Cerebrotendinöse Xanthomatose (CTX) ist eine sehr seltene Stoffwechselerkrankung. In Deutschland leben schätzungsweise nur 30 bis 40 Betroffene, die diagnostiziert sind. Manfred Bauer ist einer von ihnen. Im Interview spricht er über seine Symptome, das Leben mit CTX und die außergewöhnlich späte Diagnose.
Herr Bauer, Sie haben CTX. Wie hat sich die Erkrankung bei Ihnen geäußert?
Rückblickend hat sich die Erkrankung wahrscheinlich schon zehn bis 15 Jahre zuvor gezeigt. Mir wurde immer gesagt, ich hätte einen „schlampigen Gang“. Dass etwas nicht stimmt, habe ich gemerkt, als ich mit dem Tempo meiner Frau nicht mehr mithalten konnte. Bei einer Wanderung im Januar 2017 haben dann meine Beine plötzlich so gezittert, dass ich nicht mehr weitergehen konnte.
Welche Symptome hatten Sie außerdem?
Die Gangunsicherheiten wurden stärker, ich fing an zu stolpern. Dazu kamen neuropathische Schmerzen, erst an den Füßen und Beinen, dann an Händen und Armen. Dann nächtliche Krämpfe bis hin zur Spastik, auch erst an den Beinen, dann an den Armen. Die Gehstrecke wurde immer kürzer, inzwischen bin ich auf den Rollstuhl angewiesen.
Wie wurde CTX diagnostiziert?
Mein erster Weg führte mich zum Hausarzt. Der hat mich zum Neurologen geschickt. Nach einigen Untersuchungen kam ich in eine Klinik und wurde komplett auf den Kopf gestellt: CTs, MRTs, Lumbalpunktion. Dann folgten weitere Tests am Friedrich-Baur-Institut in München, einer Fachambulanz für neuromuskuläre Erkrankungen. Der Cholestanol-Wert im Blut war zwar erhöht, aber nur leicht. Erst in Verbindung mit der genetischen Untersuchung hat dann ein Arzt den Zusammenhang hergestellt.
Wie hat Ihre Familie auf die Diagnose CTX reagiert?
Am Anfang war eine große Unsicherheit. Am stärksten belastet ist meine Frau. Ich muss aber auch sagen, dass es überhaupt wichtig ist, eine Diagnose zu erhalten. Bei mir ging das in Überschallgeschwindigkeit, in nur eineinhalb Jahren. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Betroffene warten mehrere Jahrzehnte auf eine Diagnose.
Wie werden Sie behandelt?
Ich habe sofort mit der Einnahme von Chenodesoxycholsäure angefangen. Dazu bekomme ich Physiotherapie und Ergotherapie, außerdem trainiere ich täglich am Theramed, um die Spastiken zu lösen und um die Muskulatur zu bewegen. Gegen die neuropathischen Schmerzen und gegen die Spastiken nehme ich unter anderem Cannabisprodukte.
Wie sieht Ihr Alltag mit CTX aus?
Mein Alltag ist nicht vergleichbar zu vorher. Alles ist anders. Man muss sich seine Kräfte und Strecken einteilen. Ich muss mir immer überlegen, wie ich wo hinkomme und welche Kräfte ich dazu brauche. Ja, und manchmal hat man auch seine Emotionen nicht mehr so im Griff. Es wird körperlich, aber auch mental immer schwieriger.
Heilbar ist CTX nicht. Können Sie trotz der Erkrankung ein normales Leben führen?
Solange ich keinen Rollstuhl gebraucht habe, war es weitgehend „normal“. Aber auch jetzt will ich raus in die Natur. Daher habe ich mir einen klappbaren Elektrorollstuhl zugelegt. Wir sind immer gerne gewandert, am liebsten abseits der Touristenpfade. Das geht mit dem Rollstuhl nicht mehr.
Sie sind Teil der Selbsthilfegruppe ELA e. V. Wie kam es dazu?
Bei einem Reha-Aufenthalt bin ich mit einer Dame aus dem ELA-Vorstand ins Gespräch gekommen, und jetzt bin ich selbst Mitglied, das einzige mit CTX. Es ist ein Austausch außerhalb der Medizin, ein Erfahrungsaustausch zwischen Betroffenen. Wie man den Alltag bewältigen kann, wie man mit Behörden und Krankenkassen umgeht.
Was ist ein großer Wunsch von Ihnen?
Ich wünsche mir mehr Öffentlichkeit und den Austausch mit anderen CTX-Patienten, zum Beispiel über den Verein ELA (www.elaev.de). Die Krankheit sollte aber nicht im Vordergrund stehen. Man sollte nicht nur für die Krankheit leben, sondern mit der Krankheit.
CTX-Fakten
- Die CTX ist eine erbliche Störung des Gallensäurestoffwechsels, die durch Genmutationen verursacht wird. Diese Störung verhindert die Umwandlung von Cholesterin in Gallensäuren und es kommt vermehrt zu Ablagerungen von Fetten (Cholesterin und Cholestanol) im Gehirn und anderen Geweben.
- Einer von 135.000 bis 460.000 Menschen in Europa ist betroffen.
- Die Symptome können nach Altersgruppen (Neugeborene, Kinder und Jugendliche, Erwachsene) gegliedert werden. Bei Neugeborenen kann z. B. eine verlängerte Neugeborenengelbsucht oder chronischer Durchfall ein Anzeichen sein. Bei Kindern und Jugendlichen können zum chronischen Durchfall auch ein Grauer Star, Entwicklungsverzögerungen oder neurologische Auffälligkeiten hinzukommen. Typische Symptome bei Erwachsenen sind Xanthome (Fettablagerungen an Sehnen), kognitive, neurologische oder auch psychiatrische Störungen.