Neurologische Erkrankungen

„Ich schäme mich nicht mehr für meine Epilepsie“

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Bastian ist 19 Jahre alt, als er die Diagnose idiopathische Epilepsie erhält. Von einem Tag auf den anderen ist sein Leben nicht mehr das gleiche. Aus Angst vor Ausgrenzung verschweigt er lange seine Erkrankung. Heute spricht Bastian offen darüber, denn er möchte anderen Betroffenen Mut machen.

Du bist von Epilepsie betroffen. Wie hat sich die Erkrankung bei dir bemerkbar gemacht? Welche Symptome hattest du?

Bei mir hat es damals damit begonnen, dass ich einfach so im Alltag anfing aus irgendeinem Grund mit meinen Armen zu zucken. Nachdem dies ein paar Mal passiert ist, bekam ich ein komisches und unsicheres Gefühl, da ich es mir nicht erklären konnte. Vor allem, nachdem ich wiederholt Dinge wie Gläser oder Teller fallen ließ.

Wann und wie wurde die Erkrankung bei dir diagnostiziert?

Bei mir wurde die Epilepsie 2020 im Alter von 19 Jahren diagnostiziert, nachdem ich von meinem Hausarzt auf eine Vermutung hin zur Untersuchung zu einem Neurologen überwiesen wurde. Nach einem MRT und einem EEG legte sich der Arzt dann fest und gab mir die Diagnose einer idiopathischen Epilepsie, was bedeutet, dass ich eine Epilepsie mit unklarem Auslöser habe.

Wie bist du damit umgegangen und wie hat dein Umfeld, deine Familie darauf reagiert?

Es war für mich lange ein Thema, welches ich nicht angesprochen habe, da ich Angst davor hatte, ausgestoßen zu werden. Oft genug habe ich davon gehört, dass Menschen mit verschiedensten Erkrankungen von ihren Freunden oder Bekannten einfach fallengelassen worden sind, da leider viel zu oft Erkrankungen direkt mit einer Behinderung assoziiert werden, und viele damit nicht umgehen können. Auch selbst bin ich jahrelang nicht wirklich damit zurechtgekommen, wie ich jetzt damit umgehen soll und ob ich es ansprechen soll.

Meine Familie, vor allem meine Mama und mein Bruder waren von Anfang an immer für mich da und standen hinter mir. Andere Teile der Familie und Bekannten haben immer mehr Abstand genommen, was ich sehr traurig fand.

Hat die Diagnose dein Leben verändert?

Die Diagnose hat mein Leben auf jeden Fall verändert, da ich lange bei allen Dingen, die ich unternommen habe, nachgedacht habe, ob ich jetzt einen Anfall bekommen könnte bzw. ob dies ein Auslöser sein könnte. Meistens bei Tätigkeiten, die mich weiter an meine körperlichen Grenzen gebracht haben oder mich anderweitig beeinträchtigt haben, wie z. B. Sport, Feiern gehen oder einfach so bei Veranstaltungen mit sehr vielen Menschen oder eher hektischem Umfeld.

Fühlst du dich medizinisch gut betreut und wie wirst du behandelt?

Ja, ich fühle mich medizinisch gut betreut. Ich bekam direkt eine Aufklärung, wo ich mich für genauere Infos melden kann und meine Medikamente. Meine Behandlung besteht darin, dass ich täglich morgens und abends eine Tablette nehmen muss, welche dafür sorgen, dass sich die Nervenzellen im Gehirn beruhigen und nicht so schnell überreizen lassen.

Du sagst, es fällt dir immer noch schwer über deine Erkrankung zu sprechen. Warum?

Vor allem in neuem Umfeld ist es für mich schwierig, offen darüber zu sprechen, weil es so verschieden angenommen wird. Auch wird oft von Menschen behauptet, dass sie selbst wissen, wie sie sich verhalten müssen, wenn man wirklich einen Anfall hat. Jedoch wird es immer leichter, da ich immer mehr verstehe, dass ich mich dafür nicht schämen muss und anderen Menschen und auch mir selbst damit helfen kann, wenn ich darüber spreche.

