Tiergesundheit

„Samtpfoten brauchen Zeit und Empathie“

Amely Rose und Catwalk Foto: privat

Amely Rose gehört zu Deutschlands bekanntesten Petfluencern. Im Leben der Tierpsychologin dreht sich alles um die Katz. Im Interview spricht sie über ihre Katzen Catwalk und Timba und artgerechte Haltung. Zudem gibt sie wertvolle Tipps für ein harmonisches Katzenmiteinander und verrät, was ihre Katzen sie gelehrt haben.

Amely, in Ihrem Leben dreht sich alles rund um Ihre Katzen. War das schon immer so?

Jein. Ich bin in Polen aufgewachsen und war ein absolutes Bauernhofkind und umringt von Tieren. Kühe, Schweine, Hühner und natürlich auch immer eine Katze und ein Hund. In Deutschland habe ich mit meiner Familie in einer Wohnung am Rande der Stadt gewohnt. Natürlich ohne meine geliebten Kühe, Schweine und Hühner. Aber auch ohne Katzen und Hunde. Das hat sich für mich immer fürchterlich leer angefühlt und für mich stand fest: Wenn ich meine erste eigene Wohnung habe, investiere ich nicht in ein schickes Ankleidezimmer, nicht in eine moderne Küche oder ein gemütliches Bett. Nein! Ich wollte eine Katze oder einen Hund – am besten beides. Ein Leben ohne Tiere kann ich mir nicht vorstellen.

Sie sind auch Tierpsychologin. Wie ist es dazu gekommen?

Das war reiner Eigennutzen und eigentlich gar nicht als „mein zukünftiger Job“ gedacht. Mir konnte zum damaligen Zeitpunkt niemand mit meinem Kater Catwalk helfen. Wir waren Opfer der Flutkatastrophe in der Eifel, und das hat einen enormen Stress bei meiner Katze ausgelöst. Stressputzen war die Folge, ein sehr verstörtes Verhalten, und diverse Besuche bei Experten und Tierärzten konnten uns nicht helfen. Also habe ich gelernt, meiner Katze selbst zu helfen. Und so wurde ich Tierpsychologin. Ich wollte für meine Katzen immer das Beste, jetzt habe ich auch das Wissen dazu, und das teile ich sehr gerne, um auch anderen Katzen zu helfen!

Und was kann man sich genau darunter vorstellen?

Die Frage kommt sehr oft und auch, ob sich Katzen bei mir auf die Couch legen. Aber eigentlich behandle ich gar nicht die Katzen, sondern eher ihre Besitzer. Ich werde gerufen bei Problemen, Fehlverhalten von Katzen wie Streit im Katzenhaushalt, Unsauberkeit, Aggressionen und all den großen und kleinen Wehwehchen. Meine Aufgabe ist es dann, herauszufinden, wo in der Situation der Fehler liegt, denn in den meisten Fällen ist das Fehlverhalten nur eine Antwort der Katze auf irgendwas, was ihr nicht passt, und oftmals liegt da „der Fehler“ eher bei den Besitzern und der Haltung. Ich helfe also, die Katze artgerechter und somit glücklicher und auch gesünder zu halten. Wobei ich als Tierpsychologin nicht nur Katzen und Katzenbesitzern helfe, sondern allen weiteren Haus- und Nutztieren auch. Allerdings zeige ich auf Social Media nur Catcontent und versuche dort, möglichst viele mit meinen Tipps zu erreichen.

Was war bisher Ihr schwerster Fall?

Traurig finde ich immer Trennungen, da Katzen oft starke Bindungen eingehen, und wenn diese gebrochen werden, fällt es vielen Miezen ungemein schwer, emotional wieder Fuß zu fassen. Häufig machen sie sich Luft und zeigen ihren Verlust und Schmerz durch Unsauberkeit, Stressputzen, bis die Haut blutig ist, Aggression oder Abwesenheit. Einer meiner traurigsten Fälle war, als eine Katze abgegeben werden musste und diese bei der neuen Besitzerin immer wieder auf einen Sessel uriniert hat. Es stellte sich heraus, dass die erste Besitzerin dort saß, als sie die Katze abgegeben hat, und somit die Katze ihren geliebten Menschen dort das letzte Mal gesehen hat. Hier hat „geholfen“, wenn man das in so einem Fall so nennen kann, den Sessel komplett zu entsorgen und der Katze mit viel Geduld und Liebe entgegenzukommen. In Form von Trainingseinheiten, aber auch indem man tatsächlich für die Katze da ist. Der Katze zu beweisen, dass sie im neuen Zuhause angekommen ist und nicht mehr abgegeben wird, dass sie eine Bindung zu den Menschen aufbauen kann und diese nicht auch wieder verlieren wird.

