Im Mai haben Jana und Tim das erste Mal für ihre Familie die Koffer gepackt. Familie Kapell aus Reken in Nordrhein-Westfalen startete in ihren ersten Urlaub zu viert. Mit den Kindern Benno (1) und Lina (2) ging es für zwei Wochen in ein Ferienhaus nach Grömitz an die Ostsee. Dass die Kinder und auch die Eltern auf den Bildern um die Wette strahlen, ist nicht selbstverständlich. Denn Bennos Start ins Leben verlief ganz anders, als es sich die Familie erhofft hatte.
In Bennos Gepäck gehören immer Medikamente. Als er drei Monate alt war, hatte er eine Blutung im Kopf, musste notoperiert werden. Die Ursache? Zunächst unklar. Baby Benno lag auf der Intensivstation, als die große Schwester Lina ihren zweiten Geburtstag feierte. Jana blieb bei Benno in der Klinik, Tim pendelte ständig die gut 50 Kilometer zwischen Wohnort und Krankenhaus. Ein Spagat, der die Eltern stark gefordert hat. An einen Familienalltag war nicht zu denken.
Die Diagnose ist erst der Anfang
In der Klinik stellte sich heraus, dass die Blutung durch einen Vitamin-K-Mangel ausgelöst wurde. Vitamin K spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung. Oft tritt dieser Mangel bei Lebererkrankungen auf. So auch bei Benno. Die Diagnose: „Progressive familiäre intrahepatische Cholestase“, kurz PFIC. Damit hatten die Kapells einen Namen für das, was ihrem Kind widerfahren war – aber auch ein ganzes Paket an Fragen, Ängsten und Unsicherheiten. Denn die Diagnose ist erst der Anfang. PFIC ist eine progressive – also voranschreitende – Lebererkrankung. „PFIC hat unser Leben auf den Kopf gestellt“, sagt Jana Kapell. „Wahrscheinlich wird Benno irgendwann eine Lebertransplantation brauchen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in zehn. Diese Ungewissheit ist manchmal schwer auszuhalten.“
Durch die Krankheit waren Bennos Leberwerte erhöht. Weitere typische PFIC-Symptome sind erhöhte Cholestase- und Leberwerte sowie ein starker Juckreiz, der auch Benno quält und die Familie nächtelang wach hält. „Er hat sich oft an den Ohren gezogen, sich gewälzt und kaum zur Ruhe gefunden“, erzählt Jana. Seitdem er ein anderes Medikament bekommt, haben sich die Werte normalisiert. Auch der Juckreiz ist etwas besser, doch an Durchschlafen ist für Benno – und so auch für seine Eltern – nicht zu denken.
Menschen mit ähnlichen Erfahrungen kennenlernen
Um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, ist die Familie dem Verein Leberkrankes Kind e. V. beigetreten. „Wir haben eine Anlaufstelle gesucht“, sagt Jana. „Einen Ort, an dem wir nicht bei null anfangen müssen, sondern von den Erfahrungen anderer profitieren können.“ Gerade in den ersten Wochen nach der Diagnose sei alles überwältigend gewesen – medizinische Begriffe, Unsicherheiten, schlaflose Nächte. „Da ist es unglaublich wertvoll, wenn man nicht allein ist. Wenn man Fragen stellen kann, sich verstanden fühlt – und wenn einem Menschen zuhören, die Ähnliches durchgemacht haben.“ Für den „Familientag“ des Vereins, ein jährliches Treffen, das einmal pro Jahr an wechselnden Orten in Deutschland stattfindet, haben die Kapells sogar Bennos Taufe verschoben. Sie wollten gern in Berlin dabei sein, sich mit anderen Betroffenen austauschen und vor allem: andere Kinder kennenlernen, die ähnliche Geschichten haben wie ihr Baby. „Wir hatten vor allem Angst davor, wie Benno sich entwickeln würde. Wir konnten uns gar nicht vorstellen, wie Kinder mit einer Lebererkrankung oder nach einer Lebertransplantation leben“, sagt Jana Kapell.
Lebererkrankungen bei Kindern sind sehr selten und die Diagnose gestaltet sich häufig schwierig, da die Symptome oft unspezifisch sind und Erkrankungen wie PFIC leicht übersehen oder fehldiagnostiziert werden. Betroffene im direkten Umfeld, mit denen die Familien sich austauschen können und bei denen sie Verständnis bekommen, gibt es so gut wie nie. Im Verein Leberkrankes Kind sind Familien vertreten, deren Kinder eine Lebererkrankung haben. Viele von ihnen sind transplantiert, manche leben langfristig mit der Erkrankung. „Es war so schön zu sehen, dass die Kinder dort alle fröhlich und aufgeweckt waren – und auch nach einer Lebertransplantation ein normales Leben führen können“, sagt Jana Kapell. Der Verein bietet Informationen und Beratung, Austauschformate, kindgerechtes Infomaterial und vieles mehr. Das ist nur möglich mit Unterstützung – durch ehrenamtliches Engagement und Spenden oder Sponsoren. Einer dieser Partner ist das Unternehmen Ipsen, das auch im Bereich der PFIC forscht und unter anderem ein Sponsor des Familientages war.
Auf die täglichen Lichtblicke fokussieren
Familie Kapell hat durch Bennos Krankheit gelernt, was es wirklich bedeutet, im Hier und Jetzt zu leben. Die vier genießen, was gerade gut ist – und das sind viele kleine Dinge: Bennos Lachen. Lina, die ihren kleinen Bruder liebevoll umarmt. Ein gemeinsames Frühstück am Wochenende. „Wir wissen nicht, was kommt“, sagt Jana. „Aber wir wissen, was wir haben – und das schätzen wir sehr.“ Jana beschäftigt sich mit dem Thema Dankbarkeit und fokussiert sich täglich auf die Lichtblicke und schönen Momente. „Das hilft, den Blick auf das Positive zu lenken und nicht in der Angst zu versinken.“ Das muss gar nichts Spektakuläres sein, wie ihnen der Urlaub gezeigt hat. Ein Tag am Ostseestrand, ein Besuch im Zoo oder beim Feuerwehrfest – der erste Urlaub mit Benno war eine willkommene Auszeit. „Auch wenn man mit kleinen Kindern den Alltag ja immer mit in den Urlaub nimmt – mit oder ohne Krankheit“, weiß Jana Kapell. Dennoch hat der Urlaub der Familie ein wenig Normalität geschenkt. Für andere Familien, die gerade erst von einer Erkrankung bei ihrem Kind erfahren, hat Familie Kapell eine Botschaft: „Sucht euch Unterstützung. Fragt nach. Und: Konzentriert euch auf die schönen Momente mit euren Kindern. Das ist es, was zählt.“
Typische Symptome der
progressiven familiären intrahepatischen Cholestase
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Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit IPSEN umgesetzt













