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Ihr seid Lebensretter!

Die Organspende ist immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema. Viele setzen sich nicht mit dem Sterben auseinander und wollen auch nicht darüber nachdenken, was nach dem Tod mit ihren Organen geschieht. Mehr als 8.000 Menschen hoffen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Eine Transplantation ist für sie häufig die letzte Hoffnung. Viele warten jedoch vergeblich – hierzulande kommen nur 11,4 Spender auf eine Million Einwohner. Drei Lebensretter möchten wir euch vorstellen:

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Unsere Lena war ein richtiger Sonnenschein“, beschreibt Gabi Mödder ihre Tochter. „Im August ist Lena schon acht Jahre nicht mehr bei uns. Wir kämpfen uns irgendwie ins Leben zurück – mal funktioniert es gut, mal weniger gut.“
An einem Sommermorgen war die 17-Jährige mit ihrer besten Freundin zum Ausreiten verabredet. Lena ritt vor, da sich ihre Freundin verspätete. Als sie Lena fand, lag sie leblos am Boden. Bis heute ist nicht klar, was an diesem Morgen passiert ist.

Ein Rettungshubschrauber brachte das Mädchen in eine Klinik. „Drei Tage nach der Not-OP stand fest, dass es für Lena keine Hoffnung mehr gibt.“ Am fünften Tag nach dem Unfall wurden die Eltern von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) angesprochen. „Wir hatten uns vorher nie mit dem Thema beschäftigt, doch nach anfänglichem Zögern haben wir die Organspende genehmigt. Unsere Lena hat sechs Organe gespendet und damit fünf schwerstkranke Menschen gerettet. Wir haben sogar einen Dankesbrief erhalten. Uns schrieb eine Mutter, die Lenas Leber bekommen hat. Ohne die Leber hätte sie nicht überlebt, berichtete die anonyme Empfängerin. Dank Lenas Spende könne sie nun ein lebenswertes Leben führen.“

Noch heute prägen Hoffnung und Trauer das Leben von Lenas Familie. „Durch die regelmäßigen Veranstaltungen der DSO werden wir aber immer wieder darin bekräftigt, dass wir richtig entschieden haben, Lenas Organe zu spenden. Lena lebt in den Organempfängern weiter, das gibt uns Hoffnung. In unseren Herzen ist Lena fest verankert und durch viele wunderbare Fotos, die überall in unserem Haus stehen, immer präsent.“

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Acht Jahre ist es nun her, als uns durch Polizeibeamte die Nachricht überbracht wurde, die unser Leben veränderte.
Unser 13-jähriger Sohn Leonard hatte auf dem Weg zur Schule einen Fahrradun​​​fall mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen“, erzählt Nicole Siebens.

Die Hoffnung auf eine Chance für Lenny wurde den Eltern schnell genommen. „Unser Kind stirbt.“ Der Gedanke riss Nicole Sieben den Boden unter den Füßen weg. Plötzlich prasselten so viele Fragen auf sie ein, Fragen, die sie sich vorher nie gestellt hatte. Schließlich mussten sich Nicole und ihr Mann der schwersten Frage ihres Lebens stellen: „Sollen wir die Organe unseres Kindes zur Transplantation freigeben?“ Viel Zeit hatten sie nicht, um eine Antwort zu finden. „Der Entscheidungsprozess war unendlich schmerzhaft. Aber wir waren uns sicher, dass Leonard sich dafür entschieden hätte. Also taten wir es auch. Wir waren fast die ganze Zeit bei Lenny im Krankenhaus.“ Es war nicht einfach, den Organspendeprozess anlaufen zu sehen, und beiden wurde klar, wie wenig sie über all das wussten.

Leonard musste viel zu früh mit 13 Jahren sterben. „Heute finden wir Trost in dem Gedanken, dass ein Teil von ihm weiterlebt. Wir möchten Menschen mit ähnlichen Schicksalen unterstützen und engagieren uns für die Organspende und für trauernde Eltern.“

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Käte
Unsere Mutter ist im Februar 2020 bei ihrem täglichen Spaziergang im nahe gelegenen Wald mit ihrem Hund, aufgrund einer Hirnblutung durch ein Aneurysma, zusammengebrochen. Sie und auch wir haben nicht gewusst, dass sie so etwas im Kopf hat. Ihr Hund wachte neben ihr, als sie von Passanten „gefunden“ wurde und dann mit dem Helikopter ins Krankenhaus gebracht wurde.

Als wir eintrafen, war sie mittlerweile operiert worden und lag im Koma. Der Zustand war zu dem Zeitpunkt schon bedenklich, aber wir hatten noch Hoffnung. Am nächsten Tag jedoch sollte sie in ein weiteres Krankenhaus für eine erneute OP verlegt werden. Diese OP hätte unsere Mutter aber nicht mehr vollkommen retten können, trotzdem wollte mein Vater diese OP durchführen lassen. Wir respektierten seinen Wunsch und hatten schreckliche Angst vor den möglichen Folgen. Es zeichnete sich aber auch danach ab, dass sich die Hirntätigkeiten meiner Mutter weiter verschlechterten.

Dann trat der Hirntod ein. Meine Mutter führte stets einen Organspendeausweis bei sich und wir konnten unseren Vater von der Durchführung ihres Willens überzeugen. So wurde in der darauffolgenden Nacht die Organentnahme durchgeführt. Meine Mutter war 84 Jahre alt und konnte ihre Leber und die Nieren spenden und die Transplantationen waren gut verlaufen. Wir wurden von dem Arzt telefonisch über den Ablauf und das Ergebnis sehr einfühlsam informiert. Das hat uns ein wenig in unserer Trauer geholfen, zu wissen, dass die Organe unserer Mama in zwei Menschen weiterleben.

