Krebs

„Unsere kleine, heile Welt brach zusammen“

Sofia

Sofia ist ein fröhliches kleines Mädchen, mit einem ansteckenden Lachen und unbändiger Lebensfreude. Kurz vor ihrem zweiten Geburtstag wird Sofia sehr krank. Diagnose: Akute Lymphatische Leukämie (ALL). Im Interview spricht Sofias Mutter, Jessica Amann, über den Kampf gegen den Krebs und erklärt, warum es so schwer ist, zurück in die Normalität zu finden.

Frau Amann, wie hat sich die Erkrankung bei Sofia bemerkbar gemacht?

Am 5. August 2019 bekam Sofia plötzlich sehr hohes Fieber. Als es auch am nächsten Tag nicht besser wurde, gingen wir zum Kinderarzt. Der vermutete, dass es am Wachstum oder den Zähnen lag, und schickte uns mit Zäpfchen nach Hause. Drei Tage später war das Fieber so schnell weg, wie es gekommen war. Doch zwei Tage später fing es wieder an. Erneut gingen wir zum Kinderarzt. Da es Sofia bis auf das Fieber gut ging, schickte er uns mit anderen Zäpfchen nach Hause. Am 13. August, dem Tag der Einschulung meines mittleren Sohnes, wachte Sofia morgens mit einem großflächigen Hautausschlag, der an Masern oder Windpocken erinnerte, auf. Mein Mann fuhr sofort mit ihr zum Kinderarzt, um abklären zu lassen, was das ist und ob wir bedenkenlos zur Einschulung könnten, ohne andere zu gefährden. Der Arzt gab Sofia ein Antibiotikum, machte einen Termin zur Blutabnahme am kommenden Mittwoch und wir gingen zur Einschulung. Am nächsten Tag verschlechterte sich Sofias Zustand rapide. Sie wollte nichts mehr essen und trinken und lag nur noch lethargisch im Bettchen. Mittwochs ging mein Mann mit Sofia zur Blutabnahme. Der Arzt schickte meinen Mann dann direkt ins Krankenhaus. Dort wurden wir aufgenommen und Sofia wurde gründlich untersucht. Ein paar Stunden später kamen der Stationsarzt und der Oberarzt auf unser Zimmer und sagten uns, dass sie Sofia nicht weiter behandeln könnten, da sie für solche Fälle nicht ausgestattet seien. Wir fragten nach, was Sofia denn habe, und sie antworteten, dass nur zwei Diagnosen infrage kämen: das Parvovirus oder Leukämie. Was es wäre, könnten die Kinderonkologen in der Uniklinik Frankfurt feststellen. Die Ärzte wünschten uns alles Gute und verließen das Zimmer. Wir waren erstarrt, geschockt, am Boden zerstört – alles gleichzeitig. Doch viel Zeit zum Nachdenken blieb uns nicht, denn kurze Zeit später wurde Sofia bereits mit dem Rettungswagen nach Frankfurt gefahren.

Sofia hatte Ausschlag am ganzen Körper.

Wie ging es dort weiter?

Die Ärzte stellten eine Sepsis sowie eine Blutarmut fest. Noch am gleichen Tag bekam Sofia eine Bluttransfusion und Breitbandantibiotika. Am folgenden Tag wurden eine Lumbalpunktion und eine Knochenmarkpunktion durchgeführt. Das musste ein paar Tage später noch einmal wiederholt werden. Es brach mir das Herz, als ich sie dort liegen sah, halb benommen, mit ihrem Schmusekissen „Diddi“ im Arm, und sie uns einfach nur ansah und wir ihr nicht helfen konnten. Wir waren machtlos und verzweifelt und klammerten uns an die Hoffnung, dass es keine Leukämie sei.

Dann kam der 20. August 2019 …

… und unsere kleine, heile Welt brach zusammen, als wir die Diagnose Leukämie bekamen. Warum unser Mädchen? Warum unser kleiner Schatz? Sie war nie krank, bis auf einen Schnupfen im Winter 2018. Sie war so lebensfroh, aktiv, glücklich – und jetzt so krank.

Bitte erzählen Sie uns von Sofias Kampf gegen den Krebs.

Sieben Tage nach der Diagnose begann die Chemotherapie. Mittlerweile wussten wir auch, dass Sofia die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) hatte. Sie war während der gesamten Zeit unglaublich tapfer – unser kleines, starkes Mädchen. Auch heute dauert die Therapie noch an, in Tablettenform. Wenn alles gut geht, gilt Sofia mit sieben Jahren als krebsfrei. Bis dahin versuchen wir, nach vorn zu schauen und uns von der Angst nicht besiegen zu lassen.

Tapfer begann Sofia gegen den Krebs zu kämpfen.

Was waren die größten Herausforderungen in den letzten Jahren?

Neben der ständigen Angst um das Leben unseres Kindes ganz klar die finanziellen Probleme, die durch so eine Diagnose auf Familien zukommen. Ich war, ehrlich gesagt, geschockt, wie wenig Unterstützung es für solche Ausnahmesituationen gibt. Das Geld wurde bei uns sehr knapp. Mein Mann ließ sich damals beurlauben, um den Kampf mit Sofia gemeinsam zu kämpfen. Dadurch bekam er nur noch 67 Prozent des Lohnes. Ich hatte eine Teilzeitstelle. Die Existenzängste waren immens. Hätten wir nicht Hilfe durch GoFundMe und verschiedene Stiftungen bekommen, wären wir finanziell am Ende gewesen. Dafür bin ich nach wie vor sehr dankbar.

Wie haben Sie den Weg zurück in den Alltag geschafft?

Ehrlich gesagt noch gar nicht – die Krankheit hat Spuren bei uns allen hinterlassen. Sofia musste viel zu schnell groß werden und hat viel von ihrer Kindheit verpasst. Auch ihren großen Brüdern fällt es schwer, das Erlebte zu verarbeiten. Zu tief sitzen die Sorgen und Ängste, die der Krebs ausgelöst hat.

Sofia, der kleine Sonnenschein.

Das Interview hat Leonie Zell geführt.

 

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