Der 1. Oktober ist internationaler Morbus-Gaucher-Tag. Ein Aktionstag, um auf die seltene, erbliche Stoffwechselkrankheit, bei der eine Vergrößerungen der Milz und/oder der Leber, Veränderungen des Blutbildes, Müdigkeit und Knochenschmerzen auftreten, aufmerksam zu machen. Das tun wir, zusammen mit Alexander. Er hat Morbus Gaucher Typ 1 und schreibt über sein Leben mit der Erkrankung.
Ich hatte das Glück fast beschwerdefrei aufzuwachsen.
Ich bin 38 Jahre alt, bin ein glücklicher Familienvater und arbeite als Versicherungsmakler in Hamburg. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gaucher-Betroffenen, bin ich fast beschwerdefrei aufgewachsen. Im Gegensatz zu meinen Mitschülern war ich häufiger wegen Infekten zuhause, aber keiner machte sich darüber große Gedanken. Im Gymnasium hatte ich häufiger Schmerzen in den Beinen und war oft sehr müde, aber mein Kinderarzt tat das als Wachstumsschmerz und pubertäre Müdigkeit ab. Während der Ausbildung verschlimmerte sich das, aber ich hörte nicht auf meinen Körper und ignorierte seine Signale. Ich war jung und wollte einfach nur Spaß haben. Die Müdigkeit machte mir oft zu schaffen, aber dank Energydrinks und viel Willensstärke trieb ich meinen Körper trotzdem zu hohen Leistungen an. Ich merkte natürlich irgendwie immer, dass meine Freunde und Kollegen mehr Energie zu haben schienen als ich. Das hat mich aber nur noch mehr angetrieben, Höchstleistungen zu bringen. Ich wollte es mir und meinem Körper beweisen – „Du bist genauso stark und belastbar wie die anderen“. Das funktionierte, bis mein Körper die Notbremse trat.
Den Blick der Krankenschwester werde ich nie vergessen.
Das war 2003. Ich half einem Freund beim Umzug. Wir trugen seine Waschmaschine in die dritte Etage und oben angekommen fühlte es sich an, als hätte ich mir etwas im Hals gezerrt oder gestaucht. Natürlich ignorierte ich auch das wieder und machte den Umzug unter Schmerzen zu Ende. Leider wurden sie nicht besser, es fühlte sich an, als sei mein Hals angeschwollen. Ich war erschöpft, machte aber trotzdem weiter und ging zur Arbeit. Mein Chef war es schließlich, der mich in die Notaufnahme schickte, als meine Lippen und mein Gesicht anfingen einen bläulichen Farbton anzunehmen. Diesmal ignorierte ich das nicht, denn es machte mir große Angst. Im Krankenhaus wurde ich eingewiesen und schnell wurde ein MRT vom Hals gemacht. Als ich aus der Röhre kam, schaute mich die Krankenschwester ganz komisch an – diesen Blick werde ich nie vergessen. Ich ging wieder in mein Zimmer und bekam es mit der Angst zu tun. Was hatte sie beim MRT gesehen? War ich so krank? Einige Stunden später kam der Arzt zu mir ins Zimmer und teilte mir mit, dass ich Tumore am ganzen Hals und auf der Brust hatte. Die vermeintliche Zerrung waren die Tumore, die etwas im Hals blockiert hatten. Ich musste schnellstmöglich operiert werden.
Diagnose Non-Hodgkins-Lymphom im Stadium IV und Morbus Gaucher Typ 1.
Kurz darauf hatte ich zwei Operationen und erhielt die Diagnose Non-Hodgkins-Lymphom im Stadium IV und Morbus Gaucher Typ 1. Beides hatte ich nie zuvor gehört. Zum Glück nahm sich der Arzt die Zeit und erklärte mir meine Krankheiten. Er legte mir nahe mich zuerst auf die Krebsbehandlung zu konzentrieren und mich später um die Gaucher zu kümmern, obwohl sowohl meine Milz als auch meine Leber enorm angegriffen waren und ich Verletzungen in meinen Beinen und Hüften hatte. Ich nahm seinen Rat dennoch an und begann, um mein Leben zu kämpfen. Bestrahlung, Chemo, Dauergast im Krankenhaus. Es waren schreckliche Monate, aber ich blieb positiv und Gewann den Kampf. Zu Weihnachten 2004 wurde mir gesagt ich sei in Remission. Nachdem ich die Krebsbehandlung durchlaufen hatte, hatte ich das Gefühl, eine neue, stärkere Lebenseinstellung zu haben und alles erreichen zu können. Das ging ein halbes Jahr gut, bis die Schmerzen und die Müdigkeit mich auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Ich hatte versucht den Gaucher zu verdrängen, ihn einfach zu ignorieren, in der Hoffnung, dass er aus meinem Leben verschwinden würde. Tat er leider nicht. Und es kam der Tag, an dem ich wieder im Krankenhaus landete. Die Ärzte dort erzählten mir schreckliche Dinge. Sie sagten, dass ich meinen 30. Geburtstag nicht erleben werden und die Gaucher-Krankheit alle meine Knochen zerstören würden. Geschockt verließ ich das Krankenhaus und ging zu einem Spezialisten für die seltene Erkrankung. Er nahm mir die Angst, stellte mich auf Medikamente ein und ich bekam von da an alle zwei Wochen Infusionen.
Endlich war ich angekommen – auch gesundheitlich.
Am Anfang war das nicht leicht für mich, doch irgendwann wurde es zur Routine. Ich begann mich körperlich besser zu fühlen und wenn ich ehrlich bin, begann dann erst mein Leben. Vorher hatte ich mir und meinem Umfeld immer etwas vorgemacht und eigentlich jeden Tag nur um Überleben gekämpft. Endlich war ich angekommen – auch gesundheitlich. Ich heiratete meine Traumfrau, wir bekamen zwei wundervolle Kinder und führen ein tolles Leben. Seit einigen Jahren bekomme ich auch keine Infusionen mehr, sondern Tabletten. Das hat meine Lebensqualität noch einmal verbessert.