Mitten im Leben, Mutter einer kleinen Tochter, erfolgreich im Beruf – dann die Diagnose: Lungenkrebs. Maria ist erst 35 Jahre alt, als sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen verändert. Heute lebt sie mit der Krankheit, spricht über Hoffnung, Angst und darüber, was es bedeutet, jeden Tag neu zu schätzen.
Liebe Maria, du hast die Diagnose Lungenkrebs bekommen, als du erst 35 Jahre alt warst. Wie hast du diesen Moment erlebt?
Einige Monate vor meiner Diagnose bekam ich starken Husten. Seit einiger Zeit hatte ich auch starke Rückenschmerzen. Ich hatte eine Arbeit, die mir Freude gemacht hat, und Verantwortung für viele Mitarbeiter. Aber leider fiel ich oft krankheitsbedingt länger aus und musste häufig zum Arzt. Der Hausarzt fand nichts. Ich bekam erst ein Asthmaspray und Antibiotika. Erst als ich kaum noch Luft bekam, erhielt ich eine Überweisung zum Pneumologen. Ich lebte damals mit meinem Partner und meiner Tochter zusammen. Wir hatten Zukunftspläne und wollten gerade ein Haus kaufen. Der Pneumologe überwies mich sofort ins Krankenhaus, wo ein CT gemacht wurde. Kurz darauf kam der Chefarzt in mein Zimmer. Er setzte sich an mein Bett, sah mich ernst an und sagte ruhig: „Frau Lordan, es ist Lungenkrebs.“ In diesem Moment blieb alles stehen. Ich hörte seine Worte, aber sie erreichten mich nicht. Ich fühlte mich wie neben mir, als würde das jemand anderem passieren. Erst nach und nach sickerte es durch – die Angst, die Unsicherheit, die Frage: Warum ich, und was kann ich tun, um wieder gesund zu werden? Ich dachte an meine Tochter, an meinen Partner, an alles, was wir noch vorhatten. Und plötzlich war nichts mehr wie vorher.
Was hat dir in dieser Zeit geholfen, nicht den Mut zu verlieren?
Ich war schon immer ein optimistischer Mensch. Ich habe versucht, meine Träume zu leben, auch wenn sie anderen vielleicht zu groß vorkamen, und Dinge anzusprechen, auch wenn sie unbequem waren. In der ersten Zeit nach der Diagnose war da aber nur Angst und der absolute Wille, zu überleben und alles zu tun, um die beste Behandlung zu bekommen. Meine Mutter recherchierte sehr viel für mich und mein Mann übernahm viel mit unserer Tochter. Ich musste erst in dieser neuen Welt ankommen. Man sagte mir, ich habe einen unheilbaren Lungentumor und meine Therapie wirke zwei bis drei Jahre. Ab dem Moment war ich Palliativpatientin. Wenn man mit 35 Jahren so eine Diagnose erhält, reißt das den Boden unter den Füßen weg. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich suchte nach Vorbildern, nach Menschen, die ebenfalls Lungenkrebs haben und damit lange leben.
Wie verlief dein Weg bis zur Diagnose, und was wünschst du dir heute von Ärzten im Umgang mit Betroffenen?
Im Krankenhaus sagte man mir, ich habe Lungenkrebs – ohne zu wissen, welche Art von Tumor es ist. Es folgte eine molekulargenetische Untersuchung, für die eine Gewebeprobe per Bronchoskopie entnommen wurde. Zwei Wochen wartete ich auf das Ergebnis, das über die Therapie entschied. Diese Zeit fühlte sich endlos an. Bei mir lag eine Mutation vor und neue zielgerichtete Therapien konnten eingesetzt werden, die mir Aussicht auf ein deutlich längeres Überleben boten. Durch die Therapie habe ich eine wesentlich höhere Lebensqualität als bei einer klassischen Chemotherapie, auch wenn Nebenwirkungen natürlich trotzdem vorhanden sind. Ich wünsche mir, dass Ärzte Betroffene nicht nur als Fälle sehen, sondern als Menschen in einer Ausnahmesituation. Man braucht nicht nur Fakten, sondern auch Mitgefühl, klare und verständliche Worte. Meine Familie war in dieser Zeit ständig bei mir, sogar meine fünfjährige Tochter durfte im Krankenhaus übernachten.
