Ute ist 51 Jahre alt, steht mitten im Berufsleben, ist sportlich aktiv und fühlt sich kerngesund. Wie aus dem Nichts trifft sie daher die Diagnose Brustkrebs. Damit nicht genug, leidet sie ausgerechnet an der seltenen und aggressivsten Form: triple-negativ. Wie der Krebs entdeckt wurde, wie sie diesen radikalen Einschnitt erlebt und woher sie ihre große Zuversicht nimmt, erzählt sie im Interview.
Ute, im März wurde bei dir Brustkrebs diagnostiziert. Wie kam es dazu, hattest du selbst einen Verdacht?
Nein, überhaupt nicht. Ich wurde mit 51 Jahren erstmals zum Mammografie-Screening eingeladen. Da ich selbst nie etwas ertastet habe und auch vorher regelmäßig über meinen Frauenarzt Mammografien erhalten hatte, war es für mich ein Routinetermin.
… der dann aber der Beginn zahlloser Untersuchungen und schlechter Nachrichten war.
Ja, zunächst bekam ich einen Brief vom Screening-Zentrum, dass eine Auffälligkeit festgestellt wurde und ich zu einer zusätzlichen Ultraschalluntersuchung kommen solle. Ich habe mir keine ernsthaften Gedanken gemacht, weil ja nur bei sehr wenigen Frauen ein bösartiger Tumor bestätigt wird. Trotzdem beschlich mich am Tag selbst ein komisches Bauchgefühl, sodass ich wollte, dass mein Mann mich begleitet. Der Radiologe fand dann tatsächlich zwei Knoten in meiner rechten Brust und machte mir wenig Hoffnung, dass es sich um gutartige Karzinome handeln könnte. Das war ein Schock. Bei der wenige Minuten später erfolgten Stanzbiopsie wusste ich gar nicht, was da gerade für ein Film abläuft. Ich lag da weinend mit nacktem Oberkörper und habe nur noch gezittert. Ich befand mich von jetzt auf gleich in einem völlig absurden Leben.
Erinnerst du dich an die Worte des Arztes in dieser „unwirklichen“ Situation?
Der Radiologe sagte: „Da kommt jetzt ein langer Behandlungsweg auf Sie zu, vielleicht auch eine Chemotherapie.“ Für seine Offenheit war ich ihm dankbar, denn so konnte ich mich auf den Tag der Diagnose vorbereiten. Ich informierte mich über die verschiedenen Krebsformen und hoffte inständig, dass es sich nicht um sogenannte triple-negative Tumoren handelte, eine seltene und sehr aggressive Brustkrebsform, die eine systemische Chemotherapie verlangt.
Aber genau so kam es dann …
Ja, ich gehöre leider der kleinen Gruppe von Brustkrebspatientinnen an, die an dieser Form erkrankt sind. Sie betrifft nur zehn bis 15 Prozent der Patientinnen.
Was ging in dir vor, als du das erfahren hast?
Die Diagnose war der Worst Case und hat mich natürlich richtig umgehauen, aber zu dem Zeitpunkt war ich schon auf alles gefasst. Viel stärker hat mich die einwöchige Wartezeit belastet. Ich wollte einfach nur Klarheit und wissen, was jetzt zu tun ist.
Aber es gab dann auch gute Nachrichten.
Ja, aber zunächst gab es noch eine schlechte. Bei der Erstvorstellung im Uniklinikum wurden weitere kleine Tumoren im Umfeld entdeckt, ein ausgeprägtes multifokales Karzinom, das sich über ein Drittel der Brust ausgebreitet hatte. Daraufhin rollte die ganze Untersuchungsmaschinerie an, was aufgrund des ersten Befunds eigentlich nicht vorgesehen war. Glücklicherweise waren kein Lymphknotenbefall und keine Fernmetastasen an Organen oder Knochen sichtbar, was eine riesige Erleichterung war.
Das Screening und die frühe Erkennung haben mir wahrscheinlich das Leben gerettet.
Die Nachricht erhielt ich an meinem ersten Chemotherapietag und ich spürte enorme Dankbarkeit. Denn in diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass mir das Screening und die frühe Erkennung wahrscheinlich das Leben gerettet hatten.
War das der Moment, an dem du dir gesagt hast, das schaffe ich?
Das war seit Langem noch einmal eine gute Nachricht, aber nicht der Auslöser für mich, die Herausforderung Krebs anzunehmen. Aufgeben war von Anfang an keine Option.
Woraus hast du diesen Mut und deinen Optimismus geschöpft?
Ich habe eine gute Grundkonstitution und keine Vorerkrankung. Dieses Bewusstsein verleiht mir neben physischen Kräften auch eine gewisse mentale Stärke. Ich weiß heute, dass ich gesund gelebt habe, um Krankheiten zu überstehen, und nicht, um sie zu vermeiden.