Wenn ich sehe, wie erwachsene Menschen sich plötzlich hinter einer Couch verstecken, mit der liebsten Spielangel bewaffnet, und einen tierischen Spaß dabei haben, während sie lernen, „richtig zu spielen“, bereitet mir das immer große Freude.

Gibt es auch lustige Momente?

Ja, lustig finde ich immer, wenn es um das Spielverhalten geht. Nicht immer ist man mit einem Jäger gesegnet. Ich unterscheide bei
Katzen gerne zwischen Jägern und Strategen. Jäger, wie der Name sagt, jagen. Es ist sehr einfach, mit ihnen zu spielen, da sie gefühlt stundenlang einer Angel hinterherlaufen und sogar lernen können, Bälle zu apportieren. Lauerer gelten fälschlicherweise oft als „faul“ oder „zu alt zum Spielen“, wobei sie einfach besonders bespielt werden müssen – viel strategischer. Ich finde es immer wieder amüsant zu sehen, wie Besitzer (die oft wirklich ernsthaften Berufen nachgehen) im Anzug heimkommen und anfangen, Burgen aus Kartons zu bauen, niedliche Fenster reinschneiden und geheime Türen, noch bevor sie die Krawatte ausgezogen haben – nur damit die Katze in der Kartonburg lauern kann. So ein Einsatz ist superlustig zu beobachten und definitiv nicht für die Katz. Aber auch wenn ich sehe, wie erwachsene Menschen sich plötzlich hinter einer Couch verstecken, mit der liebsten Spielangel bewaffnet, und einen tierischen Spaß dabei haben, während sie lernen, „richtig zu spielen“, bereitet mir das immer große Freude.

Kommen wir zu Ihren Katzen. Bitte stellen uns Sie die beiden vor.

Ich habe zwei Kater. Catwalk, mein Bengalkater, und Timba, mein Findelkind aus Spanien. Zwei Katzen, die unterschiedlicher nicht sein können. Catwalk ist superklug, einfühlsam, muss bei allem dabei sein und liebt es zu klettern. Timba ist ein Chaot, er will gefühlt nur getragen werden, verteilt gerne liebevolle Kopfnüsse und Backpfeifen und ist, ehrlich gesagt, eher speziell. Ich liebe es, wenn man Timba ein Bällchen wirft, er losstürmt und auf halber Strecke vergisst, was er wollte, abgelenkt von etwas wird und mit einer Socke oder einer Klorolle zurückkommt. Er würde am liebsten den ganzen Tag essen, während Catwalk am liebsten immer wieder Neues entdecken und lernen würde. Daher unter anderem sein Name. Als er bei mir eingezogen ist, war ich noch in der Modewelt beruflich tätig, und da er sehr neugierig ist, habe ich ihn immer mitgenommen. Als Bengalkater hat er schnell alle Blicke auf sich gezogen und so jeden Ort zu seinem persönlichen Catwalk gemacht – so kam er zu seinem Namen.

Amely Rose und Timba

Amely Rose und Timba

Timbas Start ins Leben war alles andere als leicht. Bitte erzählten Sie davon.

Den letzten Winter habe ich mit Catwalk mehrere Monate in Spanien am Meer verbracht. Bei einer Wanderung lief mir fröhlich ein Kätzchen entgegen und ist mir die nächsten vier Kilometer meines Heimwegs gefolgt. Der Kleine war circa sechs bis sieben Monate alt, völlig ausgehungert, hatte Schmerzen und konnte sich nur schwer bewegen. Trotzdem folgte er mir und miaute den ganzen Weg, als würde er seine Lebensgeschichte mit mir teilen. Ich, in einem fremden Land, ohne jegliche Erfahrungen mit Straßenkatzen, wollte jetzt nicht unbedingt so eine Katze mit nach Hause bringen, gerade weil man in solchen Regionen unzählige Straßenkatzen sieht und ja nicht alle mitnehmen kann. Mal abgesehen von den Parasiten und Krankheiten, die ja für meine Katze Catwalk hätten gefährlich sein können. Doch der kleine Kater hatte anscheinend schon längst beschlossen, dass, wohin ich auch ging, dort von nun an auch sein Zuhause sein würde.

Auf der Straße hätte er unter den Bedingungen nur noch maximal zwei Tage zu leben gehabt, und auch unter ärztlicher Behandlung war es viele Tage noch ein Kampf um Leben und Tod.

