Brustkrebs

„Von Schmerz zu Stärke“

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Anastasiia war in der 32. Schwangerschaftswoche, als sie die Diagnose Brustkrebs erhielt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Krebs bereits gestreut und es begann ein Kampf um zwei Leben – ihr eigenes und das ihrer Tochter. Wie sie diese Zeit erlebt hat und mit welchen Nebenwirkungen sie bis heute kämpft, erzählt sie im Interview.

Wann hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Ich führte regelmäßig Selbstuntersuchungen meiner Brust durch. Dadurch entdeckte ich 2019 einen gutartigen Knoten, ein Fibroadenom, das dann aus der Brust entfernt wurde. Ende Dezember 2021 wurde ich schwanger und rund zwei Monate später bemerkte ich erneut einen Knoten in meiner Brust. Die Haut wurde hart, meine Brustwarze begann sich leicht einzuziehen und die Hautstruktur veränderte sich. Meine Frauenärztin machte einen Ultraschall, ging danach von einer Entzündung aus und verschrieb Antibiotika. Genommen habe ich das nicht, weil ich mir Sorgen um mein Baby machte. Im Laufe der nächsten Wochen wurde die Brust immer größer, veränderte ihre Form, die Haut wurde dunkler, hatte Dellen, starke Schmerzen und unangenehmes Kribbeln kamen hinzu. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass etwas nicht stimmt. Ich vereinbarte einen Termin im Diakoniekrankenhaus Freiburg, wo mir bereits das Fibroadenom entfernt wurde, und bekam zwei Monate später einen Termin.

Kam es dann zur Diagnose Brustkrebs?

Als ich im Krankenhaus ankam und die Chirurgin meine Brüste untersuchte, bemerkte ich einen sehr seltsamen Blick in ihren Augen, doch sie sagte nichts. Ich machte einfach weiter. Wir suchten einen Namen für unser Baby aus und freuten uns darauf, bald eine Familie zu sein. Doch dann, am 1. August 2022, bekam ich einen Anruf und mir wurde mitgeteilt, dass ich Brustkrebs habe. Damals war ich in der 32. Schwangerschaftswoche.

Dann sollte alles ganz schnell gehen.

Da der Krebs bereits in die Lymphknoten gestreut hatte, wollten die Ärzte schnell handeln. Man sagte mir, dass ich sofort entbinden müsse, wenn ich überleben will. Die Prognose war düster, aber ich ignorierte meinen Zustand und hoffte auf ein Wunder. Ich wollte auf die Wehen warten und natürlich gebären. Die Angst um mein Kind war größer als die Angst um mich. Eines Tages fragte mich mein Verlobter, ob es nicht besser wäre, die Wehen einleiten zu lassen, als ihren ersten Geburtstag nicht zu erleben. Dieser Satz öffnete mir schlagartig die Augen – ich wollte, dass mein Kind eine Mama hat.

Wie ging es weiter?

Wir sprachen mit der Ärztin und beschlossen, auf die 36. Schwangerschaftswoche zu warten, da unsere Tochter dann von allein atmen kann und keine Maschinen zum Überleben braucht. Der Plan funktionierte: Ich brachte mein gesundes Mädchen zur Welt.
Ich funktionierte wie eine Maschine, ging vorwärts und schaute nicht zurück. Ich hielt ein Neugeborenes im Arm, das gerade einmal 2.560 Gramm wog. Trotz meiner Schmerzen, Ängste und Nebenwirkungen habe ich versucht, ihr immer eine gute Mutter zu sein. Und ich bin meiner Mutter unendlich dankbar, dass sie ihren Beruf und ihr eigenes Leben aufgegeben hat, um mich in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Sie war Tag und Nacht bei unserer Tochter, und auch mein Verlobter hat geholfen, wo er nur konnte.

Bisher ist das ganze Leben meiner Tochter mit meinen Behandlungen verbunden. Ich erinnere mich, wie krank ich mich fühlte, wenn wir sie badeten, wie krank ich mich fühlte, wenn ich versuchte, sie ins Bett zu bringen, wie ich mit jeder weiteren Chemotherapie an Kraft verlor und versuchte, weiter zu funktionieren. Ich war gerade eine Mama geworden und musste gleichzeitig um mein Leben kämpfen.

Welche Therapien hast du bekommen?

Da der Krebs bereits fortgeschritten und der Tumor schwer zu differenzieren und in seiner Größe zu bestimmen war, begann die Behandlung mit einer Chemotherapie, gefolgt von Operation, Bestrahlung, Antikörpertherapie und Antihormontherapie.

Wie hast du diese Zeit wahrgenommen?

