Seltene Erkrankungen

Arzt und Patient: „Zusammenarbeit und Kommunikation fördern eine optimale Behandlung“

Prof. Dr. Johannes Oldenburg Facharzt für Transfusionsmedizin, Hämostaseologie und Medizinische Genetik, Direktor des Hämophilie-Zentrums Bonn

Ein Interview mit Prof. Dr. Johannes Oldenburg.

Was ist der Unterschied zwischen Hämophilie A und B?

Bei der Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII, bei der Hämophilie B fehlt der Gerinnungsfaktor IX. Die Hämophilie A ist mit etwa 6.000 Patienten in Deutschland etwa siebenmal häufiger als die Hämophilie B mit etwa 800 Patienten. Jeweils etwa die Hälfte der Patienten hat eine schwere Verlaufsform. Die Blutungssymptome unterscheiden sich bei Hämophilie A und Hämophilie B nicht.

Welche Symptomatik ist typisch für die Erkrankung?

Insbesondere bei der schweren Verlaufsform sind Muskel- und Gelenkblutungen typisch. In seltenen Fällen können auch lebensbedrohliche Blutungen in innere Organe oder auch in das Gehirn auftreten. Diese Blutungen können auch spontan, also ohne äußeren Anlass, geschehen. Besondere Bedeutung haben die Gelenkblutungen, da diese über die Jahre zu bleibenden Gelenkschäden und Behinderungen führen können.

Wie wird die Hämophilie diagnostiziert?

In der Regel fallen Säuglinge dadurch auf, dass beim Krabbeln vermehrt blaue Flecken entstehen. Oft gibt es in der Familie aber auch schon Betroffene mit einer Hämophilie, sodass bei Neugeborenen direkt entsprechende Tests durchgeführt werden.

Wie sieht die Hämophilie-Therapie heute aus?

Die Hauptform der Behandlung ist eine vorbeugende Vermeidung von Blutungen durch die regelmäßige Gabe von Faktorenkonzentraten bzw. bei der Hämophilie A alternativ die Behandlung mit einem monoklonalen Antikörper. Diese Medikamente werden im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von den Patienten – oder bei kleinen Kindern von den Eltern – selbst zu Hause verabreicht.

Warum ist die Arzt-Patienten-Kommunikation so wichtig, und wie kann diese bestmöglich gewährleistet werden?

Die Hämophilie ist eine lebenslang bestehende Erkrankung. Die Blutungsfolgen, insbesondere der Gelenkblutungen, zeigen sich oft erst nach vielen Jahren. Daher ist es wichtig, Blutungen im Idealfall durch eine gute Behandlung nahezu vollständig zu vermeiden. Hierfür ist die Betreuung in Hämophilie-Zentren wichtig, da dort die notwendige Erfahrung mit dem Krankheitsbild bzw. -verlauf und den Medikamenten besteht. In Hämophilie-Zentren stehen in der Regel auch Teams aus Gerinnungsspezialisten, Orthopäden, Physiotherapeuten und anderen Fachdisziplinen zur Verfügung, um multidisziplinär die Erkrankung optimal zu behandeln. Ganz wichtig ist auch die Mitarbeit des Patienten selbst, denn die Behandlung erfolgt lebenslang und schon wenige Blutungen können Jahre später zu irreversiblen Gelenkschäden führen. Die Kommunikation sollte partnerschaftlich sein, da nur die gute Zusammenarbeit und Kommunikation von Arzt und Patient bei dieser chronischen Erkrankung ein gutes Behandlungsergebnis gewährleistet.

Unterstützt wird die Patienten-Arzt-Kommunikation durch moderne Apps, bei denen der Patient in Echtzeit seine Behandlung und auch seine Blutungen dokumentieren kann sowie weitere Informationen festhalten kann. Diese Apps können auch die aktuelle Faktorenaktivität und damit den Schutz vor Blutungen bzw. den Zeitpunkt der nächsten Medikamentengabe anzeigen. Das Telefon bleibt aber im Notfall das wichtigste Kommunikationswerkzeug mit dem Zentrum, um direkt die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Das Interview führte Leonie Zell


Mit freundlicher Unterstützung von Sobi Deutschland

 

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