Wie hat sich dein Alltag seit der Behandlung verändert?
Mein Alltag hat sich sehr verändert. Ich war lange krankgeschrieben, der Wiedereinstieg in den Beruf ist eine Herausforderung. Ich kann mich schlechter konzentrieren als früher. Auch mein Umfeld hat sich verändert: Einige Freunde haben sich zurückgezogen, andere sind geblieben oder neu dazugekommen. Manche kommen mit der Diagnose nicht zurecht. Eine Krebserkrankung ist wie ein Vollzeitjob: Arzttermine, Kinder, Haushalt, Papierkram – und immer die Angst, dass der Tumor zurückkommt. Ich sorge allein für mich und meine Tochter. Trotzdem freue ich mich über die Lebensqualität, die mir die Therapie zurückgegeben hat.
Was bedeutet Lebensqualität für dich?
Lebensqualität heißt für mich: ohne Schmerzen aufzustehen, am Morgen meinen Kaffee zu trinken, eine Nacht durchzuschlafen, ohne vor Schmerzen aufzuwachen, überhaupt einzuschlafen, im Garten zu buddeln, einzukaufen, mit meinem Hund spazieren zu gehen, ein schönes Abendbrot vorzubereiten, zu essen, ohne vorher zu überlegen, ob ich das schaffe – und mich dabei nicht krank zu fühlen. Gut essen zu gehen, Sushi zu holen und mich damit aufs Sofa oder auf den Balkon zu setzen – einfach mal nicht selbst kochen zu müssen. Ein selbstgekochtes Gericht, das ich entspannt zubereite. Auf dem Erdbeerfeld Erdbeeren pflücken und später Kuchen backen. Im Wald mit meiner Tochter herumtoben und unseren Hund vom Mäusejagen abhalten. Beim Zeichnen zur Ruhe kommen oder ein gutes Buch lesen. Einen Tag mit meiner Tochter verbringen. Darüber nachdenken, was gerade so richtig gut läuft. Morgens aufzuwachen und keinen Arzttermin zu haben. Wieder Pläne machen, die länger als zwei Wochen reichen. Mich täglich zum Lachen zu bringen. Mir Zeit zum Heilen einzuräumen. Das Gefühl zu haben, Teil der Gesellschaft zu bleiben. Selbst entscheiden zu dürfen, wer mich wann besucht. Das anzunehmen, was möglich ist, bedeutet für mich Lebensqualität.
Wie gehst du mit Ängsten um?
Ängste gehören für mich zum Alltag. Sie sind da und es ist in Ordnung, dass sie da sind. Nach der Diagnose waren meine Ängste enorm groß, vor allem die Frage, was mit meiner Tochter passiert, wenn ich sterbe. Ich lebe heute allein mit ihr und diese Ängste sind noch da, aber sie sind kleiner geworden. Ich komme mittlerweile gut mit der Erkrankung klar – auch mit dem Wissen, dass sie tödlich enden kann. Genau deshalb versuche ich, aus jedem Tag das Beste zu machen. Mir hat geholfen, mich umfassend zu informieren. Es ist wichtig, zu verstehen und anzuerkennen, dass Angst ein Gefühl ist, das in Situationen der Bedrohung normal und angemessen ist; ein wichtiges Signal unseres Körpers bzw. unserer Psyche. Man möchte als Mama sein Kind so lange wie möglich begleiten. Ich erinnere mich an einen Rückschlag, einen Verdacht auf Metastasen. Ich holte mir damals sofort eine Zweitmeinung. Ängste vor den Kontrolluntersuchungen, zu denen ich vierteljährlich gehe, sind immer da, aber ich lenke mich danach mit etwas Schönem ab – einem Kaffee, einem Spaziergang.
Du engagierst dich dafür, dass Spürhunde zur Früherkennung von Lungenkrebs eingesetzt werden. Wie bist du zu diesem Projekt gekommen, und was fasziniert dich daran?
