Yvonne war 32 Jahre alt, stand mitten im Leben und plante ein zweites Kind, als sie die Diagnose Zervixkarzinom, verursacht durch HPV 16, bekam. Im Interview spricht sie über schwierige Operationsentscheidungen, Palliativtherapie und den Grund, warum sie nie aufhören wird, für das Leben zu kämpfen.
Krebs ist eine stille Erkrankung, die häufig lange Zeit symptomfrei verläuft.
Auch ich hatte keinerlei Symptome oder Beschwerden. Ich bin nur zur Frauenärztin gegangen, weil ich abklären lassen wollte, ob ich problemlos ein zweites Kind bekommen kann. Dabei wurde die Krebsvorsorge gleich mitgemacht und der Abstrich eingeschickt. Dieser war leider auffällig und es wurde sechs Wochen später ein zweiter Abstrich gemacht. Der war noch schlechter und ich bekam die Diagnose HPV-16-positiv, Gebärmutterhalskrebs.
Und Sie mussten eine Entscheidung treffen …
Ja, ich musste mich zwischen zwei Operationen entscheiden. Die erste Variante war die sicherste, dabei werden die Gebärmutter, der Eileiter und der Gebärmutterhals entfernt. Bei der zweiten Variante hätte ich möglicherweise noch Kinder bekommen können, denn das war ja mein Herzenswunsch. Doch als mein damals zwölfjähriger Sohn mein Dilemma mitbekam, sagte er: „Mama, entscheide dich bitte für die sichere Variante – ich brauche dich noch. Was will ich mit einem Geschwisterchen, wenn du nicht mehr da bist?“ Das hat mich dazu bewogen, auf Nummer sicher zu gehen und die radikale Variante zu wählen.
Krebsfrei zu sein, war das Ziel der Operation – doch es kam alles anders.
Nach der überstandenen OP teilten mir die Ärzte mit, dass sie alles entfernen konnten und ich froh sein kann, denn es waren keine Lymphknoten befallen und ich sollte mich somit auf das Gesundwerden konzentrieren und mein Leben weiterleben. Doch ein Jahr später, während einer Reha, bekam ich starke Schmerzen im Becken. Ich konnte nicht mehr richtig laufen und schaffte es nur mit starken Schmerzmitteln durch den Tag. Es begannen zahlreiche Untersuchungen, um die Ursache für die Schmerzen herauszufinden. Nachdem ich einmal auf den Kopf gestellt wurde, bekam ich die Diagnose Metastase im Knochen, ausgehend vom Zervixkarzinom.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich bekam den Anruf aus der Klinik, als wir gerade Besuch hatten. Ich weiß noch, dass ich wie ein Roboter am Telefon war, und nach dem Gespräch habe ich nur noch geweint.
Wie ging es dann weiter?
Nach der Diagnose besprach sich das Tumorboard und beschloss eine palliative Therapie. Damals konnte ich mit dem Wort gar nichts anfangen. Doch es hieß, dass ich eine Kombination aus Chemotherapie und anschließend 25-mal Bestrahlung bekomme. Ich war voller Tatendrang und bereit, gegen den Krebs zu kämpfen. Doch dann kam die Ärztin und erklärte mir, dass es nicht mehr heilbar ist und ich nie wieder gesund werden würde, doch dass versucht wird, meinen Zustand so lange wie möglich stabil zu halten.
Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?
Mit einem Schlag war die Angst übermächtig. Die Angst zu sterben, meinen Sohn und meine Familie allein lassen zu müssen. Es war für mich das Schlimmste, als ich die neue Diagnose meinem Sohn und meiner Familie mitteilen musste. Mein Sohn war und ist trotzdem immer derjenige, für den ich stark sein will! Und so kam es dann auch. Mit der Hilfe meiner Familie und meiner Freunde habe ich die Chemo und Bestrahlung überstehen können. Jedoch habe ich mich seitdem verändert, weshalb meine Beziehung in die Brüche ging und Freundschaften auseinandergebrochen sind.
Wie werden Sie heute therapiert?
Ich bekomme alle drei Wochen eine Antikörpertherapie und eine Knochenaufbauspritze.
Woher nehmen Sie die Kraft, weiterzumachen und nicht aufzugeben?
Mein Ziel war es immer, meinen Sohn aufwachsen zu sehen, ihm Halt zu geben und ein gutes Vorbild zu sein. Außerdem liebe ich das Leben und alles, was ich daraus machen kann. Seit fast vier Jahren habe ich außerdem meinen Seelenhund gefunden, der mir zusätzlich zu allen Menschen um mich herum Kraft gibt, um weiterzumachen.
Was hilft Ihnen in schwierigen Momenten am meisten?
Ich glaube, es kommt auf die Situation an. Mir hilft allerdings immer der Rückhalt meiner Familie und meiner Freunde, das Zusammensein mit meinem Hund oder einfach der Glaube daran, dass mein Weg noch nicht zu Ende ist. Ich habe mir aber auch schon Hilfe geholt durch Psychotherapie, und auch der Aufenthalt in der psychosomatischen Tagesklinik hat mir sehr geholfen, aus einem Tief wieder herauszukommen. Wichtig ist es, sich eingestehen zu können, dass es keine Schwäche ist, wenn man um Hilfe bittet.
Wie kam es zu Ihrem Engagement, auf die Krankheit und wie sie verhindert werden kann, aufmerksam zu machen?
Als ich selbst erkrankt bin, habe ich versucht Kontakt zu anderen Frauen aufzunehmen, um mich zu informieren und nicht alleine mit dieser Diagnose zu sein, jedoch gab es damals noch nicht wirklich viele Anlaufstellen. Deswegen habe ich mich dafür entschieden meine Erkrankung öffentlich zu machen und so andere Frauen über Gebärmutterhalskrebs und HPV aufzuklären. Ich möchte zeigen, dass ein Leben mit oder auch nach Gebärmutterhalskrebs trotzdem wertvoll und schön sein kann, und, dass es wichtig ist zur Krebsfrüherkennung zu gehen und auf den eigenen Körper zu hören. Außerdem stehe ich voll und ganz hinter der HPV-Impfung und mache auch auf diese Möglichkeit aufmerksam. Denn alle Menschen können durch HPV an Krebs erkranken und das können wir besonders den Kindern und Jugendlichen ersparen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Also erstmal wünsche ich mir natürlich, dass meine Erkrankung stabil bleibt und ich noch viele Jahre mit meiner Familie verbringen kann, eventuell auch einen neuen Partner an meiner Seite finde und viel mehr von der Welt sehen darf. Dann ist mein Wunsch natürlich eine bessere Aufklärung der Kinder und Jugendlichen und auch der Frauen und Männer, denn nur durch Wissen können wir etwas verändern und dann ganz vielleicht auch diese hpv-bedingten Erkrankungen verringern, wenn nicht sogar ganz verhindern.
Mehr über Yvonne erfahren Sie auf: www.instagram.com/lachen_gegen_krebs
Das Interview führte Leonie Zell