Die Zukunft der Krebsbehandlung
Krebsforschung made in Germany. Lesen Sie hier, welche innovativen Wege Wissenschaftler und Ärzte am Top-Krebsforschungsstandort Dresden gemeinsam gehen, um Patienten die bestmögliche Krebstherapie oder bestenfalls ein Leben ohne Krebs zu ermöglichen.
Frau Prof. Speidel, Sie leiten die Abteilung Translationale chirurgische Onkologie. Was darf ich mir darunter vorstellen?
Translation bedeutet, die Lücke zwischen der Grundlagenforschung und der Anwendung am Patienten zu schließen. Meine Abteilung entwickelt computer- und robotergestützte Assistenzsysteme für die Krebschirurgie. Der Operateur kann ja nicht ins Organ hineinschauen, sondern sieht nur die Oberfläche, muss aber wissen, wo genau sich Risikostrukturen oder Zielstrukturen befinden, also der Tumor, der entfernt werden soll. Die Erfahrung des Operateurs ist extrem bedeutend, um Komplikationen während und nach der Operation zu vermeiden. Unser Ziel ist es, die Lösungswege vieler sehr erfahrener Chirurgen zu erfassen und mithilfe künstlicher Intelligenz weniger erfahrenen Kollegen auch an anderen Standorten zur Verfügung zu stellen.
Das fängt ja bereits vor dem OP-Saal an. Sie entwickeln auch eine Datenbrille zur Operationsplanung. Wie genau läuft das ab?
Es gibt eine Vielzahl von Daten, die bereits vor einem chirurgischen Eingriff anfallen: aus der Bildgebung (CT, MRT), Laborwerte und die Patientenhistorie. Auf Basis aller verfügbaren Daten des Patienten wird eine dreidimensionale Projektion erstellt, sodass der Operateur vorab die OP durchspielen kann. Mit der Datenbrille lassen sich unterschiedliche Operationswege simulieren. Am DKFZ-Standort Dresden werden künftig weitere Zukunftstechnologien gegen Krebs entwickelt, beispielsweise Mikro- und Nanoroboter, die Medikamente gezielt zum Tumor transportieren, oder neue Sensoren zur frühzeitigen Krebsdiagnose.
Am DKFZ-Standort Dresden werden künftig weitere Zukunftstechnologien gegen Krebs entwickelt, beispielsweise Mikro- und Nanoroboter, die Medikamente gezielt zum Tumor transportieren, oder neue Sensoren zur frühzeitigen Krebsdiagnose.
Wird es künftig in der Krebschirurgie mehr KI, Robotik und Technik und weniger Mensch geben?
Nicht weniger Mensch, wir wollen den Chirurgen ja nicht ersetzen, sondern ihm Assistenzsysteme für eine noch präzisere Krebschirurgie zur Seite stellen. Es gibt Sachen, die kann der Mensch besser, und Dinge, die kann die Maschine gut. Es geht darum, beides zu ergänzen, um letztlich dem Patienten eine bessere Lebenssituation zu verschaffen.
Worin sehen Sie das größte Potenzial der chirurgischen Onkologie? Wie gelingt das am Top-Standort Dresden?
Hier am Campus lassen sich zukunftsträchtige Systeme vereinen, verschiedene Disziplinen miteinander verzahnen. Unser gemeinsames Ziel ist die onkologische Forschung in Dresden erheblich zu stärken. Der Fokus liegt auf der Entwicklung innovativer, technologie-basierter Ansätze für die Tumordiagnostik und -therapie sowie zur Prävention von Krebserkrankungen. Unser Anspruch ist es außerdem, dieses Wissen zum Wohl der Patienten möglichst flächendeckend verfügbar zu machen.
Herr Prof. Bornhäuser, wie funktioniert die zelluläre Therapie bzw. Immuntherapie?
Es gibt verschiedene Arten der Zelltherapie. Zum einen die autologe Zelltherapie, wobei die blutbildenden Zellen oder Immunzellen direkt vom Patienten entnommen und diesem nach einer entsprechenden Vorbehandlung zurückgegeben werden. Das neueste, innovative Verfahren, woran auch wir forschen, ist die CAR-T-Zell-Therapie. Dabei werden vom Patienten selbst Lymphozyten, die T-Zellen, entnommen, außerhalb des Körpers genetisch verändert und nach zwei bis drei Wochen in dieser veränderten Form an den Patienten zurückgegeben. Mit dem neuen künstlichen Immunrezeptor auf der Oberfläche können CAR-T-Zellen sehr effektiv Krebszellen eliminieren.
Für welche Patienten ist diese Immuntherapie vorgesehen?
Dies funktioniert bisher v. a. bei Lymphknotenkrebs und bestimmten Leukämieformen. Zwar können dabei auch ungewollte Nebenwirkungen auftreten, jedoch sind diese inzwischen besser vorhersehbar und in Dresden entwickelte Formen der CAR-T-Zellen ermöglichen zusätzlich auch das An- und Ausschalten der übertragenen Immunzellen. Unser Anspruch ist es, die Zelltherapie universeller für mehr Patienten anbieten zu können. Wir wollen hin zur allogenen Therapie, bei der vom gesunden Menschen Zellen entnommen und verändert werden oder diese auch aus frühen Stammzellen entwickelt werden. Ziel ist es, für den individuellen Therapiebedarf veränderte Zellen zur sofortigen Verfügung bereitzuhaben, statt diese erst mühevoll in einem aufwendigen Prozess herzustellen.
Ziel ist es, für den individuellen Therapiebedarf veränderte Zellen zur sofortigen Verfügung bereitzuhaben, statt diese erst mühevoll in einem aufwendigen Prozess herzustellen.
Wo sehen Sie das größte Potenzial künftiger erfolgreicher Krebstherapien?
Die Immuntherapie ist bereits auf einem anhaltenden Siegeszug in der Krebstherapie. Gerade hier am Forschungsstandort Dresden arbeiten wir daran, die Zelltherapie zu optimieren. Wir wollen das Immunsystem dazu bringen, eine langfristige Heilung zu erreichen. Es gibt hier sicher noch viel zu tun. Im Idealfall sollte es in Zukunft natürlich gelingen, frühzeitig Präventionsstrategien zu entwickeln, um die Häufigkeit von Krebserkrankungen zu reduzieren.
Sie möchten mehr Patienten den Zugang zu klinischen Studien und den damit verbundenen innovativen Therapien ermöglichen. Wie kann das gelingen?
Wir wollen erreichen, dass nicht nur Patienten, die hier im Klinikum zur Behandlung sind, Zugang zu den neuesten Krebstherapien haben. Gemeinsam mit Patientenvertretern sind wir dabei, eine offene Studiendatenbank zu entwickeln, um schnell Kontakte und Zugangsmöglichkeiten herzustellen. Ziel ist es, mit solchen Netzwerken Patienten attraktive Studien anbieten zu können, die auf ihre Krebserkrankung maßgeschneidert sind, in ganz Deutschland, idealerweise auch europaweit.
Weitere Informationen: www.nct-dresden.de
Bildunterschrift:
Im Experimental-OP des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) werden neu entwickelte roboter- und computergestützter Systeme für die Krebschirurgie erprobt. Mithilfe einer Datenbrille werden der Chirurgin situationsbezogen wichtige Informationen eingeblendet – zu genauen Lage des Tumors oder zu Nerven und Gefäßen, die nicht verletzt werden dürfen. Foto: NCT/UCC/André Wirsig
Das Interview führte Nicole Kraß