Krebs

Emelys Kampf

Emily

Emely ist ein glückliches Mädchen. Sie liebt es zu tanzen, zu reiten und zu lachen. Mit 10 Jahren erkrankt sie an Krebs – und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Im Interview sprechen Emely und ihre Mutter Kathrin über die schwerste Zeit in ihrem Leben.

Emely, wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Nachdem meine Brüder und ich Corona hatten, ging es los, dass ich sehr schlecht Luft bekam. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit meiner Klasse einen Ausflug in den Tierpark gemacht habe, und da war es ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr richtig weiterlaufen, alles war zu anstrengend. Nachts habe ich so viel geschwitzt, dass meine Matratze klitschnass war. Ich habe dann Antibiotikum bekommen, doch es wurde nicht besser. Nein, es wurde eigentlich jeden Tag schlimmer.

Kathrin, wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?

Als es trotz Antibiotika nicht besser wurde, begann ich mir große Sorgen zu machen, und die Ängste um Emelys Gesundheit wurden von Tag zu Tag größer. Ich habe mich sehr hilflos gefühlt, da ich nicht wusste, was sie hatte, und nichts tun konnte, damit es ihr besser geht.

Wann und wie kam es dann zur Diagnose?

Da es Emely immer schlechter ging, sind wir zu einer Kinderklinik gefahren. Da ihr Allgemeinzustand sehr schlecht war und sie kaum Luft bekam, hat man sie stationär aufgenommen. Als ich sie am nächsten Tag besuchte, wurden bereits viele Untersuchungen gemacht. In der Lunge und in den Bronchien hat man etwas gefunden, was da nicht hingehört – mehr hat man mir aber zu dem Zeitpunkt nicht gesagt. Im Laufe des Tages wurde Emelys Zustand lebensbedrohlich und sie wurde mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus ins 40 Kilometer entfernte Bielefeld gebracht, wo sie auf die Intensivstation kam. Dort klärte man mich dann über Emelys Gesundheitszustand auf: „Ihre Tochter hat Lymphknotenkrebs und es war kurz vor knapp.“

Emely, was ging dir durch den Kopf, als du erfahren hast, dass du Krebs hast?

Ich hatte Angst. Ich habe am Anfang nicht richtig verstanden, was das für mich bedeutet. Ich wusste nur, dass mein Gewicht sehr wenig war, und so fühlte ich mich auch – schwach und kraftlos. Meine Mutter war jeden Tag bei mir. Ich wusste da gar nicht richtig, wo ich bin, in welchem Ort – es war alles irgendwie fremd. Meine Mutter hat viel geweint, wenn die Ärzte bei ihr waren. Irgendwann habe ich realisiert, dass es nicht gut um mich steht.

Kathrin, wie verkraftet man eine solche Diagnose?

Gar nicht. Ich habe einfach funktioniert und nie die Hoffnung aufgegeben, dass es besser wird. Den größten Halt gaben mir mein Mann und meine Mutter. Sie wusste zum Beispiel in vielen Dingen Bescheid, da ihre Eltern auch verschiedene Krebsarten hatten. Ich musste einfach stark bleiben, für Emely.

Wie sieht derzeit ein normaler Tag bei Ihnen aus?

Normale Tage gab es bei uns schon lange nicht mehr, aber ich versuche mal, einen Tag in unserem derzeitigen Leben zu beschreiben: Morgens kümmere ich mich darum, dass die Geschwister zur Schule und in den Kindergarten gehen und Emely ihre Medikamente bekommt. Dann geht es zur Corona-Teststelle und den Rest des Tages sind wir in Kliniken. Egal ob Strahlenbehandlung oder Tagesklinik – irgendwas ist immer. Am frühen Abend kommen wir nach Hause und ich kümmere mich um die Kontrolle der Hausaufgaben und den Haushalt – waschen, kochen, putzen. Nach dem Abendessen geht es dann langsam für die Kinder ins Bett und ich beginne mit dem liegengebliebenen Papierkram.

Das ist ein großes Pensum. Würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?

Unterstützung ist das falsche Wort. Verständnis trifft es eher. Teilweise war und bin ich überfordert mit alldem. Ich finde, besonders Ämter, Sozialarbeiter, aber auch Ärzte sollten mehr auf die Familien eingehen und sie unterstützen – nicht nur fordern. Hätte ich meinen Mann nicht, der immer da ist, weiß ich nicht, ob ich das alles schaffen würde.

Emely, bitte erzähle uns von deinem Kampf gegen die Krankheit.

Mittlerweile geht es mir besser. Die letzten Monate waren sehr anstrengend und hart. Ich hatte viele Nebenwirkungen wie Fressattacken, Schleimhautentzündungen, Übelkeit. Ich kann mich immer noch nicht lange auf den Beinen halten. Das nervt. Ich möchte wieder tanzen, reiten, auf den Spielplatz gehen – einfach wieder ein normales Kind sein. Aber aufgeben war nie eine Option. Aufstehen und weitermachen. Doch ich habe Angst, was auf mich zukommen wird, wenn ich wieder in die Schule kann. Meine Haare sind weg, ich habe durch die Medikamente zugenommen … Das ist für mich mittlerweile okay, aber für meine Klassenkameraden wird das vielleicht nicht okay sein. Vielleicht werde ich gemobbt oder geärgert. Zu Hause fühle ich mich sicher und meine Brüder stehen hinter mir, das weiß ich.

Was hilft euch in dieser schweren Zeit besonders?

Emely: Dass meine Familie immer für mich da ist. Viele meiner alten Freunde haben den Kontakt abgebrochen, aber meine Familie ist da – egal wann, egal wie.
Kathrin: Gemeinsame Zeit, zum Beispiel bei Spieleabenden, hilft uns sehr – dabei fühlt sich alles an wie vorher und wir können die Krankheit für einen Moment vergessen. Auch unser Hund ist unser Anker und unser Ruhepol. Wenn wir zusammen eine Runde Gassi gehen und an nichts denken, tut das sehr gut und gibt uns das Gefühl von Normalität.

Emely, was wünschst du dir am meisten für die Zukunft?

Ich hoffe, dass der Krebs mich nicht mein Leben lang begleiten wird. Dass ich tanzen und reiten kann, einfach wieder ein normales Leben führe. Ich hoffe, dass ich akzeptiert und nicht geärgert werde – ja, das wünsche ich mir am meisten für die Zukunft.

Das Interview hat Emma Howe geführt.

 

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