In den ersten Wochen haben mir Podcasts von Betroffenen und Fachärzten prima dabei geholfen, mich mit der Situation zu arrangieren.
Meine Zuversicht hat definitiv aber auch viel mit den Ärztinnen und Ärzten im Brustzentrum zu tun, die mich vom ersten Tag an umfassend aufgeklärt und mir die therapeutischen Optionen aufgezeigt haben. Ich wurde schonungslos über mögliche Nebenwirkungen informiert, aber eben auch über die guten Erfolgsaussichten der auf meinen speziellen Krebs ausgerichteten Therapie. Außerdem wurden alle meine Fragen mit großer Geduld und sehr einfühlend beantwortet. So fühlt man sich gut aufgehoben und hat Vertrauen in die Therapie, was meiner Meinung nach eine unglaublich wichtige Voraussetzung für die vollständige Heilung ist.
Darüber hinaus habe ich mich aber auch selbst sehr intensiv mit der Erkrankung und deren Behandlung auseinandergesetzt und so gelernt, was ich selbst beitragen kann – etwa regelmäßige Bewegung, die die Nebenwirkungen der Chemotherapie ausbremsen kann. Ich selbst bin mein bester Experte geworden, und das gibt mir Sicherheit. Sich umfassend über seriöse Quellen zu informieren, würde ich jeder Patientin raten.
Wie wurde deine Therapie ausgestaltet?
Wegen der aggressiven Tumorbiologie wurde festgelegt, dass zuerst zwei verschiedene Chemotherapien erfolgen sollen, die sich insgesamt über ein halbes Jahr erstrecken. Erst danach wollte man über die Art der Operation und der Nachbehandlung – ob Bestrahlung oder eine weitere Chemotherapie – entscheiden.
Wie verkraftest du die Chemotherapie bislang, wie belastend ist sie für deinen Alltag?
Die ersten zwölf von 16 Chemowochen habe ich ohne größere Ereignisse überstanden. Bis auf die Übelkeit, die man dank neuer Medikamente heute gut in den Griff bekommt, bin ich verhältnismäßig gut zurechtgekommen und konnte sogar weiter arbeiten. Als sehr unangenehm empfinde ich nach wie vor den vierten Tag nach der Chemogabe, weil ich wegen des Kortisonabfalls in ein körperliches und mentales Loch falle. Ansonsten ist mein Alltag relativ normal, mittlerweile trage ich auch draußen keine Perücke oder Mütze mehr. Ich habe gemerkt, dass mein offener Umgang mit der Situation nicht nur mir, sondern auch meinem Umfeld hilft.
Aber nach Wochen der Chemo gab es dann doch noch einmal einen „Nackenschlag“.
Das kann man so oder so sehen. Bei der Diagnose „triple-negativ“ wird in der Regel eine Blutprobe für eine genetische Untersuchung entnommen, so auch bei mir. Es wurde festgestellt, dass ich Träger eines mutierten BRCA-Gens bin, der Krebs also erblich bedingt ist – auch hier lag die Wahrscheinlichkeit bei unter zehn Prozent. Das bedeutet zwar einerseits, dass die Operation deutlich umfassender ausfallen wird, andererseits kann man auf diese Weise einem Rezidiv wirksam vorbeugen und sich in Zukunft sicherer fühlen.
Ist ein solcher Gentest Formsache?
Die genetische Abklärung ist nicht obligatorisch, man muss explizit einwilligen. Das war für mich aber absolut kein Thema, weil ich eine Tochter habe, die natürlich die Möglichkeit haben muss, sich ebenfalls testen zu lassen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Meiner Meinung nach sollten diese richtungsweisenden Tests viel häufiger angeboten werden.
Wie geht es jetzt für dich weiter?
Ich hoffe zunächst einmal, dass ich die kommenden Einheiten der zweiten, etwas schwierigeren Chemo wie vorgesehen wahrnehmen kann und sie sich nicht aufgrund schlechter Blut- oder Herzwerte verzögert. Danach müssen die Einzelheiten der OP geklärt werden, aber wegen meiner Genmutation wird es auf eine beidseitige Mastektomie hinauslaufen. Auch die Eierstöcke müssen entfernt werden, weil auch sie ein erhöhtes Krebsrisiko aufweisen. Danach soll sich eine einjährige Chemotherapie in Tablettenform anschließen, um eventuell im Körper schlummernden Krebszellen den Garaus zu machen.
Ein langer Weg!
Ja, das erfordert auf jeden Fall eine gewisse Ausdauer und ich bin phasenweise wirklich genervt von dem, was noch vor mir liegt. Aber ich bin bereit, alles zu tun, um wieder gesund zu werden. Dank der immer weiter fortschreitenden Forschung gibt es für alles ein Therapieangebot, selbst für den Triple-negativ.
Autor: Joseph Lammertz
Foto: privat