Als ich von diesem Projekt angeschrieben wurde, klang das erst unglaubwürdig. Ich dachte, das sei ein Scherz. Mir ist Früherkennung wichtig, auch dass man Symptome ernst nimmt und abklären lässt, denn bei Lungenkrebs sind sie oft unspezifisch. Ich möchte zeigen, dass diese Krankheit kein Tabuthema sein darf und Aufklärung Leben retten kann. Unsere Hunde bei DogScan können Auffälligkeiten erschnüffeln, die dann ärztlich abgeklärt werden müssen. Sie ersetzen keinen Arzt, können aber früh Hinweise geben. Besonders freue ich mich, dass die Lungenkrebs-Früherkennung für Raucher bald Kassenleistung wird – ein wichtiger Schritt.
Du hast ein Buch über deine Geschichte geschrieben. Was hat dich dazu bewogen?
Mich haben Menschen inspiriert, die offen über ihr Schicksal sprechen. Zu Beginn suchte ich selbst nach Mutmachern. Ich wollte meine Erfahrungen teilen, um anderen Hoffnung zu geben und Aufmerksamkeit für metastasierte Erkrankungen zu schaffen. Lungenkrebs ist komplex, deshalb ist Aufklärung wichtig – über Studien, Therapien und neue Entwicklungen. Mein Buch ist mein Weg, meine Geschichte weiterzugeben und Mut zu machen. Es wird voraussichtlich 2026 erscheinen. Bis dahin kann man meine emotionale Reise mit Lungenkrebs auf Instagram mitverfolgen.
Was gibt dir heute Kraft und Zuversicht?
Kraft gibt mir, meine Geschichte zu teilen. Auf meinem Instagram-Kanal jung.mutig.lungenkrebs nehme ich Menschen auf meinem Weg zum Buch mit – ehrlich und mutmachend. Zuversicht gibt mir die Entwicklung in der Krebsforschung. Es passiert viel: Neue Therapien, neue Erkenntnisse, und immer öfter erlebe ich, dass Ärzte wirklich mit einem arbeiten und sich die Zeit nehmen, sich zu informieren. Dieses gemeinsame Handeln gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein. Dass meine Medizin so lange wirkt, macht mir Hoffnung. Und dass ich sehe, wie es anderen weiter gut geht. Es gibt heute Menschen mit ALK-positivem Lungenkrebs, die viele Jahre, manche über ein Jahrzehnt, mit stabiler Erkrankung leben. Zielgerichtete Medikamente haben das Bild dieser Erkrankung verändert. Das bedeutet nicht Heilung im klassischen Sinn, aber es bedeutet Zeit – Lebenszeit, die man früher nicht hatte.
Was möchtest du anderen Menschen mitgeben, die gerade selbst eine Lungenkrebsdiagnose bekommen haben?
Es ist wichtig, nachzufragen, sich zu informieren und eine Zweitmeinung einzuholen, zum Beispiel über das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM). Auch der Austausch mit anderen Betroffenen hat mir enorm geholfen. Viele Betroffene, die ich über die Jahre kennengelernt habe, sind zu Freunden geworden. Jeder Mensch geht anders mit einer schweren Erkrankung um. Bei Bedarf empfehle ich sich psychologische Hilfe zu suchen, um sich in diesem neuen Alltag zurechtzufinden. Die Krebsforschung entwickelt sich rasant weiter. Zielgerichtete und personalisierte Therapien eröffnen heute viele neue Chancen. Sie wirken gezielt gegen bestimmte Tumoreigenschaften und können das Wachstum bremsen – vorausgesetzt, die molekulare Diagnostik wird sorgfältig durchgeführt. Wir alle haben schon schwierige Lebensphasen überstanden. Wenn die Angst wiederkommt, frage ich mich: Was hat mir bisher geholfen, mit Krisen umzugehen? Wenn wir uns unserer Stärke bewusst werden, wird die Angst vielleicht ein bisschen weniger. Und dann bekommt das Leben wieder mehr Raum.
Das Interview führte Emma Howe





