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Biomarker beim Mammakarzinom: Pathologie im Fokus

Annette Lebeau

Prof. Dr. med. Annette Lebeau
Pathologin

Wie kann die Bestimmung von Biomarkern dazu beitragen, dass die Prognose für Brustkrebspatientinnen verbessert werden kann? Zu diesem Thema befragten wir die Pathologin Prof. Dr. med. Annette Lebeau.

Welche Rolle spielen Biomarker für Diagnose und Therapie beim Mammakarzinom?

Die Bestimmung der Biomarker ist grundlegend für die Therapieplanung und gehört für mich als Pathologin zum Basisvorgehen bei einer Erstdiagnose. Auf diese Weise kann man den Tumor näher charakterisieren und so die Grundlage für die optimale Therapie schaffen. Wir klassifizieren Mammakarzinome anhand ihres Wachstumsmusters und auch auf Basis ihrer Proteinexpression. Die vier Grundbausteine, die wir bei Erstdiagnose eines Mammakarzinoms bestimmen, sind die Hormonrezeptoren – der Östrogenrezeptor ER und der Progesteronrezeptor PgR –, dazu die Wachstumsfaktorrezeptoren HER2 und Ki-67. Gegebenenfalls können weitere Biomarker hinzukommen.

Hormonrezeptor-positive Tumoren wachsen hormonabhängig. Entsprechend lässt sich ihr Wachstum durch Hormonentzug verlangsamen oder stoppen. Hat ein Tumor viele HER2-Rezeptoren, was oft mit einem aggressiveren Verlauf einhergeht, kann man eine zielgerichtete, systemische Antikörpertherapie anbieten. Viele HER2-positive Tumoren sprechen so gut darauf an, dass sie komplett verschwinden, wenn die Behandlung vor der Operation begonnen wird. Auch sogenannte triple-negative Tumoren, die keine Östrogen-, Progesteron- und HER2-Rezeptoren haben, können von einer neoadjuvanten Therapie profitieren. Wenn es gelingt, das invasive Karzinom durch die Medikamente komplett einzuschmelzen, verbessert sich die Prognose für die Patientinnen.

Bei einer Metastasierung erfolgt oftmals, wenn möglich, ebenfalls eine Biopsie mit Bestimmung der Marker. Das ist wichtig, um die Diagnose abzusichern und die Rezeptorausstattung der Tumorzellen als Basis für eine zielgerichtete Behandlung zu überprüfen.

Wurden neue Biomarker entdeckt?

Ja. Recht neu in den Fokus gerückt ist das Östrogenrezeptor-1-Gen, ESR1. Der metastasierte Tumor bzw. die Tumorzellen geben kleine DNA-Fragmente an das Blut ab, sodass wir die aktivierende ESR1-Mutation im Blut per Liquid Biopsy nachweisen können. Eine Liquid Biopsy ist keine normale Blutserum-bestimmung, sondern eine neue Form der Biopsie: Das Blut wird in spezielle Röhrchen gegeben und mit sehr empfindlichen Verfahren zur DNA-Analyse aufbereitet, sodass wir Veränderungen in diesen kleinsten molekularen Strukturen identifizieren und diagnostizieren können. ER-positive, HER2-negative Tumoren können unter der Therapie mit Aromataseinhibitoren eine endokrine Resistenz entwickeln. Das heißt, dass diese Medikamente nicht mehr wirksam sind. Verursacht wird eine solche endokrine Resistenz durch ESR1-Mutationen in den Tumorzellen. Bis zu 40 Prozent der Patientinnen mit ER-positivem, HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs weisen eine ESR1-Mutation auf. Wenn diese vorliegt, kann heute ein neues Medikament gegeben werden.

Wird ESR1 auch schon beim Primärtumor bestimmt?

Nein, wir bestimmen den Marker erst im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Zustand. Die ESR1-Mutation entwickelt sich erst unter der endokrinen Therapie und ist deshalb nicht Teil der Bestimmung des Primärtumors.

Warum erfolgt die Bestimmung von ESR1 mittels Bluttest?

Natürlich könnte man diese Mutation auch im Metastasengewebe nachweisen. Allerdings ist eine Biopsie der Metastasen nicht immer möglich. So könnte beispielsweise eine operative Biopsie von Knochenmetastasen dazu beitragen, den Knochen zu destabilisieren, auch kann sie gegebenenfalls sehr schmerzhaft sein. Die Liquid Biopsy ist, wenn man so will, in diesen Fällen die elegante, schonende Alternative. Ohnehin bekommen Patientinnen das neu zugelassene Medikament aktuell nur, wenn die Mutation über eine Liquid Biopsy nachgewiesen wurde. Hier muss man sich an klare Vorgaben halten. Bei neuen Medikamenten sind diese oftmals, wie auch hier, davon bestimmt, wie die Zulassungsstudien angelegt waren; die darin angewandte Technik ist meist auch Grundlage für die Verordnung. Im Fall des neuen Medikaments, das bei einer ESR1-Mutation gegeben werden kann, ist außerdem Voraussetzung, dass bereits eine Erstlinienbehandlung erfolgt ist. Wenn die Krankheit unter der Erstlinienbehandlung fortschreitet, kann das neue Medikament zum Einsatz kommen.

Was bedeutet die neue Therapiemöglichkeit für die Patientinnen?

Ziel der Behandlung von Patientinnen im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium ist es, die Erkrankung über möglichst lange Zeit zu kontrollieren, tumorbedingte Symptome zu verhindern und die Lebensqualität zu erhalten. Das neue Medikament hat in der Zulassungsstudie eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt. Dies bedeutet einen Gewinn an Lebenszeit für die Patientinnen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Portfolio an zielgerichteten Medikamenten und an Biomarkern aktuell rasant wächst. Es ist spannend für uns Pathologen, diese fulminante Entwicklung in puncto Biomarkerdiagnostik begleiten zu können. Durch die molekularpathologische Diagnostik legen wir den Grundstein für die Auswahl der geeigneten Therapien, die zum Einsatz kommen.

Das Interview führte Miriam Rauh

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