Nach vier Kilometern war mir das dann auch bewusst, also rief ich alle Tierärzte an, damit der Kater notbehandelt wird, doch das Leid von Straßenkatzen ist dort so oft zu sehen, dass niemand den Kater behandeln wollte. Er würde eh bald sterben und das Geld und die Zeit wären es nicht wert, die Tierheime überfüllt und selbst wenn er überlebt, wer will ihn haben? Doch zum Glück fand ich einen Arzt, der noch am selben Tag den Kleinen sehen wollte. Also schnappte ich ihn und rannte den restlichen Weg zum Arzt. Dort erfuhr ich auch seine traurige Geschichte: Timba, wie er bald heißen sollte, wurde mit Tritten misshandelt, hat dadurch sein Leben lang eine Behinderung und ein verformtes Skelett. Auf der Straße hätte er unter den Bedingungen nur noch maximal zwei Tage zu leben gehabt, und auch unter ärztlicher Behandlung war es viele Tage noch ein Kampf um Leben und Tod. Aber der Kater war so voller Lebensfreude, miaute und versuchte völlig ausgelaugt zu spielen, begrüßte jeden mit liebevollen Kopfnüssen. Und so kam er zu seinem Namen: Timba. Es ist ein alter spanischer Name und bedeutet „Lebensfreude“, und kein Wort beschreibt diesen kleinen Kater besser!

Wie geht es Timba heute?

Ich glaube, als er mich damals entdeckt hat, mitten im Nirgendwo in Spanien, hätte Timba sich niemals erträumen können, dass eine bekloppte Catlady ihn nach Deutschland entführt, wo er den ganzen Tag spielt, sein dicker Bauch gestreichelt wird, er auf der Terrasse in der Sonne liegen und faulenzen kann und in Catwalk seinen besten Freund findet. Er hat aktuell keine Schmerzen. Durch Training und unzählige Stunden, die ich mit ihm gearbeitet habe, ist seine Muskulatur so weit aufgebaut, dass er mit meinem Bengalkater mithalten kann und vielleicht etwas tollpatschiger ist, aber sonst genauso gut rennt und klettert.

Was ist Ihrer Meinung nach die Grundvoraussetzung für eine gesunde und artgerechte Haltung?

Zeit und Empathie! Leider gelten Katzen immer noch als das perfekte Haustier für Berufstätige, da sie nicht sehr zeitaufwendig sind, und so verkümmern unzählige Katzen und vereinsamen. Wer seinen Stubentiger artgerecht halten möchte, sollte verstehen, dass Katzen nicht minder weniger Aufmerksamkeit brauchen als Hunde. Klar, man geht wahrscheinlich nicht mehrmals täglich Gassi, aber eigentlich sollte man diese „Rausgeh-runden“ im Katzenalltag mit Spieleinheiten und Aufmerksamkeit ersetzen. Katzen brauchen nun mal Impulse von außen, um in die Handlung zu kommen. Wenn wir nicht mit ihnen spielen, werden sie von alleine nicht spielen. Diese Initiative müssen wir Katzenbesitzer erbringen. Und diese Aufgabe fällt auch nicht in einem Mehrkatzenhaushalt weg. Wenn wir keine Kratz- und Klettermöglichkeiten anbieten, wird die Katze zu viel eingerollt, schlafend verbringen – was auf Dauer weder gesund noch artgerecht ist! So viel zu der Zeit. Und mit Empathie meine ich, sich in die Katze und ihre Bedürfnisse hineinversetzen zu können. Zu akzeptieren, dass wir hier intelligente und freiheitsliebende Tiere haben, die uns keinesfalls nur als Dosenöffner sehen. Das sollte den eigenen Ansporn wecken, Tag für Tag der Katze einen spannenden Alltag zu bieten.

Worauf achten Sie in puncto Nahrung besonders?

Meine beiden Katzen werden nach der Prey-Methode gefüttert. Was im Klartext komplette Futtertiere sind. Diese Fütterungsmethode kommt der ursprünglichen, natürlichen Ernährung am nächsten, und das ist mein persönliches Ziel in meiner Tierhaltung, meine Katzen so natürlich wie möglich zu halten. Diese Fütterungsmethode ist wahrscheinlich nicht für jedermann etwas. Aber man kann auch in kleinen Dingen der Katze etwas Gutes tun. Indem man zum Beispiel den Trinknapf und Futternapf nicht nebeneinander aufstellt, da Katzen in freier Wildbahn eher ungern aus einer Quelle trinken würden, neben der ein totes Tier liegt, da die Quelle dadurch verunreinigt sein könnte. Dies gilt auch für unsere Hauskatzen, und so erziehen wir uns unwissentlich eine „trinkfaule Katze“. Schön sind auch fließende Trinkquellen, wie Trinkbrunnen. Auf Plastiknäpfe zu verzichten und natürlich der Klassiker: Nassfutter mit einem hohen Fleischanteil. Denn Katzen, die stinken (aus dem Mäulchen, ihr Kot oder das Fell), sind oft ein Zeichen von falscher Fütterung oder Futter in schlechter Qualität, was die Katze nicht vernünftig verwerten kann.

