Seltene Erkrankungen

Myasthenia gravis – Immer besser behandelbar

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Dr. Andreas Funke
Facharzt für Neurologie

Myasthene Krisen sind gefürchtet, aber man kann Myasthenia gravis heute auch ambulant gut behandeln, sagt der Neurologe Dr. Andreas Funke. Voraussetzung dafür ist, dass man die Erkrankung schnellstmöglich richtig diagnostiziert und sich nach Möglichkeit mit Zentren vernetzt.

Herr Dr. Funke, was für eine Erkrankung ist die Myasthenia gravis?

Die Myasthenia gravis geht mit einer belastungsabhängigen Muskelschwäche einher. Patienten berichten oft, dass die Kraft der Muskeln bei verschiedenen Bewegungen nachlässt, und auch, dass sie im Tagesverlauf zunehmend müder werden. Bei dieser Erkrankung kommt es durch die Funktionsstörung eines Rezeptors, des Acetylcholinrezeptors, der die Übertragung von Nerven auf den Muskel steuert, zu einer erhöhten Ermüdbarkeit der Muskulatur: Für die Übertragung von Nerven auf den Muskel braucht man einen Transmitter – Acetylcholin. Entscheidet das Gehirn, die Muskeln anzuspannen, dann wird zwischen Nerv und Muskel Acetylcholin ausgeschüttet. Bei der Myasthenia gravis hat der Körper Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor gebildet. Wenn dieser Rezeptor außer Kraft gesetzt ist, kann das Acetylcholin nicht mehr so gut wirken und die Muskeln können nicht mehr arbeiten.

Wie ist der Verlauf?

Es gibt verschiedene Varianten und auch sehr verschiedene Verläufe. Wir beobachten zwei Erkrankungsgipfel: jüngere Menschen um die 20 und eine zweite Häufung nach dem 50. Lebensjahr. Oft jedoch führt die Erkrankung unbehandelt zunehmend zu belastungsabhängigen Lähmungen der Muskeln. Die Myasthenie beginnt häufig bei den Augenmuskeln. Sie kann sich dann in Doppelbildern, die bei Belastung auftreten, zeigen. Manche Patienten berichten, dass sie beim Fernsehen oder bei längerem Lesen nach einer Weile doppelt sehen. Im weiteren Verlauf sind meist auch andere Muskelgruppen betroffen, im schlimmsten Fall auch die Schluck- und sogar die Atemmuskulatur. Das macht die Myasthenia gravis so gefährlich.

Wie wird die Diagnose Myasthenia gravis gestellt?

Sehr wichtig ist zunächst eine gründliche Anamnese. Man muss genau fragen, um herauszufinden, ob eine Muskelschwäche durch Belastung vorliegt und wann sie auftritt. Dann folgt eine klinische Untersuchung. Mit Kälte zum Beispiel kann man bei der Myasthenie manche Symptome lindern, das kann ein Hinweis auf die Erkrankung sein. Dann gibt es auch die Möglichkeit, die Acetylcholinrezeptor-Antikörper im Blut zu bestimmen. Werden diese nachgewiesen und passen die Symptome, dann ist die Erkrankung recht einfach diagnostiziert. In speziellen Fällen können auch bestimmte Messungen der elektrischen Reizleitung am Muskel für die Diagnose hilfreich sein.

Was für Therapiemöglichkeiten für Myasthenia gravis gibt es?

Da die Myasthenia gravis eine Autoimmun-erkrankung ist, hat man die Möglichkeit, sie mit einer Schwächung des Immunsystems in den Griff zu bekommen. Zudem kann der Abbau des Botenstoffs Acetylcholin mit Medikamenten gehemmt werden. Medikamentös beginnt man meist mit Acetylcholinesterase-Hemmern und Kortison, dann kommen bestimmte Immunsuppressiva zum Einsatz. Es gibt seit einiger Zeit auch innovative Ansätze mit spezifischen, maßgeschneiderten Medikamenten für die Myasthenia gravis. Diese sind in der Regel gut verträglich, aber mit sehr hohen Kosten verbunden. Allerdings ist hier vieles in Bewegung und es gibt aktuell neue Optionen, die voraussichtlich bald eine Zulassung bekommen. Neue Leitlinien schaffen mehr Klarheit bei der Behandlung.

Würde es helfen, wenn die Erkrankung bekannter wäre oder die Behandelnden besser vernetzt wären?

Das ist auf jeden Fall hilfreich. Zwar ist die Erkrankung unter Medizinern bekannt, weil sie im Studium und in der Ausbildung häufig besprochen wird. Vor der Betreuung der Myasthenie scheuen aber viele Kollegen zurück, weil sie die myasthenen Krisen fürchten. Dabei ist die Erkrankung im Prinzip gut ambulant behandelbar. Und wenn man daran denkt, den Antikörper zu bestimmen, ist sie auch gut diagnostizierbar. Eine Vernetzung der Ärzte wäre schon vor dem Hintergrund hilfreich, dass es nicht überall spezialisierte Zentren vor Ort gibt, an die sich Betroffene wenden können. Es wäre gut, wenn sich Neurologen oder auch Hausärzte mit den Zentren austauschen könnten, um mehr Betroffenen die bestmögliche Behandlung geben zu können.

Das Interview führte Miriam Rauh

Hier klicken und das gesamte Hörmagazin „Leben mit seltenen Erkrankungen“ anhören.


UCB im Bereich der Seltenen Erkrankungen

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