KrebsSeltene Erkrankungen

Neue Hoffnung für Patienten mit BPDCN?

Univ.-Prof. Dr. med. Marco Herling

Univ.-Prof. Dr. med.
Marco Herling
Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Leipzig

Prof. Dr. med. Marco Herling war in seiner Zeit am MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, Ende der 1990er-Jahre daran beteiligt, dass eine seltene Krebserkrankung des Blutes, die blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPDCN), als Neoplasie der dendritischen Zellen identifiziert wurde und einen eindeutigen Namen bekam. Ein wichtiger Faktor für eine schnelle Diagnose – und einen raschen Therapiebeginn.

Herr Prof. Dr. Herling, wie viele Patienten mit BPDCN behandeln Sie im Uniklinikum Leipzig pro Jahr?

Nicht mehr als fünf jährlich. Es ist der Seltenheit der Erkrankung geschuldet, dass wir selbst an einer so großen akademischen Institution wie der unseren nicht mehr Fälle sehen. Dabei werden uns einige sogar von anderen großen Einrichtungen überwiesen.

Gibt es Häufungen in bestimmten Altersgruppen oder bei Geschlechtern?

Es gibt einen kleinen Bias bezüglich des männlichen Geschlechts, das mediane Alter liegt bei 65 plus. Aber es treten auch pädiatrische BPDCN-Fälle auf, die in ihrer Biologie vermutlich etwas anders sind als in der adulten Form. Der jüngste erwachsene Patient, den ich selbst behandelt habe, war Mitte 40.

Mit welchen Symptomen äußert sich eine BPDCN?

Sehr verschiedenen. Im Vordergrund stehen meist eine oder mehrere Hautläsionen, die oft nicht symptomatisch sind. Das heißt, sie jucken nicht oder sind nicht mit anderen Symptomen verbunden. Vom Aussehen sind sie oft mit Hämatomen vergleichbar. Sie können einzeln oder gruppiert oder über den ganzen Körper verstreut auftreten, auch in unterschiedlichen Größen. Auch Abgeschlagenheit oder verminderte Leistungsfähigkeit können auftreten. Dies wird von den Patienten oft erst im Nachgang bemerkt, wenn sie bei Diagnosestellung zurückblicken. Etwa zwei Drittel der Patienten kommen über Hautärzte zu uns, andere werden über andere Hämatologen an uns überwiesen, weil es zusätzlich zu Hautveränderungen eine Blutbildauffälligkeit gibt.

Mit welchen anderen Erkrankungen kann eine BPDCN leicht verwechselt werden?

Die Hautveränderungen einer BPDCN können sehr unterschiedlich aussehen; in Kombination mit der Seltenheit ist es für Dermatologen oft nicht einfach, sofort den richtigen Verdacht zu haben und neben kutanen Lymphomen, anderen Malignomen oder nicht tumorösen Dermatosen an eine BPDCN zu denken. Nach einer Biopsie ist die Diagnose allerdings leicht gestellt, da es Markerpanel gibt, die eine eindeutige Zuordnung zulassen. Kommen Patienten über Hämatologen, liegt meist eine Zytopenie vor, hier handelt es sich um eine Verminderung bestimmter Zellen. Bei allen Fällen – ob zuvor in der Hautbiopsie gesichert oder nicht – wird mit einer Knochenmarkspunktion dann zusammen mit Pathologen und der hämatologischen Diagnostik der endgültige Befund erstellt. Hier gilt es vor allem, eine BPDCN von anderen akuten myeloischen oder lymphatischen Neoplasien, die zum Teil auch koexistieren können, abzugrenzen.

Wie lange dauert es, bis Patienten mit einer BPDCN diagnostiziert werden?

Früher sind im Schnitt vier bis sechs Monate zwischen den ersten Anzeichen und der definitiven Diagnose vergangen. Heute ist diese Zeit wesentlich kürzer. Bei der Seltenheit der Erkrankung ist das Wichtigste und die große Herausforderung, überhaupt daran zu denken. Interdisziplinäre Plattformen wie Tumorboards sind hier wichtig.

Was hat dazu geführt, dass die Diagnose heute schneller gestellt werden kann?

Ein Faktor ist, dass die Erkrankung heute einen eindeutigen Namen hat. Seit 2008 gibt es eine einheitliche Nomenklatur. Das war wesentlich für das gesteigerte Bewusstsein bei Diagnostikern und Behandlern. Spezifische Marker auf und in den Tumorzellen sind nun definiert zur korrekten Diagnose der BPDCN. Durch die fortlaufend uniforme Nomenklatur lassen sich klinische und biologische Daten leichter dokumentieren und zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn so besser teilen und abrufen. Für die Patienten bedeutet es, dass die Erkrankung schneller diagnostiziert und behandelt werden kann. Die Prognose der BPDCN ist unbehandelt oder im Rückfall nach Therapie sehr schlecht. Die mediane Gesamtüberlebenszeit nach Diagnosestellung liegt bei zwei Jahren.

Welche Therapien gibt es?

Als Arzt muss man sich zunächst die Frage stellen, für welche Therapie der Patient geeignet ist, in Bezug auf Alter, Nebendiagnosen und Therapieverträglichkeit. Bei etwa einem Fünftel der Patienten kommt eine systemische Therapie nicht infrage. Hier steht die palliative Symptomlinderung im Vordergrund. Die verbleibenden 80 Prozent unterteilt man in junge, fitte Patienten, die sich einer intensiven Polychemotherapie unterziehen können. Für die andere Gruppe, das Gros der Patienten, würde man ein zielgerichtetes Fusionsprotein vorziehen, da es mit ähnlicher Effektivität schonender als die Polychemotherapie eine Remission erzielt. Ziel ist es, einen substanziellen Anteil von Patienten aus beiden Gruppen zur potenziell kurativen allogenen Stammzellentransplantation zu bringen. Es besteht hoher Bedarf für weitere neue Strategien.

Das Interview führte Miriam Rauh

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