Seltene Erkrankungen

„Niemand nahm mich ernst“

Sarah3

Charleen-Sarah ist 17 Jahre alt und seit ihrer Geburt schwer krank. Bisher hat sie diverse Diagnosen erhalten, aber richtig helfen konnte ihr niemand. Für uns hat sie ihre Leidensgeschichte aufgeschrieben.

Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich bereits drei Tage nach meiner Geburt einen Atemstillstand hatte, was sich dann noch dreimal wiederholte. Erinnerungen an meine Kleinkindzeit sind immer auch mit Kabeln und Geräten verbunden, die anfingen zu piepsen, wenn ich aufhörte zu atmen. Kein Arzt wusste, was der Grund für die Atemstillstände war. Sie machten dutzende Untersuchungen mit mir – ohne Erfolg.

Seit meiner Geburt bin ich auch hypermobil. Anstatt meine Trinkflasche mit den Händen zu halten, habe ich meine Füße benutzt. Meine Beine konnte ich problemlos hinter meinen Kopf bekommen. Als ich älter wurde ging ich zum Turnen und Tanzen – ich war ein richtiges Zirkusmädchen. Ich kann, ohne mich zu dehnen rückwärts in die Brücke und meinem Oberkörper auf den Boden legen, sodass ich durch meine Beine schauen kann und vieles andere mehr. Ich kann auch mit meinen Füßen schreiben und Klavierspielen. Meine Eltern haben nie gedacht, dass etwas mit mir nicht stimmen könnte. Sie sahen das als Talent und waren sehr stolz darauf.

Ich hatte immer wieder Bauchschmerzen.

Das waren die positiven Dinge in meiner Kindheit. Leider hatte ich aber auch ständig Bauchschmerzen. Wenn es wieder so weit war, halfen nur Kühlakkus, die ich mir auf den Bauch legte. Leider nahmen mich die Ärzte nie ernst. Sie sagten, dass es am Wachstum liegt oder an daran, dass ich frühpubertär wäre, weil ich bereits mit 9 Jahren meine Periode bekam.

Charleen-Sarah musste unzählige Untersuchungen über sich ergehen lassen. Viele Ärzte zweifelten an ihrer psychischen Gesundheit.

2017 bekam ich dann meine Diagnose:  unklare Herzrhythmusstörungen“. 2018 bekam ich den 4. Atemstillstand in der Schule, aber wieder konnte sich das niemand erklären. Es ging wieder los, dass ich dutzende Untersuchungen machen musste. Ohne Erfolg, niemand fand etwas, dass die Atemstillstände erklärte.

Da ich es nicht anders kannte, hatte ich für mein Empfinden eigentlich ein normales Leben. Klar waren da die Bauchschmerzen und die Probleme mit den Atemstillständen, aber ich wollte auch normal sein. Ich habe meinen Führerschein gemacht, in die 11. Klasse fürs Abitur gelernt und war viel mit Freunden unterwegs – eigentlich wie jeder andere. Eigentlich …

Der 25.12.2021 war mein Schicksalstag.

Heiligabend letztes Jahr war ich mit meiner Familie schön essen und einen Tag später war mein persönlicher Schicksalstag. Ich habe mich den ganzen Tag über erbrochen – über 12 Mal. Ich konnte nicht mal einen Schluck Wasser trinken. Drei Tage blieb mein Zustand unverändert.  In diesen Tagen habe ich massiv abgenommen und dann ging plötzlich gar nichts mehr: 24/7 Übelkeit, Bauchschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Ohnmachtsanfälle, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Atemnot, Gelenkschmerzen – mein Körper funktionierte einfach nicht mehr.

Anfangs dachten meine Eltern, das sei psychosomatisch, weil ich etwas Stress in der Schule hatte. Doch als ich mich auch nicht mehr mit Freunden treffen wollte und meine Lebensfreude immer mehr verlor, wussten sie, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Es begann wieder ein Ärztemarathon. Mir wurden zahlreiche Medikamente verschrieben, aber nichts half. Im Januar war es so schlimm, dass ich mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht werden musste. In der Notaufnahme nahm mich niemand wirklich ernst, obwohl ich Atemnot und einen Puls von 160 hatte. Sechs Stunden warte ich, bis ich an der Reihe war. Die Ärztin schob es auf Magen-Darm und schickte mich nach Hause. Es wurde schlimmer und schlimmer. Am nächsten Tag fuhren wir zu meinem Internisten, der einen Ultraschall machte und Blut abnahm, doch auch er fand nichts, außer dass mein Blut etwas dick war. Er verschrieb mir ein Beruhigungsmittel. Immer mehr Ärzte versuchten meinen Gesundheitszustand auf die Psyche zu schieben.

