ReisenSoziale Verantwortung

Verantwortungsbewusst reisen – Achtsamkeit für Natur und Kultur

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Michael Hohenbichler
Geoökologe und
Green Traveller

Green Travel, auch bekannt als nachhaltiges Reisen, ist mehr als nur ein Trend – es steht für eine globale Bewegung, die sich darauf konzentriert, das Reisen umweltfreundlicher, sozial verantwortlicher und bewusster zu gestalten. In Zeiten des Klimawandels, der Erderwärmung und der Zerstörung natürlicher Ressourcen suchen immer mehr Menschen nach Wegen, die Welt zu erkunden, ohne dabei der Umwelt oder den lokalen Gemeinschaften zu schaden. Geoökologe Michael Hohenbichler ist seit zwei Jahrzehnten Green Traveller. Was nachhaltiges Reisen für ihn bedeutet:

Als ich vor 38 Jahren mit dem Reisen begann, dachte ich wenig über die Auswirkungen meines Handelns auf die Umwelt nach. Doch schnell wurde mir klar, dass meine Art zu reisen einen erheblichen Einfluss auf die Natur und die Menschen in den bereisten Regionen hat. Laut der Welttourismusorganisation (UNWTO) trägt der Tourismussektor fast 10,4 Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und beschäftigt weltweit etwa 320 Millionen Menschen. Gleichzeitig verursacht der Tourismus etwa acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Diese Zahlen machten mir bewusst, wie wichtig es ist, nachhaltig zu reisen, um die negativen Effekte zu minimieren.

Green Travel bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen – für meinen ökologischen Fußabdruck und für die Menschen vor Ort. Es geht darum, umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig die lokale Bevölkerung, insbesondere Frauen, zu unterstützen. Frauen machen 54 Prozent der Arbeitskräfte im globalen Tourismus aus, arbeiten jedoch oft in prekären und schlecht bezahlten Positionen. Durch bewusstes Konsumverhalten können wir Reisende einen positiven Einfluss auf ihre Lebenssituation nehmen.

TRUmweltfreundliche Transportmittel: der erste Schritt

In meinen frühen Jahren bin ich oft und viel geflogen. Erst mit der Zeit wurde mir bewusst, dass der Transport den größten Teil der durch das Reisen verursachten CO₂-Emissionen ausmacht. Flugreisen sind weltweit für etwa 2,5 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Eine einzige Langstreckenflugreise verursacht pro Passagier zwischen 1,6 und 2,5 Tonnen CO₂. Diese Zahlen haben mich zum Umdenken gebracht. Heute bevorzuge ich den Zug, wann immer es möglich ist. Züge, insbesondere in Europa, reduzieren den CO₂-Ausstoß um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu Flugreisen. Hochgeschwindigkeitszüge wie der TGV in Frankreich oder der ICE in Deutschland bieten nicht nur eine umweltfreundliche, sondern auch eine komfortable Möglichkeit zu reisen. Zudem ermöglicht „Slow Travel“, bei dem ich länger an einem Ort bleibe, meine Emissionen durch weniger Fahrten weiter zu senken.

Nachhaltige Unterkünfte: bewusste Entscheidungen treffen

Ein weiterer großer Schritt hin zu nachhaltigem Reisen war für mich die Wahl umweltfreundlicher Unterkünfte. Herkömmliche Hotels verbrauchen oft enorme Mengen an Energie und Wasser. Der durchschnittliche Hotelgast kann bis zu 180 Liter Wasser pro Tag verbrauchen. Mittlerweile achte ich darauf, in Unterkünften mit Nachhaltigkeitszertifikaten wie Green Key oder Travelife zu übernachten. Diese Hotels setzen auf ökologische Bauweisen, erneuerbare Energien und umweltfreundliche Wassermanagement-Systeme.
Besonders in Entwicklungsländern habe ich oft in Unterkünften übernachtet, die Programme zur Förderung von Frauen unterstützen. Ein Beispiel dafür sind nachhaltige Hotels in Kenia oder Tansania, die Arbeitsplätze schaffen und Frauen wirtschaftliche Perspektiven bieten. Diese Art des Reisens verbindet Umweltschutz mit sozialer Verantwortung.

Achtsamkeit gegenüber Kultur und Natur

In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, wie wichtig es ist, nicht nur die Umwelt, sondern auch die Kultur und Natur der bereisten Regionen zu respektieren. Viele beliebte Reiseziele leiden unter den Folgen des Massentourismus. Venedig beispielsweise, mit seinen über 30 Millionen Touristen pro Jahr, oder Machu Picchu in Peru sind nur zwei Beispiele für Orte, die unter Overtourism und der Zerstörung von Natur und Kulturerbe leiden.

