Annette Thewes kümmert sich seit mehr als 20 Jahren um die Abwicklung von Nachlässen für gemeinnützige Organisationen, auch für Amnesty Deutschland. Die zertifizierte Testamentsvollstreckerin erzählt, was bei der Nachlassgestaltung zu bedenken ist.
Was hat Amnesty International mit Nachlässen zu tun?
Eine gemeinnützige Organisation wie Amnesty kann im Testament als Erbin oder Miterbin eingesetzt werden. Amnesty kann dann auch Aufgaben übernehmen, die mit der Abwicklung im Zusammenhang stehen. Ähnlich wie Personen hat auch die Organisation die Verpflichtung und moralische Aufgabe, den letzten Wunsch der verstorbenen Person respektvoll umzusetzen.
Wie läuft das in dem Fall konkret ab?
Zunächst werden wir informiert, zum Beispiel vom Amtsgericht. Dann nehme ich Kontakt zu den Hinterbliebenen auf und leite die üblichen Schritte im Fall einer Erbschaft ein. Das kann auch die Organisation der Beisetzung beinhalten oder administrative Aufgaben, wie das Bezahlen offener Rechnungen. Mir liegt es sehr am Herzen, den Beteiligten zuzuhören, auf ihre Wünsche einzugehen und Vertrauen zu schaffen.
Wann sollte Amnesty ins Testament?
Wer sich mit den Werten von Amnesty identifiziert, kann mit dem Testament dazu beitragen, dass die Menschenrechte auch in Zukunft geschützt werden. So lassen sich auch nach dem Tod noch die eigenen Werte vermitteln. Aber auch praktische Gründe sprechen dafür: Für die Angehörigen kann es hilfreich sein, dass Amnesty als Erbin organisatorische Dinge übernimmt, denn der Tod eines nahestehenden Menschen ist belastend, und Angehörige sind oft überfordert von allem, was dann ansteht. Außerdem ist Amnesty als gemeinnütziger Verein von der Erbschaftsteuer befreit, das heißt, alles kommt ohne steuerlichen Abzug dem Einsatz für die Menschenrechte zugute.
Was raten Sie Menschen, die ihr Testament machen möchten?
Man sollte das Testament sehr spezifisch formulieren. Das erleichtert die Abwicklung des Nachlasses für die Hinterbliebenen immens.
Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es gab einen Fall, bei der Mutter und Bruder des Verstorbenen noch lebten. Ich sollte keine Traueranzeige schalten, denn sie wollten nicht, dass das Umfeld erfährt, dass im Testament eine gemeinnützige Organisation als Erbin eingesetzt wurde. Doch nach einem Jahr sind sie auf mich zugekommen und wollten gemeinsam mit der Organisation eine Anzeige veröffentlichen. Der Bruder erwägt jetzt, ebenfalls diese Organisation im Testament zu begünstigen. Nachlassfälle sind geprägt von Leid und Verlust. Es ist deshalb ein großes Glück, wenn die Hinterbliebenen am Ende ebenfalls zufrieden sind, dass eine Organisation, die sich für Gutes einsetzt, im Testament mitbedacht wurde.
Information
Bei Amnesty Deutschland ist Sandra Lüderitz-Korte Ansprechpartnerin für Testamentsspenden. Sie erreichen sie unter 0170-8898965 oder per E-Mail: sluederitz@amnesty.de. Einnahmen aus Nachlässen unterstützen den Einsatz von Amnesty sehr: Allein im Jahr 2022 halfen uns rund 3,9 Millionen Euro aus verschiedenen Nachlässen.
Bestellen Sie kostenfrei den Amnesty-Testaments-Ratgeber unter:
www.amnesty.de/inzukunft
„Wenn genug da ist, kann man auch etwas abgeben“
Alles regeln und etwas Sinnvolles bewirken: Dagmar Scheid hat sich bewusst mit ihrem Testament beschäftigt. Dabei entschied sie sich, auch Amnesty zu begünstigen – als Zeichen für Solidarität und Menschenrechte.