In dieser Zeit fühlte ich mich wie ein toter Körper, den ich immer wieder aufrichten musste. Jeder Tag war eine Herausforderung für mich, und ich lernte, nicht mehr so viel von mir zu verlangen wie früher. Zudem haben mich die Nebenwirkungen komplett aus der Bahn geworfen.

Welche Nebenwirkungen hattest du?

Je mehr Zyklen ich durchmachte, desto mehr Nebenwirkungen hatte ich. Meine Haare fielen am ganzen Körper aus und bereits nach dem dritten Zyklus konnte ich mein Kind nicht mehr ins Bett legen, weil sich meine Beine und Arme wie Watte anfühlten und gleichzeitig brannten wie Feuer. Meine Chemotherapie war aggressiv, sowohl in der Zusammensetzung als auch in der Dosierung. Ich konnte nicht mehr richtig laufen, war immer müde, teilweise sogar apathisch und mir war ständig schwindelig.

Mein ganzer Körper war trocken – Augen, Nase, Füße, Beine, Bauch, Achseln. Meine Haut war so trocken, dass es wehtat, mich zu bewegen, die Arme zu heben oder die Beine zu beugen.

Hinzu kamen: Wassereinlagerungen, Rötung des Gesichts, Hitzewellen, Blähungen, Durchfall, Magen- und Darmschmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit.

Wie bist du damit umgegangen?

All diese Nebenwirkungen, die Tag für Tag auftraten und auch heute noch auftreten, sind zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden. Ich sehe sie als Weg, meine Gesundheit wiederzuerlangen. Es ist wichtig zu wissen, warum man das alles macht. Meine Tochter ist für mich zu dieser Motivation geworden. Jedes Mal, wenn ich sie betrachte, wird mir bewusst, dass ich hier und jetzt alles ertragen muss, um sie aufwachsen zu sehen. Ich darf sie nicht verlassen, ich muss bei ihr bleiben – das habe ich mir immer wieder ins Bewusstsein gerufen.

Was hast du gegen die Nebenwirkungen unternommen?

Ich habe immer eine kleine Notfallapotheke in meiner Handtasche. Sie enthält Tabletten gegen Übelkeit und Durchfall, Schmerzmittel, Creme gegen trockene Haut, Tabletten gegen Magenschmerzen, Nasenspray, Augentropfen und Augensalbe.
Es waren viele kleine Hinweise, die mir mein Körper gab, und ich lernte, sie zu deuten. Ich lernte, mich schnell aufzusetzen, wenn mir schwindelig wurde, und tief zu atmen, wenn mir übel war. Ich lernte, mich hinzusetzen, wenn mir heiß war, oder innezuhalten, wenn mein Gesicht zu erröten drohte.

Was möchtest du anderen betroffenen Frauen bezüglich der Nebenwirkungen raten?

Hören Sie auf Ihren Körper. Manchmal gibt es Momente, in denen die Pillen nicht helfen. Das können seelische Schmerzen, Ohnmacht oder Apathie sein. Mein Tipp: Lassen Sie sich helfen – von Ärzten, Freunden und der Familie. Versuchen Sie, Ihre Emotionen in Worte zu fassen und, ganz wichtig: Ihr Körper wird erschöpft und ausgelaugt sein, erlauben Sie sich, dies zu erkennen und so zu akzeptieren, wie es ist.

Wie geht es dir heute?

Meine Therapie geht weiter und der Kampf um ein normales Leben hört nicht auf. Kürzlich wurde bei einem Herztest festgestellt, dass sich meine Herzfunktion verschlechtert hat. Deshalb wurde die Antikörpertherapie unterbrochen, um eine langfristige Verschlechterung des Herz-Kreislauf-Systems zu vermeiden. Mein Körper ist schwach, ich leide am Fatigue-Syndrom. Meine Augen haben während der Therapien so gelitten, dass ich teilweise sehr schlecht sehe. Meine Haut hat sich auch noch nicht erholt – der ganze Körper fühlt sich nach wie vor trocken an – Hals, Haut, Scheide. Das macht auch vor der Libido nicht halt, was ein normales Eheleben erschwert. Doch ich bin jetzt in der Phase der Erkenntnis. Ich arbeite mit einem Psychologen zusammen, gehe meine Probleme an, lerne, auf mich und meinen Körper zu hören und Schwäche zu akzeptieren. Jeden Tag kämpfe ich mit den Folgen der Krankheit und versuche, sie dankbar anzunehmen, weil ich noch lebe.

Mehr über Anastasiia erfahren Sie auf: www.instagram.com/winsome_jill

Autor: Leonie Zell
Foto: privat

 

 

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