*Frauengesundheit

Primär biliäre Cholangitis – Prof. Tacke erklärt, was Frauen über die seltene Erkrankung wissen sollten

Tacke

Primär biliäre Cholangitis – schon der Name klingt kompliziert, und tatsächlich ist diese seltene Autoimmunerkrankung der Leber vielen Betroffenen zunächst völlig unbekannt. Dabei kann eine frühe Diagnose entscheidend sein, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität zu sichern. Über Ursachen, Symptome, Diagnosemöglichkeiten und aktuelle Therapien haben wir mit Prof. Dr. med. Frank Tacke gesprochen. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet chronischer Lebererkrankungen.

Für viele Leserinnen ist PBC noch ein recht unbekannter Begriff. Können Sie kurz erklären, was diese Erkrankung ist und wen sie typischerweise betrifft?

PBC steht für primär biliäre Cholangitis. Das klingt kompliziert, bedeutet aber es handelt sich um eine chronische Entzündung der Gallenwege. PBC ist eine Autoimmunerkrankung – das Immunsystem greift also körpereigenes Gewebe an, in diesem Fall Strukturen in den Gallengängen. Besonders ist, dass über 90 Prozent der Betroffenen Frauen sind. Warum das so ist, weiß man nicht genau. Die Erkrankung tritt meist in der zweiten Lebenshälfte auf, typischerweise zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. In Deutschland sind vermutlich etwa 20.000 Frauen betroffen – PBC gilt damit als seltene Erkrankung.

Woran erkennt man erste Anzeichen – und warum wird PBC oft erst spät diagnostiziert?

Die Beschwerden sind unspezifisch: Müdigkeit, Antriebsarmut oder Juckreiz. Solche Symptome ordnet man leicht anderen Ursachen zu, etwa Stress. Ein guter Hinweis sind erhöhte Leberwerte, vor allem Gamma-GT und die alkalische Phosphatase. Um die Diagnose zu sichern, braucht es spezielle Bluttests, etwa auf Autoantikörper (AMA). Da diese nicht routinemäßig durchgeführt werden, dauert es oft Jahre bis zur Diagnose.

Gibt es bestimmte Risikofaktoren oder genetische Zusammenhänge?

Ja, PBC tritt gehäuft gemeinsam mit anderen Autoimmunerkrankungen auf – etwa Hashimoto-Thyreoiditis, Rheuma oder Diabetes. Auch das sogenannte Sjögren-Syndrom, bei dem Augen und Schleimhäute sehr trocken sind, ist oft assoziiert. Ein äußerliches Anzeichen können zudem Xanthelasmen sein, kleine gelbliche Fettablagerungen an den Augenlidern.

Wie verläuft die Erkrankung in der Regel?

PBC schreitet langsam voran. Bei jüngeren Patientinnen und bei Männern verläuft sie oft aggressiver. Im schlimmsten Fall kommt es über Jahrzehnte zu einer Vernarbung der Leber, also zu einer Zirrhose. Ohne Behandlung kann dann eine Lebertransplantation notwendig werden.

Welche Symptome belasten Betroffene am meisten?

Am stärksten die Fatigue – eine bleierne, tiefe Müdigkeit, die den Alltag erheblich einschränkt. Zweitwichtigstes Symptom ist der Juckreiz, der sehr quälend sein kann und mit herkömmlichen Antiallergika nicht behandelbar ist. Ursache sind vermutlich Gallensäuren und andere Botenstoffe, die sich in der Haut ablagern und dort die Nerven reizen.

Was sagen die wichtigsten Leberwerte über PBC aus?

Die alkalische Phosphatase (AP) und Bilirubin sind Aktivitätsparameter: je höher, desto aktiver die Erkrankung. Unter Therapie sollten beide Werte in den Normalbereich sinken. Die Lebersteifigkeit wird per Ultraschall gemessen. Ein erhöhter Wert zeigt an, dass die Leber bereits Narben bildet – eine sogenannte Fibrose. Frühstadien können sich aber wieder zurückbilden.

Welche Untersuchungen sind nötig, um PBC sicher festzustellen?

Neben Leberwerten und Autoantikörpern braucht es eine Ultraschalluntersuchung, idealerweise mit Messung der Lebersteifigkeit. In seltenen Fällen ist eine Leberbiopsie nötig, etwa wenn eine zusätzliche Autoimmunhepatitis vermutet wird.

