Bariatrische OP – hilft sie wirklich?
Für mehr Lebensqualität und ein geringeres Risiko für gravierende Folgeerkrankungen müssen Menschen mit Adipositas Gewicht reduzieren. Helfen konservative Maßnahmen nicht, braucht es die Chirurgie.
Herr Dr. Raggi, wann ist eine bariatrische Operation sinnvoll?
Die Leitlinie gibt vor, wann operiert werden kann. In Deutschland sind bariatrische OPs ab einem BMI von 35 mit Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen möglich.
Bei einem BMI über 40 besteht die Indikation auch ohne Begleiterkrankungen; vorab muss allerdings ein multimodales Konzept aus Ernährungstherapie, psychologischer Betreuung und Bewegung unter ärztlicher Anleitung über sechs Monate durchgeführt worden sein.
Ab einem BMI von 50 oder auch bei einem entgleisten Diabetes mellitus darf sofort operiert werden. Im Rahmen von Studien kann bereits bei einem BMI zwischen 26 und 34,9 operiert werden, zum Beispiel wenn ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 mit Folgeschädigungen vorliegt.
Welche weiteren Kriterien spielen eine Rolle?
Ob der Patient auch psychisch in der Lage ist, die Tragweite des Eingriffs zu verstehen und sich an die Vorgaben zu halten, ist gesondert zu prüfen. Bei uns im Zentrum sind dafür eigene Psychologen vor Ort. Zudem wird geprüft, ob eine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit besteht, eine Retardierung oder eine manifeste Depression. Auch hier gibt es Leitlinien, an denen wir uns orientieren.
Wer übernimmt die Kosten für die OP?
Wenn Chirurgen und Psychologen grünes Licht geben, klären wir die Kostenübernahme mit den Krankenkassen. Für Privatpatienten ist der Prozess etwas anders, hier muss unter Umständeneine Kostenübernahme beantragt werden.
Gibt es verschiedene Operationsmöglichkeiten?
Die drei gängigsten Operationen sind aktuell die Schlauchmagen-OP, gefolgt vom klassischen Roux-Y-Bypass und dem Omega-Loop-Bypass. Eine Schlauchmagen-OP lässt sich bei sehr stark adipösen Patienten leichter durchführen; sie eignet sich für Patienten mit einem höheren Operationsrisiko oder Voroperationen.
Mit einem Magenbypass sehen wir sehr gute metabolische Veränderungen, eine Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie eine verringerte Mortalität. Ein Omega-Loop ist eine Art „kleiner“ Magenbypass. Man wägt anhand von BMI, Alter und Begleiterkrankungen sowie auch dem Wunsch des Patienten individuell ab, welche Operation durchgeführt wird.
Was genau sind die Ziele einer solchen OP?
Patienten kommen meist mit einem BMI von knapp 50 kg/m² und schaffen es mithilfe der OP, einen BMI von 30 zu erreichen. Ein mittel- bis langfristiger Verlust von 70 Prozent des Übergewichts ist durchaus realistisch. Dadurch erhöht sich nicht nur die Lebensqualität, auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Typ-2-Diabetes sinkt deutlich. Bestehende Beschwerden wie zum Beispiel Gicht, Bluthochdruck, ein zu hoher Cholesterinspiegel oder eine Fettleber können sich zurückbilden.
Bitte gehen Sie auf das Thema Nachsorge ein.
Patienten bleiben für die OP meist zwei bis drei Tage stationär im Krankenhaus, nach vier Wochen kommen sie zur Kontrolle, dann nach drei Monaten, nach einem halben Jahr, nach einem Jahr, nach 18 Monaten; schließlich geht man zur jährlichen Kontrolle über.
Wünschen würde ich mir, dass wir den Patienten in Zukunft auch Ernährungsberatung und Psychotherapie als Kassenleistung für die Nachsorge als erstattungsfähige Leistung verordnen können. Bislang ist dies leider noch nicht möglich, die Maßnahmen würden aber die dauerhafte Gewichtsreduktion der Betroffenen sehr unterstützen. Im besten Fall halten sie ihr Normalgewicht nach der OP ein Leben lang.
Das Interview führte Miriam Rauh