Die Ärzte hielten mich für psychisch krank.

Zum Glück sahen meine Eltern das nicht so und weiter ging es von einem Arzt zum anderen. Ich nahm immer mehr ab, konnte maximal ein trockenes Brötchen am Tag essen. Schließlich wies mich die Hausärztin meiner Eltern stationär ins Krankenhaus ein. Dort wurde eine Magenspiegelung gemacht. Die zeigte dann, dass mein Magen sich nicht mehr bewegt. Eine Woche später musste ich dann eine Magenszintigraphie machen die zeigte „hochgradige verzögerte Magenentleerung“, also Gastroparese. Das war im März. 

Ich musste die Schule abbrechen.

Ich musste die Schule abbrechen und sah seit März kein einziger Freund mehr. Die Ärzte verschrieben mir verschiedene Medikamente, die nicht halfen. Ich hatte nur noch mehr Probleme als vorher.

Im Mai bekam ich dann wieder eine Operation an meinem Magen/Pförtner, wo dann der Pförtner auf 20 Millimeter gedehnt wurde. Es brachte nichts, außer dass die Operation mit Komplikationen verlief.

Es wurde alles immer und immer schlimmer. Die Schmerzen und alles andere, es kamen immer mehr Symptome dazu. Ich war der Meinung, dass ich etwas anderes haben muss, das Gastroparese niemals solche ganzen Symptome machen kann, aber alle Ärzte erklärten mich nur für verrückt. Niemand nahm mich ernst, ich war eine „Schizophrenierende“.

Ich klammerte mich an die Beine meiner Mutter und schrie, dass ich nicht sterben will.

Als ich dann nochmals bei einem anderen Arzt im Krankenhaus war, meinte dieser „Wenn ich sterbe, habe ich ja keine Schmerzen mehr“. Es war für mich einer der schlimmsten Tage, ich fiel im Flur auf den Boden und umklammerte die Beine meiner Mutter und schrie, dass ich nicht sterben möchte. Dieses Gefühl, das man alleine ist und kein Arzt einen ernst nahm war schlimm und ist es bis heute immer noch.

Ich wog im Dezember 2021 so um die 73 Kilo und seit meiner Krankheit kam ich dann auf 42 Kilo. Ich hatte mich fast halbiert.

Dank Professor Dr. Scholbach kann Charleen-Sarah wieder lachen.

Im September fuhren wir für drei Tage nach Leipzig, zu dem Spezialisten Professor Dr. Scholbach. Und was sich dort alles ergeben hat, war der Wahnsinn. Auch auf meinen MRT-Bildern konnte man es sehen. Mir wurde gesagt, dass ich sehr krank sei und man jetzt handeln muss, denn das Gefühl das der Körper langsam stirbt und den Geist aufgibt, war nicht nur ein Gefühl. Als ich das hörte, war ich schockiert und erleichtert zugleich. Endlich nahm mich jemand ernst und wollte mir helfen. Dafür sind meine Familie und ich Professor Dr. Scholbach von ganzem Herzen dankbar.

Meine Diagnosen:  POTS, Gastroparese, hypermobil, Vermutung Ehlers-Danlos Syndrom, eine sehr ausgeprägte Lordose, Dunbar Syndrom, Nussknacker Syndrom, May Thurner Syndrom, Pelvic Congestion, Mittellinien Yyndrom, eine Senkniere rechts, Kompression des Magenausgangs, Herzrhythmusstörungen, meine Atemstillstände.

Ich hoffe, dass ich bald operiert werden kann, nur dann wird mein Leben vielleicht irgendwann wieder normal.

Wie es bei Charleen-Sarah weitergeht, können Sie auf
www.instagram.de/charleenwithcompression verfolgen

 

Diesen Artikel hat Charleen-Sarah geschrieben.

 

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