ertasteten Knoten zügig abklären ließen, rettete ihr Leben.

Christin, Sie sind jetzt 34 Jahre alt. Seit wann wissen Sie, dass Sie Brustkrebs haben?

Seit 2019, ironischerweise war das genau zum Start von Pinktober. Ich war schwanger und hatte einen Knoten getastet. Mein Frauenarzt überwies mich gleich zur Biopsie. Wenige Tage später hatte ich das Ergebnis: Brustkrebs, leider eine sehr aggressive Form.

Danny, wie wurde der Krebs bei Ihnen entdeckt?

Eher durch Zufall. Mein Mann und ich saßen auf dem Sofa; als er aufstehen wollte, fiel er so unglücklich auf mich, dass sein Ellenbogen direkt in meinen Hoden landete. Das tat natürlich sehr weh. Die Schmerzen wurden aber nach drei, vier Tagen nicht besser, sondern schlimmer. Weil mir das komisch vorkam, ging ich zum Arzt: Im Ultraschall konnte man den Tumor sehen.

Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?

Danny: Ich dachte, muss ich jetzt sterben, wie geht es weiter? Gleichzeitig habe ich aber auch nichts gedacht. Ich kann gar nicht so genau beschreiben, was in mir vorging. Eine Mischung aus allem. Ich wurde gleich operiert. Der Tumor hatte gestreut, aber insgesamt hatte ich Glück: Die Metastasen konnten mit Chemo gut entfernt werden. Der Tumor wurde keinen Moment zu früh entdeckt, noch später und es hätte auch schiefgehen können.

Christin: Wenn jemand die Diagnose Krebs bekommt, sieht man erst mal das Leben an sich vorbeiziehen. Das war bei mir auch so. Ich hatte große Angst, auch um mein Kind und meinen Mann. Zum Glück hatte ich gute und auch einfühlsame Ärzte. Und natürlich meine Familie, die mir eine große Stütze war, besonders mein Mann. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür.

Danny: Das war und ist bei mir auch so – mein Mann war sehr für mich da.

Viele nehmen das Thema Krebsvorsorge noch gar nicht ernst. Wie war das bei Ihnen?

Christin: Ich ging zur Vorsorge, den Abstrich zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge oder auch das Abtasten der Brust habe ich immer machen lassen. Einen Ultraschall allerdings nicht, das muss man selbst bezahlen. Ob man mit Mitte/Ende 20 Geld in seine Vorsorge investiert … das machen vermutlich wenige. Man muss es sich auch leisten können! Und viele denken, Krebs bekommt man, wenn man alt ist – nicht mit Ende 20. So war es bei mir auch. Sogar Ärzte sagen das oft.

Danny: Ganz ehrlich – ich weiß gar nicht, ob es eine geregelte Hodenkrebsvorsorge gibt. Ich glaube nicht, jedenfalls habe ich nie davon gehört. Aber an sich wäre es wichtig, das zu etablieren. Zwar erkranken nicht so viele Männer an Hodenkrebs. Aber bei denen, bei denen Hodenkrebs erkannt wird, ist der Tumor meist schon recht groß. Die Kosten, die dadurch entstehen, sind sicher deutlich höher als die für eine Vorsorge. Und es betrifft hier ja meist junge Männer, die das Leben noch vor sich haben.

Christin: Es kann jeden treffen, in jedem Alter, das muss man sich immer wieder bewusst machen.

Was sind nach Ihrer Erfahrung die größten Probleme in der Vorsorge?

Christin: Geld. Und Verständnis. Obwohl wirklich viel für die Brustkrebsaufklärung getan wird, zum Beispiel im Fernsehen oder mit Aktionen wie Pinktober. Auch auf Instagram gibt es viele, die wie ich selbst betroffen sind und andere daran teilhaben lassen, was die Krebserkrankung bedeutet, wie man vorsorgen kann etc. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, mit aktuell fast 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr, und die Zahlen steigen.

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Ich wünsche mir, dass viel mehr über Krebs geredet werden würde – auch über Vorsorge. Krebs ist aber noch immer ein Tabuthema, gerade unter jungen Leuten. Wenn mehr Leute über ihre Krebserkrankung sprechen, rückt das Thema mehr ins Bewusstsein. Es sollte auch niemand das Gefühl haben, sich deswegen schämen zu müssen. Das Thema Krebs geht uns alle etwas an, denn es kann jeden treffen, ausnahmslos.

Wie könnte man mehr – auch junge – Menschen dazu bewegen, zur Vorsorge zu gehen?

Christin: Sehr helfen würde sicher, wenn mehr Vorsorgemaßnahmen Kassenleistung wären. Aber ich frage mich selbst immer, wie man mehr Menschen für das Thema sensibilisieren kann. Ich versuche, sie über Social Media zu erreichen, und bin deswegen auf Instagram aktiv. Dort versuche ich, mit Witz aufzuklären, und bekomme dafür viel positives Feedback. Manche schreiben mir, seitdem sie das bei mir gesehen haben, tasten sie ihre Brust regelmäßig selbst ab. Ich glaube, mit der Selbstuntersuchung der Brust und insgesamt einem Bewusstsein für sich kann man schon einiges erreichen. Wichtig finde ich auch, dass Ärzte einen ernst nehmen, auch wenn man jung ist. Im Zweifelsfall lieber eine Probe entnehmen – auch wenn das Warten auf das Ergebnis der Biopsie die Hölle ist. Aber besser so, als einen Tumor zu übersehen.

Danny: Ich wünsche mir insgesamt, dass viel mehr über Krebs geredet werden würde – auch über Vorsorge. Krebs ist aber noch immer ein Tabuthema, gerade unter jungen Leuten. Wenn mehr Leute über ihre Krebserkrankung sprechen, rückt das Thema mehr ins Bewusstsein. Es sollte auch niemand das Gefühl haben, sich deswegen schämen zu müssen. Das Thema Krebs geht uns alle etwas an, denn es kann jeden treffen, ausnahmslos.

Was hat die Diagnose für Ihren Alltag bzw. für Ihre Familienplanung bedeutet?

Danny: Ich wurde vor der Operation gefragt, ob ich ein Hodenimplantat haben möchte, weil der Hoden entnommen wird. Das war mir egal – viel gravierender fand ich: Durch die Chemotherapie werden die meisten Männer unfruchtbar. Wenn man aber zum Beispiel Samen einfrieren lassen möchte, um noch Vater werden zu können, übernehmen das die Kassen nicht. Die wenigsten unter 30 haben das Geld, so etwas privat zu bezahlen. Das heißt, sie werden nie eine Familie haben können.

Christin: Als ich die Diagnose bekam, war ich in der 30. Woche schwanger. Meine Tochter musste früher geholt werden, damit die Therapien beginnen konnten. Es war anfangs ganz, ganz schwer für mich, allein darüber zu reden – ich hatte das Gefühl, ich muss doch da sein! Natürlich musste ich erst mal die Therapien machen, um da sein zu können, aber das geht einem eben durch den Kopf. Zum Glück hat mein Mann sich wunderbar um unsere Tochter gekümmert und mich auch sehr unterstützt.

Was würden Sie anderen gerne mitgeben?

Danny: Nicht zu schweigen. Redet und macht andere aufmerksam! Wenn auch nur ein Einziger mehr dadurch zur Vorsorge geht oder auf sich selbst achtet, ist es das wert.

Christin: Überhaupt auf sich selbst achtzugeben und auf die Menschen, die man liebt. Erinnert eure Liebsten ruhig daran, zur Vorsorge zu gehen!

Das Interview führte Miriam Rauh

 

 

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