Die Gallengangatresie ist eine seltene Lebererkrankung, die im Neugeborenenalter auftritt und etwa einen von 15.000 Säuglingen betrifft. Die Gallengänge sind nicht angelegt oder zu klein, dadurch kann die Galle nicht aus der Leber abfließen und es kommt zu einer Leberschädigung. Erste Anzeichen sind eine Gelbfärbung der Haut und der Augen sowie heller, fast weißlicher Stuhl. Wird die Diagnose in den ersten Lebenswochen gestellt, kann eine Kasai-Operation helfen. Wird die Diagnose zu spät gestellt oder bringt die Operation nicht den gewünschten Erfolg, brauchen Kinder mit Gallengangatresie oft eine Lebertransplantation. Ein Mädchen, bei dem die Kasai-Operation erfolgreich war, ist die achtjährige Fenja. Mit ihren Eltern und ihrem sechs Jahre alten Bruder Moses lebt sie in Köln. Wir haben mit Mama Corinna über den Weg zur Diagnose gesprochen. Im Interview erzählt sie uns von dieser fordernden Zeit, und natürlich wollten wir auch wissen, wie es Fenja heute geht.
Liebe Corinna, bitte erzähle uns von der Geburt deiner Tochter Fenja.
Am dritten Adventssonntag 2015 hat sie sich auf den Weg gemacht. Nach einer anstrengenden Geburt konnten mein Mann und ich endlich unser Wunschkind in den Armen halten. Sie kam mit einem Lächeln auf die Welt, was die Ärzte als seltenes Bild beschrieben haben.
Wann hast du bemerkt, dass etwas mit Fenja nicht stimmen könnte?
Kurz nach der Geburt, noch in der Klinik, bemerkten wir, dass Fenjas Haut gelblich aussah. Untersuchungen waren aber unauffällig, und auch unsere Hebamme war sich sicher, dass es keinen Grund zur Sorge gab. So genossen wir erst mal die Weihnachtszeit als frischgebackene Familie. Nach vier Wochen aber war ihre Haut immer noch sehr gelb, ihr Stuhl wurde immer heller. Unser Gefühl, dass es Fenja nicht gut geht, verhärtete sich und wir gingen mit ihr zur Kinderärztin. Diese hat erstmals den Verdacht auf eine Gallengangatresie geäußert, Blut abgenommen und uns in die Kinderklinik nach Köln geschickt.
Wie ging es dort weiter?
Es folgten zwei Wochen der Diagnostik und viele Untersuchungen, um abzuklären, warum Fenjas Leber nicht funktionierte – und um einen Weg zu finden, ihr zu helfen. Das war eine Zeit voller Anspannung und Verzweiflung. Wir haben gelernt, dass es gar nicht so einfach ist, schnell eine Diagnose zu stellen. Da gibt es viele Rädchen, die ineinandergreifen, und viele mögliche andere Erkrankungen. Die Ärzte hielten dann die Gallengangatresie für wahrscheinlich und präsentierten uns einen Fahrplan.
Wie sah dieser Plan aus?
Sollte sich bei einer Leberbiopsie der Verdacht bestätigen, würde Fenja sofort einer Kasai-Operation unterzogen. Am Morgen des 1. Februar um acht Uhr haben wir Fenja in ihrem kleinen Bettchen über die langen, hell erleuchteten Gänge zum OP geschoben. Das war der schwerste Gang für uns. Tatsächlich bestätigte sich der Verdacht. Die Kasai-OP hat Fenja ohne Komplikationen überstanden.
Wie ging es Fenja nach der OP?
Die ersten Wochen waren ein ständiges Auf und Ab. Fenja hatte Blut im Stuhl, man vermutete innere Blutungen, eine Bluttransfusion stand im Raum. Ihre Werte schwankten oder sie vertrug die Spezialnahrung nicht gut. Jeden Tag schaute ich aus dem Krankenhausfenster und fragte mich, wann mein kleiner Engel endlich nach Hause darf. Nach etwa sechs Wochen konnten wir das Krankenhaus endlich verlassen.
Was hat dir in dieser Zeit geholfen?
Ich schrieb Tagebuch. Das half mir, meine Gedanken zu sortieren. Neben all der Anspannung war es für unsere Familie auch eine Zeit des Zusammenhalts. Mein Mann konnte die Tage mit uns verbringen, nur in den Nächten waren Fenja und ich allein. Unsere Eltern und Geschwister waren jeden Tag für uns da. Das Gefühl der Machtlosigkeit empfand jedoch jeder Einzelne.
Wie hat Fenja sich danach entwickelt?
Fenja hat eine echte Bilderbuchentwicklung durchgemacht. Wir konnten es manchmal gar nicht glauben und sind so unendlich dankbar. Aus dem kleinen kranken Baby, das an viele Schläuche und Kabel angeschlossen war, ist ein fröhliches, strahlendes und zufriedenes Kind geworden. Sie geht in die dritte Klasse. Bücher sind ihre Leidenschaft, Sport und Mathe mag sie auch gerne. Ihre Hobbys sind Reiten und Ballett. Wir gehen aktuell alle drei Monate in die Kinderklinik Köln zur Kontrolle und einmal im Jahr zur Uniklinik Essen in das dortige Kinderleberzentrum. Was immer über uns schwebt, ist die Sorge, dass sie vielleicht doch einmal eine Lebertransplantation braucht.
Sprecht ihr in der Familie noch oft über die Erkrankung und die Operation?
Jedes Jahr am 1. Februar feiern wir Fenjas „zweiten Geburtstag“. Es ist ein Tag voller Dankbarkeit dafür, dass sie so tapfer war, dass die Operation erfolgreich verlaufen ist und sie somit ihr zweites Leben geschenkt bekommen hat.
Was möchtest du anderen Eltern mitgeben, die ähnliche Herausforderungen erleben?
Ich würde ihnen raten, wenn sie das Gefühl haben, mit ihrem Kind stimmt etwas nicht, darauf zu hören und es abklären zu lassen. Und vor allem, die Hoffnung nicht zu verlieren und an die Stärke des Kindes zu glauben.
Das Interview führte Berit Hullmann
Betroffene Eltern von Kindern mit Lebererkrankungen finden Informationen und Austausch im Verein Leberkrankes Kind e. V.: www.leberkrankes-kind.de