Seltene Erkrankungen

„Ich wäre so gern wieder belastbarer!“

Michelle Erdmann ist 15 Jahre alt, als sie die ersten Symptome bemerkt: Sie fällt häufig, ihre Muskeln scheinen schnell zu ermüden. Erst rund acht Jahre später erhält die junge Frau die Diagnose: Myasthenia gravis. Im Interview berichtet Michelle von ihrem Alltag mit der Erkrankung, die einen tiefen Einschnitt in ihr Leben bedeutet.

Michelle, Sie sind aktuell im Krankenhaus. Was ist passiert?

Ich hatte eine myasthene Krise, eine akute Verschlechterung. Ich merke meist, dass es losgeht, wenn ich meine Tabletten nicht mehr schlucken kann, weil die Muskulatur versagt. Dann muss ich in die Klinik. Wenn möglich, versucht man es zunächst mit Immunglobulinen. Wenn das nicht hilft, wird in der Regel eine Blutwäsche gemacht, eine sogenannte Plasmapherese, bei der die Antikörper aus dem Blut entfernt werden.

Meist sind die Auslöser bei mir Infekte. Das ist ungünstig, da ich Immunsuppressiva nehme, die das Immunsystem unterdrücken, und ich allein schon deswegen oft krank bin. Dieses Mal scheint allerdings ein Medikament, das ich in der Reha bekommen hatte, die Krise ausgelöst zu haben.

Seit wann wissen Sie, dass Sie Myasthenia gravis haben?

Die Diagnose bekam ich im August 2022, mit 23 Jahren. Weil ich nicht mehr schlucken konnte, brachte mein Freund mich in eine Uniklinik. Dort wurde die Diagnose gestellt. Es wurde auch direkt eine Plasmapherese gemacht, weil ich eine akute Krise hatte. Seitdem hatte ich mehrere Blutwäschen, zuletzt diesen Januar, und insgesamt fünf oder sechs Krisen. Viele Betroffene haben nur eine Krise im Leben, aber bei mir scheint die Krankheit nicht unter Kontrolle zu sein.

Wann haben Sie erste Symptome bemerkt?

Mit 15 Jahren, es fing recht früh an. Ich hatte Pfeiffersches Drüsenfieber gehabt, danach ging es los. Es könnte sein, dass das Drüsenfieber der Auslöser war. Weil ich so schlecht Luft bekam, war ich zunächst beim Pneumologen, wo sich herausstellte, dass die Atemnot von den Muskeln kommt. Aber niemand wusste wirklich weiter, auch die Neurologen, bei denen ich war, nicht. Es hieß, meine Probleme seien psychisch bedingt. Von einem Hausarzt kam schließlich der richtige Impuls – kurz bevor mein Freund mich in die Uniklinik fuhr.

Bei Ihnen hat es viele Jahre gedauert, bis Sie die Diagnose kannten. Was müsste sich ändern, damit die Erkrankung schneller entdeckt werden kann?

Ich habe den Eindruck, dass viele die Krankheit gar nicht kennen, auch Ärzte nicht. Ich wünsche mir, dass vielleicht noch genauer hingesehen wird und dass die Erkrankung insgesamt bekannter wird. Vielleicht könnte man bei bestimmten Symptomen die Antikörper abfragen, als Standard. Bei mir wurde zur Diagnose ein Bluttest gemacht und es wurde getestet, ob die Muskulatur schnell ermüdet. Danach wusste man, was es ist.

Wie ist Ihr Alltag mit der Erkrankung?

Für weite Strecken nutze ich einen Rollstuhl, weil ich es nicht mehr schaffe, länger zu Fuß zu gehen. Nach meiner Lungenembolie im letzten Jahr hatte ich einen starken Krankheitsschub, seitdem ist vieles schwierig, auch einkaufen oder der Weg in unsere Wohnung im ersten Stock. Leider kann ich aktuell nicht arbeiten, was mich sehr traurig macht. Ich bin Tierarzthelferin und liebe meinen Beruf; das Arbeiten fehlt mir sehr.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft?

Ich wäre sehr gerne wieder belastbarer. Vor Kurzem musste ich die Erwerbslosenrente beantragen – ich würde viel lieber einfach arbeiten gehen! Und dann wünsche ich mir, meinen Alltag besser zu schaffen und dass es vielleicht eine Therapie gibt, die mir hilft oder mich zumindest stabil hält. Derzeit habe ich etwa alle acht Wochen eine neue Krise und muss ins Krankenhaus.

Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig für Betroffene?

Lasst euch nicht unterkriegen! Hört nicht auf, nach einer Therapie zu suchen! Vielleicht gibt es doch jemanden, der eine gute Idee hat und helfen kann.

Das Interview führte Miriam Rauh

Anlaufstelle für Betroffene

Betroffene von Myasthenia gravis können sich an die Deutsche Myasthenie Gesellschaft wenden. Das Ziel des Vereins ist die Hilfe zur Selbsthilfe von Menschen, die an Myasthenia gravis erkrankt sind.

Weitere Informationen unter: www.dmg.online

 

Hier klicken und das gesamte Hörmagazin „Leben mit seltenen Erkrankungen“ anhören.


UCB im Bereich der Seltenen Erkrankungen

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