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„Patienten fangen an zu weinen, wenn sie endlich eine Diagnose erhalten“

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Prof. Dr. Ralf Baron, Leiter der Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Unerträgliche Schmerzen ohne auffindbare Ursache – für Menschen mit Morbus Fabry eine lebenslange Tortur, die unbehandelt zu Organschäden führt. Dabei gibt es Wege, den Leidensweg abzukürzen. Prof. Dr. Ralf Baron sorgt für mehr Bewusstsein für die seltene Stoffwechselerkrankung und darüber, wie sie sich einfach diagnostizieren lässt.

Herr Prof. Baron, was sind erste Anzeichen für einen Morbus Fabry?

Interessanterweise geht es bei vielen Patienten mit Schmerzen los, meist mit heftigen Schmerzen schon im Kindesalter. Da das ein häufiges Frühsyndrom ist, fahnden wir besonders nach diesen Symptomen. Das Problem ist, dass Morbus Fabry unbehandelt dann zu Organschäden führt. Es fehlt ein bestimmtes Enzym, wodurch Stoffwechselprodukte in die Organe gelangen – und diese schädigen.

Viele Morbus-Fabry-Patienten leiden jahrelang unter Schmerzen, bis sie endlich ihre Diagnose bekommen. Woran liegt das?

Kaum jemand kommt auf die Idee, dass es genau diese Stoffwechselerkrankung ist. In meiner Laufbahn habe ich schon so viele Patienten gesehen, bei denen die Erkrankung nicht diagnostiziert wurde. Ich hatte sogar einen nierentransplantierten Patienten, bei dem die Erkrankung nicht erkannt wurde. Ihm hätte anders geholfen werden können. Einigen Betroffenen wurde gesagt, sie würden sich die Schmerzen nur einbilden, weil keine Ursache gefunden wurde. Sie versuchen dann, so gut es geht damit zu leben, und denken, die Schmerzen gehörten einfach zu ihnen.

Wie wird die Erkrankung Morbus Fabry diagnostiziert?

Zunächst ist es wichtig, überhaupt an einen Morbus Fabry zu denken. Man kann im Blut Enzyme bestimmen. Ist wenig oder gar keine Enzymaktivität im Blut nachweisbar, würde eine genetische Untersuchung Sicherheit schaffen. Auch die Familien-Anamnese gehört dazu: Traten in der Familie zum Beispiel gehäuft Todesfälle durch Nieren- oder Herzversagen auf, leiden Verwandte ebenfalls an chronischen Schmerzen?

Bei welcher Art Schmerzen sollten Ärzte auf Morbus Fabry untersuchen?

Die Schmerzsymptome sind sehr charakteristisch: Es handelt sich um heterogene, polyneuropathische Schmerzen. Auch kommen evozierte, also ausgelöste Schmerzen vor. Wovon mir alle Patienten berichten: Wenn ihre Körpertemperatur erhöht ist, leiden sie unter extremen Schmerzen, etwa bei einem Infekt, beim Sport oder in der Sauna. Auch die Schulsportfrage gibt Aufschluss über den langen Leidensweg der Patienten, die bereits in jungen Jahren mit starken Schmerzen unklarer Ursache zu tun hatten. Ein weiteres Phänomen ist die Fabry-Krise – ein buntes Bild von heftigsten Schmerzen, über Tage hinweg.

Wie lässt sich der Leidensweg für Morbus-Farby-Patienten abkürzen?

Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit: Augenärzte bei Veränderungen am Auge, Nephrologen bei frühen Nierenleiden, Internisten, Kinderärzte und Schmerztherapeuten sollten ihre Patienten auf Morbus Fabry screenen. Dazu haben wir den „FabryScan“ entwickelt mit spezifischen Fragen zur Schmerzqualität, aber auch zu bisherigen Fehldiagnosen. Das gibt dem Arzt eine gewisse Idee, ob bei unklaren, chronischen Schmerzen der Ex-tremitäten möglicherweise ein Morbus Fabry vorliegt. Es dauert nur etwa zehn Minuten. Das Tool gibt es jetzt auch als digitalen Fragebogen unter www.fabryscan.de.

An wen sollten sich Patienten mit chronischen Schmerzen unklarer Herkunft wenden?

Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt, der das filtern muss. Dann kommen Schmerztherapeuten und Neurologen ins Spiel. Deshalb ist es so wichtig, mehr Bewusstsein für diese Erkrankung zu schärfen. Wenn man den Patienten sagt: „Wir haben etwas gefunden, wir können Ihnen helfen“, fangen sie an zu weinen.

Wie behandeln Sie Morbus Fabry?

Mit einer geeigneten Therapie lässt sich die Lebenssituation der Patienten deutlich verbessern. Für einen Arzt ist es klasse zu sehen, der bekommt feuchte Augen, wenn er seinen Patienten nach einem langen Leidensweg helfen kann. Neben der Enzymersatz-Therapie leiten wir auch eine symptomatische Schmerztherapie ein. Auch dabei ist mir Aufklärungsarbeit sehr wichtig, denn Nervenschmerzen müssen anders behandelt werden als andere Schmerzen.

Gibt es weitere Therapiemöglichkeiten?

Der Klassiker ist nach wie vor die Enzymersatz-Therapie. Bei der lebenslangen Therapie wird das fehlende Enzym ersetzt und dem Patienten per Infusion zugeführt. Für andere Verläufe gibt es Tabletten mit einem anderen Wirkungsprinzip. Sie verändern das entsprechende Enzym, sodass es „besser“ wird. Das funktioniert aber nur, solange das Enzym überhaupt noch vorhanden und aktiv ist.

Was wünschen Sie Morbus-Fabry-Patienten für die Zukunft?

Zum einen, dass sie auch anderen Kollegen davon berichten, denn man kann einen Morbus Fabry behandeln! Damit man früher daran denkt, auf Morbus Fabry zu untersuchen. Es werden neue Ideen kommen, um das Bewusstsein für diese Erkrankung zu stärken. Dann, dass die Therapieoptionen weiter verbessert werden. Am Horizont sehe ich noch andere, viel wirksamere Therapien. Ich bin davon überzeugt, dass Kinder, bei denen jetzt Morbus Fabry festgestellt wird, noch viele weitere Therapiemöglichkeiten erhalten werden.

GASTBEITRAG

 

 


„Ein Leben ohne Schmerzen kenne ich nicht“, sagt Conny Landgraf. Er hat Morbus Fabry und erzählt im Interview von seiner Erkrankung.

 

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