Krebs

„Ich akzeptiere die Diagnose, aber nicht die Prognose“

Palliativpatientin Christin

Christin ist 34 Jahre alt, Mama – und Palliativpatientin. Viel zu jung, wenn man nach den Statistiken geht. Aber Krebs schert sich nicht um Zahlen. Im Interview erzählt Christin von ihrem Umgang mit der Diagnose.

Christin, Sie waren sehr jung, als Sie die Diagnose Brustkrebs erhalten haben. Wie haben Sie erfahren, dass Sie Krebs haben?

Das war 2019, ich war in der 30. Schwangerschaftswoche. Mein Frauenarzt hat mich sehr schnell ins Krankenhaus überwiesen, aber meine Gedanken kreisten mehr um meine Schwangerschaft als um die Untersuchung. Ein paar Tage später kam das Ergebnis der Biopsie: Brustkrebs. Obwohl ich selbst Krankenschwester bin – damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

Wie ist Ihr Umfeld mit der Diagnose umgegangen?

Sehr gemischt. Alle waren tieftraurig, weil keiner damit gerechnet hatte. Nur mein Schwiegervater sagte später, er habe eine Vorahnung gehabt, als ich den Termin im Krankenhaus hatte. Es gab Menschen, die sich von mir abgewandt haben. Ob aus Überforderung oder aus anderen Gründen, kann ich nicht sagen. Andere, von denen ich dachte, dass es lose Bekannte sind, weil wir uns selten gesehen haben, sind zu echten Freunden geworden.

Eine große Stütze war mein Mann. Er war immer für mich da, ich würde sogar sagen, er hat mir das Leben gerettet. Wir sind seit 18 Jahren ein Paar, ich dachte, wir kennen einander in- und auswendig. Aber diese Situation hat uns noch mal auf einer ganz anderen Ebene miteinander verbunden. Ich habe gemerkt, dass ich mich immer auf meinen Mann verlassen kann. Als unsere Tochter auf die Welt kam, war er da. Er ist direkt zwei Jahre in Elternzeit gegangen, blieb zu Hause und hat mir alles abgenommen, damit ich die Therapien machen kann. Obwohl wir das vor der Diagnose ganz anders geplant hatten.

Ihre Tochter musste früher auf die Welt geholt werden.

Ja, es ging nicht anders. Ich hätte sonst in Kauf genommen, dass der Tumor weiterwächst, und damit meine Überlebenschancen verringert. Das wollte ich nicht, ich wollte und will eine ganz normale Mama für unsere Tochter sein. Eine Woche nachdem unsere Tochter per Kaiserschnitt zur Welt kam, lag ich wieder im OP. Ich habe die Anfangszeit unserer Tochter fast nicht mitbekommen.

Das war sicher nicht einfach für Sie.

Es war anfangs ganz, ganz schwer für mich. Ich konnte kaum darüber reden. Ich dachte immer, ich muss doch für mein Kind da sein! Aber ich musste einsehen, dass ich die Zeit brauche, den Krebs zu bekämpfen, um für mein Kind da sein zu können. Und das alles ging nur, weil ich einen Mann habe, der eingesprungen ist und mir ganz viel abgenommen hat.

Mussten Sie mehrfach operiert werden?

Ja, es blieb nicht bei einer OP. Leider hatte ich so starke Nebenwirkungen von der Chemotherapie, dass ich sie abbrechen musste. Danach stellte sich recht schnell heraus, dass die Therapien bei mir nicht angeschlagen haben. Ich kam Mitte des Jahres 2020 von der Reha nach Hause und freute mich darauf, endlich wieder normal leben zu können – zehn Tage später tastete ich einen neuen Tumor. Dann ging alles von vorne los. Ich erfuhr, dass der Tumor in die Lunge gestreut hatte. Seitdem habe ich die palliative Diagnose.

Wie waren Ihre Gedanken? Was bedeutet die Palliativdiagnose für Sie?

Palliativ bedeutet, dass der Krebs nicht heilbar ist, aber es bedeutet nicht, dass man gleich stirbt. Der Krebs gehört jetzt zu meinem Leben dazu. Ich habe mich daran gewöhnt. Die palliative Diagnose steht auf einem Papier, aber was würde sich ändern, stände sie nicht dort? Ich bekomme eine Immuntherapie, die wirkt. Es geht mir gut. Ich lebe. Und ich bin die Mama, die ich sein wollte. Das ist das, was wichtig ist.

Was ist Ihr Rezept, so positiv zu sein?

Ich habe keins. Mein größter Ansporn sind meine Tochter und mein Mann. Der Krebs hat mein Leben auf den Kopf gestellt und es hat Zeit gebraucht, mich mit der Situa-tion zurechtzufinden. Es gibt auch jetzt immer mal wieder Momente, in denen es mir schlecht geht und in denen ich traurig bin. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Es ist wichtig, auch über Ängste zu sprechen und sich an hoffnungsvollen Geschichten festzuhalten. Man darf die Hoffnung niemals aufgeben.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft?

Dass mein Mann und meine Tochter immer glücklich sind.

Mehr über Christin: instagram.com/our.best.journey
Das Interview führt Miriam Rauh


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