Wie wichtig ist die Rolle von Hausärzten und Gynäkologen bei der Früherkennung?

Sehr wichtig. Hausärzte sollten bei erhöhten Leberwerten genauer hinschauen. Aber auch Gynäkologen sehen ihre Patientinnen regelmäßig, führen Ultraschall oder Blutuntersuchungen durch und hören von unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Schwäche oder Juckreiz. Hier kann ein Verdacht entstehen – und dann sollte an PBC gedacht werden.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Standard ist Ursodeoxycholsäure – eine modifizierte Gallensäure. Sie bremst die Entzündung und senkt die Sterblichkeit erheblich. Wenn das nicht reicht, stehen weitere entzündungshemmende Medikamente zur Verfügung. Neuere Präparate sind speziell für die etwa 30 Prozent der Betroffenen entwickelt worden, die mit Ursodeoxycholsäure alleine nicht ausreichend behandelt sind.

Was können Betroffene selbst tun?

Ein normales Körpergewicht anstreben, Zucker und Alkohol meiden, sich ausreichend bewegen und Stress reduzieren. Auch Achtsamkeit und Ruhephasen wirken sich positiv auf Autoimmunprozesse aus. Jeder sollte seinen eigenen Weg finden – sei es durch Sport, Meditation oder andere Methoden.

Welche Unterstützung gibt es?

In Deutschland existieren Selbsthilfegruppen, organisiert über die Deutsche Leberhilfe, oft mit Regionalgruppen. Zudem gibt es spezialisierte Ambulanzen an Universitätskliniken.


Mutmacher-Geschichte Krissi PBC

Kristina erzählt offen und authentisch von ihrem Leben mit der seltenen Lebererkrankung PBC. Sie berichtet von der langen und belastenden Suche nach der richtigen Diagnose – einer Zeit voller Unsicherheit, Fehldiagnosen und dem Gefühl, mit ihren Beschwerden allein zu sein.


Welche Tipps helfen im Umgang mit belastenden Symptomen wie Müdigkeit oder Juckreiz?

Beim Juckreiz helfen teilweise die neuen Medikamente, sogenannte PPAR-Agonisten. Für die Fatigue fehlen bislang gute medikamentöse Optionen, daher setzt man eher auf psychologische Strategien: Tagesplanung, Pausen, Energiehaushalt. Hier besteht noch viel Forschungsbedarf.

Was raten Sie Betroffenen, die gerade erst ihre Diagnose erhalten haben?

Nicht verzweifeln – PBC ist gut behandelbar. Wichtig ist, sich früh in einem spezialisierten Zentrum vorzustellen, um die Therapie optimal einzustellen. Gerade das erste Jahr nach der Diagnose ist entscheidend für den weiteren Verlauf..

Welche Entwicklungen stimmen Sie optimistisch?

Zum einen, dass es mittlerweile mehrere wirksame Medikamente gibt. Zum anderen stehen neue Substanzen kurz vor der Zulassung, die gezielt den Juckreiz lindern. Besonders hoffnungsvoll stimmt mich, dass die Forschung sich zunehmend auf die Fatigue konzentriert. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft auch dafür bessere Therapien haben werden.


PBC – eine seltene Erkrankung der Leber

Die Symptome variieren von Person zu Person, häufige Anzeichen sind:

PBC

PBC

Bei der primär biliären Cholangitis (PBC) greifen fehlgeleitete Abwehrprozesse die Gallengänge in der Leber an. Dadurch entsteht eine chronische Entzündung, die im Laufe der Zeit das Lebergewebe schädigt. Die Symptome können sehr unterschiedlich ausfallen – von Erschöpfung bis hin zu starkem Juckreiz – und sich im Verlauf verändern. Entscheidend ist, dass Betroffene ihre Laborwerte regelmäßig kontrollieren und ihre Beschwerden mit dem Arzt besprechen.

Klicken Sie hier für weitere Informationen  zum Leben mit der Erkrankung.

 

 

Das Interview wurde in Zusammenarbeit mit IPSEN umgesetzt

Freigabenummer: DRSC-DE-000589

 

 

 

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