KindergesundheitSeltene Erkrankungen

Alles, was zählt, ist Familie

image002

André und Shari Dietz sind bekannte Gesichter: Er ist Schauspieler, Musiker und Autor. Sie ist Bloggerin und Influencerin –und nimmt ihre Follower auf dem Instagram-Kanal @dietz.und.das mit in den Alltag mit vier Kindern. Berührend ist der Umgang der Eltern und Geschwister mit der zehnjährigen Mari, die mit dem Angelman-Syndrom lebt. Das Angelman-Syndrom ist eine Gendefekt, der mit geistiger Behinderung, sprachlichen und motorischen Störungen sowie einem besonders fröhlichen Verhalten einhergeht. Mit uns haben André und Shari offen und ehrlich über ihr Familienleben geplaudert. Im Interview verraten sie, wie sie es schaffen, positiv zu denken, und ob sie an Schicksal glauben.

Liebe Shari, lieber André, wie sieht ein typischer Tag bei euch aus und was liebt ihr am meisten an eurem Alltag?

André: Typisch ist, dass nichts typisch ist und kein Tag wie der davor. Wir sind eine sechsköpfige Familie, wir Eltern arbeiten zusammen in unserer Marketingagentur. Ich bin auf Drehs, wir schreiben Bücher – da ist kein Tag wie der andere.

Shari: Uns ist es wichtig, den Kindern jeden Tag eine Struktur zu geben. Wir essen mit den Kindern immer zu den gleichen Zeiten und haben eine feste Abendroutine. Grundsätzlich lieben wir die Vielseitigkeit in unserem Alltag.

Shari, wie kriegt ihr alles und alle unter einen Hut, ohne euch selbst dabei zu verlieren?

Wir haben gelernt, uns als Eltern kleine „Inseln“ zu schaffen. Das geht natürlich nicht immer, besonders mit vier Kindern und unserer Mari mit ihren besonderen Bedürfnissen. Aber ab und zu kommt ein Babysitter und wir gehen ohne Kinder essen, ins Kino oder in die Sauna.

André, fast alle Eltern kennen das Gefühl, ihre Aufmerksamkeit nicht gerecht verteilen zu können. Wie geht ihr mit solchen Gefühlen um?

Wir haben beide einen hohen Gerechtigkeitssinn und achten darauf, alle Kinder gleichzubehandeln, egal ob es Geschenke angeht oder gemeinsame Zeit. Das ist schwierig, denn Mari fordert viel Aufmerksamkeit. Mit der Hilfe von Freunden und Familie schaffen wir das ganz gut.

Euer erstes Kind kam mit einer Analatresie zur Welt. Mari hat das Angelman-Syndrom. Wie seid ihr damit umgegangen? Habt ihr euch gefragt: Warum wir?

André: Mit unserem Sohn waren wir monatelang auf der Intensivstation. Wir haben  erfahren, dass eine heile Welt nicht selbstverständlich ist. Heute geht es unserem Sohn gut, dafür sind wir dankbar. Der gute Umgang mit Maris Behinderung war ein Prozess. Nach der Diagnose sind wir in ein Loch gefallen. Wir haben uns entschlossen, unser Schicksal als Chance zu sehen. Wir möchten kein Mitleid, sondern zeigen, dass das Leben weitergeht, und es positiv gestalten.

Shari: Wir leben eine radikale Ehrlichkeit miteinander. Jeder darf mal schwach sein und mal stark. Jedes Gefühl darf benannt werden. Wir glauben nicht an Schicksal. Dinge sind, wie sie sind, und man muss sie annehmen. Natürlich haben wir uns diese Frage nach dem Warum gestellt, aber schnell gemerkt: Das führt zu nichts.

SC7B6223 CATJA VEDDER PHOTOGRAPHY

Oberstes Gebot: Eine großartige Kindheit!

Shari, wie spricht man am besten mit Kindern über das Thema Behinderung und wie habt ihr mit euren Kindern über die neue Situation gesprochen?

Für unsere Kinder war das kein großes Thema. Mit Besuchskindern haben wir viel mehr darüber gesprochen. Daraus ist die Idee zu unserem Kinderbuch „Ich bin Mari“ entstanden. Wir gehen mit Maris Behinderung ganz offen um. Wenn Leute Berührungsängste haben, gehen wir auf sie zu und machen damit fast nur positive Erfahrungen.

André, an welchen Stellen wünscht ihr euch Veränderungsmöglichkeiten für eine inklusivere Gesellschaft?

Um zuerst die guten Seiten zu benennen: Es tut sich etwas im Bewusstsein der Menschen, es gibt mehr Akzeptanz und Verständnis und den Willen zur Inklusion. Die Politik ist gefordert, Räume für echte Inklusion zu schaffen. Angefangen bei Spielplätzen, die Kinder mit Behinderungen barrierefrei nutzen können, bis hin zu den Schulen. Inklusion fängt im Kleinen an. Unser Umfeld ist großartig. Freunde und Familie gehen liebevoll mit Mari um und zeigen ihr, dass sie dazugehört und ein wertvoller Teil der Gesellschaft ist.

Shari, was würdet ihr anderen Eltern, die bereits wissen, dass ihr Kind mit einer Behinderung auf die Welt kommen wird, gern mit auf den Weg geben?

Die Sorgen verblassen, wenn man das Kind im Arm hält. Mari hat ihre Diagnose mit drei Jahren bekommen. So etwas ist immer ein Schock. Aber das Kind bleibt dasselbe. Die Liebe bleibt gleich.

André, welche Pläne habt ihr als Familie?

Wir möchten viel von der Welt sehen, mit unseren Kindern Erinnerungen schaffen. Mari wird immer bei uns wohnen. Langfristig planen wir ein Mehrgenerationenhaus, in dem alle einen Platz haben, wenn sie möchten.

Shari, was wünscht ihr euch für eure Kinder?

Wir wünschen uns, dass unsere Kinder zu coolen, bedachten und freundlichen Erwachsenen werden. Große Pläne machen wir nicht. Sie sollen einmal sagen: Wir hatten eine großartige Kindheit.

Das Interview führte Berit Hullmann

Teaser Hörmagazin

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0 %