Im Jahr 2023 erhielt Sandra eine Diagnose, die ihr Leben für immer verändern sollte: Glioblastom. Im Interview erzählt die 39-jährige Berlinerin, wie sie mit der Diagnose umging, welche Therapien sie wählte und wie sie trotz allem ihr Leben aktiv und bewusst gestaltet.
Sandra, erzähle uns bitte, wie alles begann.
Es war 2023, als ich nach meiner Rückkehr aus der Elternzeit bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Ich war wieder in meiner Führungsposition und hatte mich an den Arbeitsalltag gewöhnt, als plötzlich täglich in Schüben ein Kribbeln in meiner linken Körperhälfte auftauchte, begleitet von Schwindel. Zuerst dachte ich, es sei nur Stress. Doch als die Symptome nicht besser wurden, ging ich zum Hausarzt, und nach einer MRT-Untersuchung bekam ich die schockierende Diagnose: ein Hirntumor – vermutlich gutartig, aber er musste operiert werden.
Wie hast du die Zeit vor und nach der Operation erlebt?
Vor der OP hatte ich große Angst. Ich fragte mich: „Werde ich wieder ich sein? Werde ich mein Kind erkennen?“ Als ich nach der Operation aufwachte und alles bewegen konnte, war die Erleichterung riesig. Ich war voller Optimismus, als ich entlassen wurde, und bat den Arzt, mich sofort zu informieren, sobald der Befund vorliegt.
Wie ging es dann weiter?
Drei Wochen später rief der Arzt an. Seine erste Frage lautete: „Sind Sie allein zu Hause?“ Da wusste ich, dass es keine gute Nachricht war. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Glioblastom handelte – mit einer mittleren Überlebenszeit von anderthalb bis zwei Jahren. Diese Worte rissen mir den Boden unter den Füßen weg. Die ersten Wochen danach waren extrem schwer. Sogar das Lachen meines Kindes tat mir weh, weil ich dachte: „Wie lange habe ich noch mit meinem Sohn?“ Ich begann, Dinge für ihn aufzuschreiben, damit er später wissen würde, wer seine Mutter war.
Hast du dir professionelle Unterstützung gesucht?
Ich versuchte, eine Psychoonkologin zu finden, aber die Wartezeiten waren lang. Über die Empfehlung einer anderen Betroffenen kam ich zu einer Coachin. Sie half mir, meine negativen Gedanken zu relativieren. Es war ein großer Schritt, um aus dem emotionalen Tief herauszukommen. Vor allem gab es mir das Gefühl, meine Umstände aktiv mitgestalten zu können.
Wie wirst du therapiert?
Ich habe mich entschieden, alle schulmedizinischen Therapien zu nutzen, und parallel dazu informiere ich mich viel über alternative Heilansätze. Zuerst begann ich mit der Bestrahlung und einer Doppelchemo (Temodal und Lomustin), was herausfordernd war, da ich alle Infekte von meinem Kleinkind mitnahm. Jetzt bin ich in der letzten Phase einer Monochemotherapie. Nach der Bestrahlung startete ich außerdem mit TTFields, die mir von meinen Neurochirurgen empfohlen wurden.
Wie funktioniert diese Therapie und wie integrierst du sie in deinen Alltag?
Die Therapie nutzt elektrische Wechselfelder und funktioniert durch vier Arrays auf dem Kopf, die die Teilung der Tumorzellen stören und damit das Fortschreiten der Erkrankung verhindern sollen. Ich trage die Pflaster und einen kleinen Rucksack, der die Technologie enthält, mindestens 18 Stunden am Tag, also bei fast allem, was ich tue – beim Schlafen, Spielen mit meinem Sohn, beim Sport oder auf Reisen. Nur bei besonderen Anlässen wie meiner Hochzeit pausiere ich die Therapie, um mich komplett frei zu fühlen. Abgesehen von gelegentlichem Jucken auf der Kopfhaut kann ich relativ unbeschwert leben, bisher ohne Rückfälle. Ich genieße die Zeit mit meiner Familie, schmiede Zukunftspläne. Seit Neuestem habe ich einen Podcast mit dem Namen Stabil in Berlin.
Woher nimmst du die Kraft, so positiv in die Zukunft zu schauen?
Anfangs war der Tumor für mich der Feind, den es zu bekämpfen galt. Doch mit der Zeit habe ich gelernt, anders damit umzugehen. Der Tumor hat mich viel über mich gelehrt. Ich lebe jetzt bewusster im Moment, esse gesünder und höre auf die Signale meines Körpers. Glück und Freude finde ich in meinem Umfeld, meinen Hobbys und einfachen Momenten des Alltags – eine Umarmung von einem lieben Menschen, wärmende Sonnenstrahlen, ein schöner Song im Radio, das Lächeln einer fremden Person.
Was möchtest du anderen Betroffenen raten?
Umgebt euch mit Menschen, die euch Mut machen und zum Lachen bringen. Geht aktiv mit der Krankheit um und gebt euch selbst die Freiheit, herauszufinden, was euch guttut – sei es durch Gespräche, Therapie oder kleine Dinge im Alltag. Folgt immer eurer Intuition. Die stärkste Medizin trägt jeder von uns in sich selbst.
Autorin: Emma Howe