Warum hast du dich entschieden jetzt offen damit umzugehen?

Ich bin einfach erleichtert, wenn ich darüber spreche, da es auch ein wenig Sicherheit bietet, wenn die Menschen im direkten Umfeld Bescheid wissen, da man ihnen dann auch sagen kann, was zu tun ist, wenn man einen Anfall hat. Auch mache ich mir selbst Mut damit und kann auch Menschen mit derselben Diagnose oder auch anderen Erkrankungen Mut geben, da sich niemand eine Erkrankung aussucht und somit auch nichts dafür kann.

Was wünscht du dir bzgl. unsichtbarer Erkrankungen von der Gesellschaft?

Es soll offener damit umgegangen werden und nicht direkt als Behinderung angesehen werden. Egal welche Erkrankung, es bedeutet nicht automatisch, dass, wenn man eine Erkrankung hat, dass man in irgendeiner Weise eingeschränkt ist. Manchmal hilft es einfach, geregelten Schlaf zu haben oder sich ein sicheres, verständliches Umfeld aufzubauen, da man viel ruhiger im Alltag ist und so eine Überreizung unwahrscheinlicher wird.

Was möchtest du anderen Betroffenen raten?

Egal, welche Erkrankung Du hast, schäme Dich nicht dafür, denn Du hast es Dir nicht ausgesucht!

Sage es auch unbedingt den Menschen, mit denen Du regelmäßig Kontakt hast und denen Du vertraust, denn dann wissen sie auch, wie sie damit umgehen müssen, wenn es einen Vorfall geben sollte, wenn sie anwesend sind. Dabei baust Du Dir Selbstvertrauen und auch Sicherheit auf, die Dir sehr guttun kann. Und wenn Du mental nicht weißt, wie Du damit umgehen sollst, dann rede unbedingt mit jemandem. Sei es ein Freund, ein Familienmitglied oder auch dafür ausgebildete Menschen. Auch, wenn leider oft noch gesagt wird, dass, wenn Du selbst alleine nicht klarkommst, du schwach bist, zeigt es meiner Meinung nach wahre Stärke, sich jemandem anzuvertrauen.

Das Interview führte Emma Howe


So leistest du Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

  • Lasse die Betroffenen niemals allein. Es sei denn, du bist die einzige Person, die Hilfe holen kann.
  • Polstere den Kopf der Betroffenen mit einer Jacke oder einem Kissen und bringe alle Gegenstände, an denen sich die krampfende Person verletzen könnte, außer Reichweite.
  • Niemals solltest du die Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken. Es besteht Verletzungsgefahr für dich und die Betroffenen.
  • Schau auf die Uhr. Ein Anfall dauert in der Regel etwa ein bis zwei Minuten. Hört dieser nach spätestens 5 Minuten nicht auf, musst du unbedingt einen Notarzt unter 112 rufen. Es könnte sich um den sogenannten „Status epilepticus“ handeln, der mit Medikamenten unterbrochen werden muss, weil es sonst zu bleibenden Hirnschäden bis hin zum Tod kommen kann.
  • Halte die Atemwege frei. Wenn die Kleidung am Hals oder am Oberkörper eng sitzt, dann lockere sie. Es kann passieren, dass die Betroffenen sich auf die Zunge beißen. Das ist nicht schön, trotzdem solltest du nicht den Mund öffnen oder etwas zwischen die Zähne schieben,
  • Nach dem Anfall ist es wichtig, dass die Atemwege der Betroffenen frei bleiben. Bringe die Person in die stabile und bleibe bei ihr, bis sie vollständig bei Bewusstsein ist und sich wieder gut fühlt. Denn nach einem Anfall benötigen die meisten Menschen etwas Zeit, um wieder voll zu sich zu kommen. Sorge für Privatsphäre, denn den Betroffenen ist es meistens peinlich, besonders in der Öffentlichkeit. Es kann auch passieren, dass sie während des Anfalls etwas Urin verlieren. Decke sie zu, notfalls mit einer Jacke, um sie warm zu halten und vor neugierigen Blicken zu schützen.

Quelle: www.malteser.de

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