Hannes Jaenicke ist Schauspieler, Synchronsprecher, Hörbuchsprecher, Autor und Umweltaktivist. Schon seit Jahrzehnten engagiert er sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit – und setzt dabei auf Aufklärung statt Protest.
Warum sind Sie so engagiert?
Die Antwort ist einfach: Es geht einem besser und man geht abends zufriedener ins Bett, wenn man sich engagiert, egal ob es für andere Menschen, die Umwelt oder Tiere ist. Damit bin ich ja nicht allein. Es gibt Studien zu diesem Thema – sozial Engagierte haben eine um sechs bis sieben Jahre höhere Lebenserwartung als Menschen, die sich nicht engagieren. Man tut sich also auch selbst einen Gefallen, wenn man sich für die Gemeinschaft einsetzt.
Liegt es in der Natur des Menschen, sich für das Wohl aller zu engagieren?
Es wäre schön, wenn es so wäre. Der Mensch ist aber offenbar eine Spezies, die ungern aus Erfahrungen lernt. Tiere sind uns in ihrer Schwarmintelligenz meist überlegen.
Sie sind seit den 1980er-Jahren Mitglied bei Greenpeace. Wie kam es dazu?
Das war ein Foto auf der Titelseite der SZ Mitte der 1970er-Jahre: Es zeigte ein kleines Schlauchboot, das einen riesigen japanischen Walfänger aufhielt. Ich fand den Mut der kanadischen Greenpeacer bewundernswert und cool.
Zu dieser Zeit begannen Sie auch, sich vegetarisch zu ernähren?
Ich hatte Mitte der 80er zwei Drehtage in einer Hühnerfabrik in der Nähe von Rosenheim – das hat mir den Appetit auf Fleisch nachhaltig verdorben. Ich esse jetzt seit 40 Jahren weder Fisch noch Fleisch und bin allen Kritikern zum Trotz noch nicht von den Knochen gefallen.
Warum werden statt gesunder die ungesunden Lebensmittel subventioniert, die zu einer ganzen Reihe von Zivilisationskrankheiten führen?
Vor etwa einem Jahr erschien Ihr Buch über die Produktionsbedingungen tierischer Lebensmittel, „Die große Sauerei“ …
Das hat der Agrarlobby so wenig gefallen, dass sie einen gewaltigen Shitstorm organisiert hat, es gab sogar Morddrohungen. Denen hat es nicht gefallen, was wir aufgedeckt und öffentlich gemacht haben. Aber das Hauptproblem ist die milliardenschwere Lebensmittelindustrie. Sie setzt Bauern unter einen massiven Preisdruck. Alles soll immer möglichst billig sein. Und wir Deutschen geben offensichtlich lieber Geld für teure Autos, Handys und Schnickschnack aus als für gutes Essen. Hier versagen nicht nur Politik und Industrie, sondern auch die Verbraucher. Und die sind ja nicht machtlos. Das ganze System funktioniert nur, weil wir unsere Nahrungsmittel immer so billig wie möglich einkaufen wollen. Die Frage ist doch eigentlich: Warum werden statt gesunder die ungesunden Lebensmittel subventioniert, die zu einer ganzen Reihe von Zivilisationskrankheiten führen? Das belastet unser Gesundheitssystem, es führt zu enormen Kosten. Alle Landwirtschaftsminister, die versucht haben, eine dringend nötige Agrarwende durchzuziehen, sind an den Lobbyisten der Lebensmittel- und Agrarindustrie gescheitert.
Schon in Ihrem Buch „Wut allein reicht nicht“ von 2010 geht es um den Umwelt- und Tierschutz, auch um die Erderwärmung. Was hat sich seitdem geändert?
Seit 2010 haben sich Klimakrise und Artensterben deutlich verschärft. Seit den frühen 70er-Jahren wissen wir eigentlich sehr genau, was zu tun ist, um den Klimawandel aufzuhalten. Wir machen aber das Gegenteil. Der CO₂-Ausstoß steigt weiter, Grünflächen werden weiterhin für Gewerbeflächen vernichtet, der Plastikmüll nimmt dramatisch zu, und die Forschung des Klimainstituts in Potsdam wird eisern ignoriert.
In Skandinavien, den Niederlanden, auch in den USA ist man beim Klimaschutz schon weiter. Viele andere Länder ziehen in einem solchen Tempo davon, dass wir uns irgendwann die Augen reiben werden.
Wie denken Sie über die Letzte Generation?
Die Wut und die Verzweiflung darüber, wie sehr die Klimapolitik versagt, verstehe ich. Über die Wahl der Mittel sollte man aber diskutieren, denn die Aktionen treffen leider nicht Entscheider oder die Nutzer von Privatjets, sondern die breite Bevölkerung. So erreicht man eher das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte. Ich setze eher auf Information und mache meine Dokus und Bücher. Information und Aufklärung sind meines Erachtens die wichtigsten Instrumente.
Wer kauft und konsumiert, sollte sich auch informieren.
Haben Sie Tipps, wie man im Alltag ein sozial- und umweltverträglicheres Leben umsetzen kann?
Wer kauft und konsumiert, sollte sich auch informieren. Warum lesen wir Testberichte über Autos, nicht aber über Lachs oder Kaffee? Kaum jemand weiß, welche katastrophalen Umweltschäden Lachsfarmen verursachen. Und die wenigsten wissen, dass es schädlicher ist, sich ein neues Auto zu kaufen, als eins zu nutzen, das vielleicht schon zehn oder 20 Jahre alt ist. Das meiste CO₂ wird nicht beim Fahren freigesetzt, sondern bei der Produktion.
„Die große Sauerei“ klärt über die alltäglichen Industrie- und Werbelügen auf und informiert Verbraucher, was sie vor dem Kauf tierischer Produkte wissen sollten. Die schärfste Waffe, die wir haben, ist unser Geldbeutel. Wenn wir bestimmte Dinge nicht mehr kaufen, ist die Industrie gezwungen, sich umzustellen.
Was ist Ihr aktuelles Projekt?
Ich arbeite mit meiner Crew an einer Dokumentation zum Thema Böden. Die sind in Deutschland in miserablem Zustand. Wir wollen ähnlich wie in der Netflix-Doku „Kiss the Ground“ aufzeigen, wie die Landwirtschaft zum Positiven verändert werden kann und verändert werden muss. Und dass dies sich auch wirtschaftlich rechnen kann. Wir zeigen Landwirte, die einen fantastischen Job machen und völlig neue Wege gehen … Wir brauchen solche Vorbilder und wir brauchen mehr gute Nachrichten.
Das Interview führte Miriam Rauh