Was haben Sie Ihre Katzen gelehrt?

Dass jedes Problem eine Möglichkeit ist! Bis jetzt bin ich noch nie auf eine Situation gestoßen, die man nicht lösen oder zumindest verbessern kann. Gerade in meinem Job höre ich täglich den Satz „Ich habe schon alles versucht“ oder Abwandlungen wie “nichts hat geklappt“. Meistens verkneife ich mir dann ein Lächeln, denn wenn mich Katzen eins gelehrt haben, dann, dass es immer eine Möglichkeit gibt, nur sind Katzen nun mal auch sehr stur und wahre Meister darin, Schmerzen zu verstecken. Aber mit viel Geduld, Fingerspitzengefühl und Empathie bekommt man jede Futterumstellung, (fast) jede Zusammenführung oder Problemkatze (wieder) in den Griff. Keine Katze meint ein Fehlverhalten böse. Und oft haben mich Problemfälle bei meinen eigenen Katzen sehr emotional gemacht, dabei sollten wir uns freuen. Denn mit jedem Problem bekommen wir Katzenbesitzer die Chance, es besser zu machen. Unsere Katzen kommunizieren mit uns, und wenn wir zuhören und darauf eingehen, können wir unseren Miezen ein besseres Leben bieten!

Welche drei Tipps würden Sie jedem Katzenhalter gern geben?

  1. Jetzt muss ich doch die Tierpsychologin raushängen lassen, aber wenn ich einen Wunsch freihätte, wäre das, dass jeder Katzenbesitzer vor jeder Fütterung mit seinem Stubentiger spielt. Notfalls auch nur wenige Minuten! Sollte das zeitlich nicht gehen, dann mindestens eine ordentliche Toberunde kurz vor dem Zubettgehen. Oft versauern Katzen den ganzen Tag zu Hause, bekommen viel zu wenig Aufmerksamkeit und Beschäftigung, dabei ist es nicht so schwer, seine Mieze artgerecht zu halten. Und der wohl einfachste Schritt ist hier, wie in der Natur, die Katze ihr Futter (Beute) jagen zu lassen. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Katze, belohnt sie mit einem Erfolgsgefühl und bringt Bewegung und Spaß in den Alltag!
  2. Der zweite Tipp kommt wohl eher von mir als Katzenmama: Macht, gerade wenn ihr ein Kitten habt, so viele Fotos wie möglich von und mit euren Katzen. Sie wachsen so schnell und sind am Ende nur eine begrenzte Zeit in unserem Leben. Und ich wünschte mir, von beiden meiner Katzen mehr solcher Erinnerungen für die Zukunft zu haben, gerade aus der Kittenzeit, die doch so schnell vorbei war.
  3. Tipp drei ist wahrscheinlich sehr frustrierend für die meisten, aber: Weniger ist mehr – wenn es um Regeln im Katzenhaushalt geht. Denn seien wir ehrlich, Katzen sind eh der Chef im Haus, halten sich an nichts und ganz im Gegenteil, meist werden Verbote doch erst spannend. Das Zauberwort in der Katzenerziehung ist wohl „Alternativen“. Wenn die Katze nicht am Sofa kratzen soll, bringt es wenig, sich aufzuregen, Regeln aufzustellen, die der Stubentiger nicht versteht, und das Tier am Ende zu bestrafen. Bietet lieber eine Alternative an. Wo darf die Katze denn kratzen? Wenn meine zwei Räuber Mist bauen, stelle ich sie mir gerne als zwielichtige Typen vor, denen ich ein spannendes Tauschgeschäft vorschlagen muss, dem sie gerne zustimmen. Etwas, das ihnen gefällt und nicht nur mir, schließlich will ich ja etwas von ihnen, etwa dass sie mit einem negativen Verhalten aufhören. „Gut, du willst hier kratzen? Wie wäre es alternativ mit einem Kratzbrett daneben und einer Spieleinheit mehr am Tag?“ Katzen machen niemals etwas böswillig, sondern weisen mit scheinbar negativem Verhalten auf ein Bedürfnis hin.

Mehr über Amely und ihren Samtpfötchen erfahren Sie hier: www.instagram.com/amely_rose

Das Interview wurde von Emma Howe geführt

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