Was bedeutet es Ihnen, zu spenden?
Wenn genug da ist, kann man auch etwas abgeben – und zwar an Personen und Organisationen, die etwas Sinnvolles tun. Das fand ich schon immer richtig.
Sie unterstützen die Arbeit von Amnesty seit vielen Jahren. Warum Amnesty?
Es erschien mir von jeher ungerecht, wenn eine Person wegen ihrer Meinung oder ihres Engagements diskriminiert, schikaniert oder misshandelt wird. Ohne Menschenrechte und ohne Grundfreiheiten fehlt die Basis für das Zusammenleben. Erst wenn es keine Verfolgung aus politischen Gründen gibt und die Menschenrechte gelten, kann eine Gesellschaft funktionieren. Dann gibt es die Grundlage, sich etwa auch um Kultur oder – noch wichtiger – um Klima- und Umweltschutz zu kümmern. Deshalb unterstütze ich Amnesty.
Was waren die Gründe dafür, dass Sie entschieden haben, Amnesty einen Teil Ihres Erbes zu geben?
Ich habe überlegt und geprüft und mich für Amnesty entschieden, denn es geht mir um den Kampf für eine gerechte und faire Welt, für die sich die Organisation übergreifend und grundlegend einsetzt. Amnesty steht für Neutralität und Verlässlichkeit, aber auch für persönliche Solidarität, wenn sich Menschen gemeinsam für andere Menschen in Not starkmachen. Und zwar mit Ausdauer: Wenn etwa Regime eine Angelegenheit aussitzen wollen, bleibt Amnesty dran und macht weiter Druck. Dazu braucht es eine starke, unabhängige Organisation. Und die kostet Geld.
Was hat Sie dazu veranlasst, ein Testament zu verfassen?
Ich hatte das Bedürfnis, die Dinge zu regeln – auch weil ich Todesfälle erlebt habe, bei denen nichts geregelt war. Dann fehlt jede Orientierung, alle sind konsterniert, und das Trauern wird nicht leichter. Ohne Kinder und Geschwister kommt für mich die gesetzliche Erbfolge nicht infrage, und in meinem Freundeskreis habe ich einzelne Personen bedacht, viele sind aber relativ gut versorgt. Dass mein Testament gemacht ist und auch auf etwas Gemeinnütziges abzielt, garantiert, dass mit meinem Eigentum etwas Sinnvolles geschieht. Ich finde: Solange man Einfluss hat, sollte man ihn auch nutzen.
Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Wichtig war der Austausch mit nahestehenden Menschen. Zuerst habe ich mich mit ihnen vertrauensvoll besprochen und danach alles aufgeschrieben: Was gibt es, wer soll was bekommen, und wie lässt sich alles gut splitten? Durch das Aufteilen kann man Freunde und Familie gerecht werden und dennoch ein bestimmtes Budget für etwas Gemeinnütziges vorsehen. Als ich einen Plan hatte, habe ich ihn mit meinem Steuer- und Finanzberater geprüft. Amnesty hat eine Fachanwältin an der Seite, die alles gecheckt und hilfreiches Feedback gegeben hat. Das hat prima geklappt, und nun ist alles so geregelt, wie ich es will.
Was sagen andere zu Ihrer Entscheidung?
Ich war sehr zufrieden, einen Teil des Erbes an Amnesty zu geben. Also habe ich auch davon erzählt. Das fanden alle toll, aber zugleich gab es auch Berührungsängste, über das Thema Testament und den eigenen Tod zu reden. Die eigene Endlichkeit ist ein großes Tabu. Deshalb alles aufzuschieben, ist aber ungünstig. Dann überrascht dich plötzlich ein Unfall, oder der Krebs schlägt zu. Mit dem Testament muss sich ja auch keiner für immer festlegen. Es lässt sich ja problemlos ändern, das habe ich inzwischen auch zweimal gemacht. Mein erstes Testament hatte ich mit 30 Jahren hinterlegt.
Gastbeitrag von Amnesty International