Krebs

Leberkrebs – Lernen, lieben, leben.

Babett hat Leberkrebs

Wissen ist nicht nur Macht, es entscheidet oft auch über Leben und Tod. Dr. Babett Baraniec hat das am eigenen Leib erfahren: „Ohne mein Fachwissen wäre ich heute nicht mehr da“, sagt die promovierte Biologin und Medizinpädagogin.

Frau Dr. Baraniec, Sie erkrankten vor elf Jahren an Leberkrebs. Wie kam es zur Diagnose?

Während der zweiten Hälfte meiner Schwangerschaft bekam ich gesundheitliche Probleme. Meine Haut wurde schlecht, ich hatte Schmerzen unter dem Rippenbogen, auch starken Juckreiz. Zunächst wurde dies als hormonell bedingte Veränderungen und als rheumatischer Schub in der Schwangerschaft abgetan. Ich machte Kamillensitzbäder und nahm eine Salbe gegen Schmerzen. Als unsere Tochter etwa vier Monate alt war, hatte ich plötzlich beim Stillen höllische Schmerzen und ging in die Notaufnahme. Ich dachte, ich hätte mir einen Nerv eingeklemmt, aber im Ultraschall konnte man den Tumor sehen. Er war so groß, dass er eingeblutet hatte.

Gab es bei Ihnen besondere Risikofaktoren?

Dem Krebs war weder eine Infektion vorausgegangen noch eine Zirrhose oder eine Fettleber. Ich hatte zwar bereits ein Adenom, einen gutartigen Tumor, in der Leber gehabt. Doch bei Frauen um die 30, die Hormone einnehmen, sieht man ein etwas häufigeres Auftreten von Adenomen. Das Adenom wurde damals minimalinvasiv entfernt; ich habe die Pille abgesetzt, anders verhütet und nicht mehr daran gedacht. Das hepatozelluläre Karzinom HCC, der bösartige Lebertumor, ist in einem neuen Adenom entstanden, das vermutlich durch die Schwangerschaftshormone gewachsen war.

Wie geht es Ihnen heute?

Ich war nie wirklich geheilt. Obwohl ich stabile Phasen habe, gehe ich nicht davon aus, dass ich nie wieder einen Tumor bekomme.
Vor etwa drei Jahren wurden Metastasen in der Lunge gefunden; seitdem bekomme ich eine Immuntherapie, die vieles stabilisiert hat. Mittlerweile sind kaum noch Metastasen in der Lunge nachweisbar. Im vergangenen Dezember hatte ich erneut ein Rezidiv in der Leber. Das war aber sehr klein und konnte gut entfernt werden. An den Stellen, an denen die Immuntherapie nicht wirkt, wird lokal behandelt, zum Beispiel mit stereotaktischer Bestrahlung oder Mikrowellenablation.

Ich glaube, ich habe fast alle Therapien gemacht, die aktuell verfügbar sind. Dass ich zu den Ersten gehöre, die von ganz neuen Therapien profitieren können, ist ein Privileg. Leberkrebs war bislang schwer behandelbar, aber in den letzten Jahren hat sich einiges getan und ich bin zuversichtlich, dass hier vieles folgen wird.

Babett Tochter

„Liebe ist das beste Heilmittel der Welt.“

Spricht man dennoch von einer palliativen Therapie?

Es gibt heute nicht mehr nur „kurativ“ oder „palliativ“; dank neuer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten vollzieht sich ein Wandel. Eine stark wachsende Gruppe von chronisch krebskranken Patienten kann mit ihrer Diagnose sehr lange leben. Das ist eine neue hoffnungsvolle Perspektive für alle Betroffenen. Und es fordert auch ganz neue Versorgungsstrategien im Gesundheitswesen ein. Ein Grund von vielen, warum wir den Krebs Campus gegründet haben. Allerdings ändern sich Begrifflichkeiten und auch die Wahrnehmung in der Gesellschaft nur langsam. Ich selbst bin zwar auf dem Arztbrief palliativ, aber tatsächlich bin ich es nicht: Ich bin chronisch krank.

Sie sagen, ohne Ihr Fachwissen würden Sie nicht mehr leben. Was meinen Sie damit?

Einerseits schreitet die medizinische Entwicklung schnell voran, auf der anderen Seite steht der Ressourcenmangel. Es ist keine Zeit da, Patienten umfangreich zu informieren, zu beraten und zu schulen; Ärzte und Pflegekräfte sind teils sehr überlastet und können gar nicht alles für alle Patienten im Blick haben. Deswegen muss man die Patienten befähigen, sich im Diagnosedschungel und in ihrer Krankheitsgeschichte selbst zurechtzufinden.

Was ist dafür nötig?

Es braucht Anleitung und Wissen. Man muss auch Fehlinformationen erkennen können, um sich zu schützen. Alternative Heilungsmethoden können viel Schaden anrichten. Durch meinen beruflichen Hintergrund hatte ich viel Wissen bzw. wusste, wo und wie ich hilfreiche Informationen bekommen kann. Und ich bin mit Abläufen in Praxen und Krankenhäusern vertraut. Aber jemand, der nicht im medizinischen Bereich tätig ist, hat dieses Hintergrundwissen nicht. Aus diesem Grund gibt es die Patienteninitiative Krebs Campus. Wir möchten, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, sich zu schulen, und wir möchten auch das Thema „Patientenedukation“ mehr in die öffentliche Wahrnehmung bringen. Auf diesem Gebiet bewegt sich aktuell viel. Ich kann nur empfehlen, sich zum Beispiel auch PEAK anzusehen, eine Patientenakademie für Menschen mit Tumorerkrankungen. Die Informations-Versorgung von Tumorpatienten wird zusehends besser.

Welche Rolle spielt Aufklärung?

Patienten, die sich mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen und sich engagieren, haben mehr Kraft und zeigen mehr Compliance. Die Therapien wirken bei ihnen besser. Auch deswegen, weil sie meist mehr über Zusammenhänge wissen. Chemotherapien zum Beispiel vertragen sich nicht mit allen Nahrungsmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln. Sie wirken besser und haben weniger Nebenwirkungen, wenn man das beachtet.

Was würden Sie anderen gerne mitgeben?

Die Medizin macht große Fortschritte. Niemand weiß, auf welcher Seite der Statistik man steht. Hoffnung lohnt sich immer! Bei jeder Diagnose und zu jedem Zeitpunkt. Mir liegt auch sehr am Herzen, dass Krebspatienten merken und verstehen, dass wir gerade mitten in einer neuen und sehr hoffnungsvollen Zeit leben. Die Medizin macht große Sprünge. Auch wird die Versorgung für uns Langzeitüberlebende mit sehr viel Engagement von Betroffenen, Ärzten und Organisationen zusammen verbessert.

Mehr von Babett: instagram.com/krebs_campus
Das Interview führte Miriam Rauh

 

 

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