Wir sind stolz auf unsere Mutter, wie sie ihr Leben lang ihre Familie umsorgt und auch zusammengehalten und dass sie sogar im Tode fremden Menschen noch geholfen hat.


8 Fakten zur Organspenden

Eine postmortale Organspende bis zu sieben Menschenleben retten. Nachfolgend wollen wir die acht häufigsten Fragen zur Organspende beantworten.

#1: Gibt es eine Altersgrenze für die Organspende?

Für die Organspende gibt es keine feststehende Altersgrenze. Entscheidend ist der Zustand der Organe. Dieser hängt jedoch nur bedingt vom kalendarischen Alter ab. Über die Frage, ob ein Organ transplantiert werden kann, entscheiden medizinische Tests nach dem Tod – und letztlich die Ärztinnen und Ärzte, die die Organe transplantieren. Die bisher älteste Organspenderin Deutschlands war 98 Jahre alt und ihre Leber konnte erfolgreich transplantiert werden.

#2: Welche (Vor-)Erkrankungen schließen eine Organspende aus?

Eine Organentnahme wird in der Regel ausgeschlossen, wenn bei der Verstorbenen oder dem Verstorbenen eine akute maligne Tumorerkrankung oder eine nicht behandelbare Infektion vorliegt. Bei allen anderen Erkrankungen entscheiden die Ärztinnen und Ärzte nach den vorliegenden Befunden, ob Organe für eine Entnahme infrage kommen.

#3: Genügt der Organspendeausweis als Rechtsgrundlage für eine Organentnahme? Werden die Angehörigen trotz Organspendeausweis um ihre Zustimmung gebeten?

Ist das Einverständnis der verstorbenen Person dokumentiert, so ist eine Organentnahme rechtlich zulässig. Der Wille des Verstorbenen hat Vorrang. Bei vorliegendem Organspendeausweis werden die Angehörigen also nicht um eine Entscheidung zur Organspende gebeten, sie müssen jedoch darüber informiert werden.

#4: Genügt auch ein Tattoo als Rechtsgrundlage für eine Organspende?

Ein Tattoo kann als eine Art Zeichen bzw. Statement für Organspende gewertet werden und den Angehörigen im Fall der Fälle als Anhaltspunkt dienen, wenn diese nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person eine Entscheidung treffen müssen. Ein Tattoo stellt jedoch keine rechtlich bindende Grundlage für eine Organentnahme dar. Daher ist es ratsam, zusätzlich einen Organspendeausweis auszufüllen und – ebenso wichtig – die Angehörigen zu informieren. Die Dokumentation der Entscheidung ist in einem Organspendeausweis zudem wesentlich differenzierter möglich. Man kann zum Beispiel die Spende auf bestimmte Organe oder Gewebe beschränken, einer Person die Entscheidung übertragen und vor allem: Man kann die Entscheidung jederzeit ändern und bei Bedarf einfach einen neuen Organspendeausweis ausfüllen.

#5: Welche Voraussetzungen müssen für eine postmortale Organspende erfüllt sein?

Bevor Organe für eine Transplantation entnommen werden können, müssen zwei grundlegende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Tod der Spenderin oder des Spenders muss durch Feststellung des irreversiblen Ausfalls der Gesamtfunktion des Gehirns nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt worden sein. Zweitens muss für die Entnahme eine Einwilligung vorliegen, entweder in Form einer schriftlichen Einverständniserklärung der Verstorbenen oder des Verstorbenen (Organspendeausweis und/oder Patientenverfügung) oder indem eine von ihr oder ihm dazu bestimmte Person oder die Angehörigen im Sinne der Verstorbenen oder des Verstorbenen zustimmen.

#6: Ich habe bereits einen Organspendeausweis. Wird auf einer Intensivstation trotzdem alles medizinisch Mögliche für mich getan, wenn ich lebensbedrohlich erkranke?

Ziel aller medizinischen Maßnahmen im Falle eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung ist es, das Leben des Patienten oder der Patientin zu retten. Die Bemühungen der Rettungsteams sowie der Ärztinnen und Ärzte sind allein auf dieses Ziel ausgerichtet. Manchmal kann die Patientin oder der Patient trotz aller Bemühungen nicht mehr gerettet werden, Krankheit oder Unfallfolgen sind zu weit fortgeschritten. Mitunter tritt der Tod dabei durch den unumkehrbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms ein; Kreislauf und Atmung können nur noch künstlich durch Beatmung und Medikamente aufrechterhalten werden. Nur bei dieser kleinen Gruppe von Verstorbenen stellt sich die Frage einer Organspende. Voraussetzung für die Organspende ist dabei immer, dass der Tod gemäß dem Transplantationsgesetz von zwei dafür qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt worden ist. Diese Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe aus dieser Organspende beteiligt sein noch der Weisung eines beteiligten Arztes oder einer beteiligten Ärztin unterstehen.

#7: Ich bin noch nicht volljährig. Kann ich trotzdem einen eigenen Organspendeausweis ausfüllen?

Minderjährige können ab dem 16. Lebensjahr ihre Bereitschaft zur Organspende auf einem Ausweis dokumentieren. Der Widerspruch kann bereits ab dem 14. Lebensjahr erklärt werden. Den Organspendeausweis gibt es unter anderem beim Infotelefon Organspende unter der kostenlosen Rufnummer 0800/90 40 400.

#8: Kann die Familie den Verstorbenen nach der Organentnahme nochmals sehen?

Die Familie kann in der von ihr gewünschten Weise Abschied von der verstorbenen Person nehmen. Nach der Entnahmeoperation wird die Operationswunde mit der gebührenden Sorgfalt verschlossen. Der Leichnam kann aufgebahrt werden und die Bestattung wie gewünscht stattfinden.

Autor: Emma Howe

 

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