Heute wähle ich bewusst weniger überfüllte Reiseziele, die authentische Erlebnisse bieten und nicht unter dem Druck des Massentourismus stehen. Es ist für mich eine Bereicherung, abgelegenere Orte zu entdecken und gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz von Kultur und Natur zu leisten.

Wasserverbrauch und Müllvermeidung

Wasserknappheit und Plastikmüll sind zwei der größten Probleme, die durch Massentourismus verschärft werden. In ariden Regionen, in denen Wasser ein knappes Gut ist, verbrauchen Luxushotels oft riesige Mengen an Wasser – bis zu 3.800 Liter pro Zimmer und Tag in Luxusresorts. Das ist für mich heute unvorstellbar. Ich achte darauf, meinen Wasserverbrauch zu minimieren, etwa durch den Verzicht auf tägliches Handtuchwechseln und durch kürzere Duschen.

Auch die Müllvermeidung ist ein wichtiger Teil meiner Reisephilosophie. Jährlich gelangen etwa acht Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane. Während meiner Reisen trage ich immer wiederverwendbare Wasserflaschen, Taschen und Behälter bei mir, um so wenig Plastik wie möglich zu produzieren.

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Soziale Verantwortung: Frauen und lokale Gemeinschaften unterstützen

Nachhaltiges Reisen geht weit über den Schutz der Umwelt hinaus – es bedeutet auch, soziale Gerechtigkeit zu fördern. Besonders in vielen touristischen Destinationen in Entwicklungsländern sind Frauen in niedrig bezahlten und prekären Jobs tätig. Oft sind sie in der Gastronomie oder als Souvenirverkäuferinnen tätig, wobei ihre Arbeit oft kaum wertgeschätzt wird. Green Travel bietet die Chance, diese Ungleichheiten zu bekämpfen, indem ich gezielt Projekte und Unternehmen unterstütze, die Frauen fördern und ihnen die Möglichkeit geben, in Führungspositionen zu wachsen.

Ein Projekt, das mich besonders beeindruckt hat, ist das Programm Maasai Mara Women Empowerment in Kenia. Hier haben Maasai-Frauen durch Handwerksprojekte und kulturelle Touren die Möglichkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen und ihre Stimme in der Gemeinschaft zu stärken. Solche Initiativen tragen nicht nur zur Stärkung der Frauenrechte bei, sondern fördern auch den Erhalt der lokalen Kultur und regionaler Traditionen. Indem ich solche Projekte unterstütze, fühle ich mich nicht nur als Reisender, sondern auch als Teil einer Bewegung, die positive Veränderungen in den Gemeinschaften bewirken möchte. Durch bewusstes Reisen kann ich dazu beitragen, eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für alle zu schaffen.

Nachhaltiges Reisen bereichert

Nach 20 Jahren nachhaltigem Reisen kann ich sagen, dass Green Travel für mich weit mehr bedeutet als nur Umweltschutz. Es hat meinen Horizont erweitert und mir tiefere, authentischere Erlebnisse ermöglicht. Jedes Reiseziel wähle ich mit Bedacht, um positive Spuren zu hinterlassen. Bewusste Entscheidungen – sei es bei Transport, Unterkunft oder Aktivitäten – minimieren die negativen Auswirkungen des Tourismus und unterstützen die Menschen vor Ort.

Nachhaltiges Reisen ermöglicht mir, tiefer in die Kulturen einzutauchen und echte Verbindungen zu knüpfen. Der Kontakt zu lokalen Gemeinschaften und die Unterstützung nachhaltiger Projekte haben mein Verständnis für die Herausforderungen der Menschen vor Ort erheblich bereichert und mir neue Perspektiven eröffnet. Ich erlebe, wie mein bewusster Konsum oft auch das Leben anderer Menschen verbessert und wertvolle Begegnungen schafft.

Es ist keine Frage des Verzichts, sondern eine wertvolle Bereicherung – für die Umwelt, die Menschen in den bereisten Regionen und für mich selbst. Indem wir bewusster reisen, bewahren wir die Schönheit unseres Planeten und verbessern die Lebensbedingungen vor Ort. Diese Entscheidung für die Zukunft können wir alle treffen und sie hat das Potenzial, sowohl unsere eigenen Leben als auch das Leben der Menschen, denen wir begegnen, nachhaltig zu verändern.

Text: Michael Hohenbichler

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