Seltene Erkrankungen

„Das Leben genießen“

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Die plötzlichen Schwellungs-
attacken begannen bei Franziska von Werder bereits in der Jugend. Im Interview erzählt sie, wie es ihr heute geht.

Franziska, mit welchen Symptomen hat sich die Erkrankung erstmals bei Ihnen gezeigt?
Meine erste Attacke hatte ich mit 14 Jahren. Mit der Einnahme der Antibabypille bekam ich Schwellungen im Gesicht, meine Lippe war fünfmal so dick und ich wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Da meine Mutter ebenfalls betroffen ist, war schnell klar, dass ich auch HAE habe. Dieses „Glück“ hat ja aber nicht jeder. Ich weiß, dass viele Betroffene von Arzt zu Arzt laufen und es teilweise Jahre dauert, bis sie eine Diagnose erhalten.

Wie äußern sich Attacken?

Bei mir sind es meistens Attacken an den Extremitäten, an den Händen und Füßen. Manchmal sind auch die Unterarme und Ellenbogen betroffen. In den letzten Jahren kamen Magenattacken hinzu. Dabei schwillt der Magen an, was starke Magenkrämpfe und Erbrechen zur Folge hat.

Welche Herausforderungen gibt es für Menschen mit HAE?

Die Attacken machen das Leben weniger planbar und können theoretisch auch lebensbedrohlich werden. Persönlich habe ich mich aber nie wirklich eingeschränkt gefühlt. Durch meine familiäre Vorbelastung bin ich früh von Experten betreut worden, die sich gut mit HAE auskannten. Ich hatte immer meine Akutmedikation dabei und konnte ein relativ normales Leben führen. Aber als ich in eine andere Stadt gezogen bin, habe ich auch anderes erlebt. Da musste ich den Ärzten erklären, was HAE ist und auch, dass manche Therapievorschläge nicht helfen, beispielsweise Kortison.

Wie werden Sie therapiert?

Anfangs hatte ich eine Akuttherapie. Immer wenn ich eine Attacke hatte, bekam ich eine Spritze, intravenös. Später bin ich auf ein subkutanes Mittel gewechselt. Heute nehme ich ein orales Medikament. Dadurch haben sich die Häufigkeit und die Intensität der Attacken deutlich verringert und mein Leben ist wieder planbarer.

Gibt es Situationen, in denen Sie sich eingeschränkt fühlen?

HAE schränkt mich nicht mehr ein. Durch meine Prophylaxetherapie fühle ich mich unfassbar frei und kann ein ganz normales Leben führen. Ich mache alles, was Nichtbetroffene auch können: Ich arbeite, mache Sport, gehe feiern, fahre in den Urlaub und plane meine Zukunft. Das Wichtigste ist, dass Betroffene schnell eine Diagnose erhalten.

Das Interview führte Leonie Zell

Hier klicken und das gesamte Hörmagazin „Leben mit seltenen Erkrankungen“ anhören.

 


Was macht die Diagnose HAE oft so schwierig?

Prof. Dr. Marcus Maurer Angioödem-Referenz- und Exzellenzzentrum, Charité Berlin Foto: Charité-IFA

Ein Beitrag von Prof. Dr. Marcus Maurer.

HAE ist selten und an seltene Dinge denkt man erst, nachdem man an die häufigen Dinge gedacht hat. Das ist aber nicht das eigentliche Problem, denn das geht vielen Patienten mit vielen verschiedenen seltenen Erkrankungen so. Nun kommt beim Hereditären Angioödem dazu, dass die Ausprägung ganz unterschiedlich sein kann. Es gibt also Patienten, die haben vornehmlich oder ausschließlich Schwellungen im Bauchraum. Das ist etwas ganz anderes als die Lage bei Patienten, bei denen vornehmlich die Hände schwellen oder die Lippe oder die Augen. Die gehen vielleicht auch zu ganz unterschiedlichen Ärzten. Der erste Patient geht vielleicht zu einem Gastroenterologen, weil er zu Recht denkt, da ist irgendetwas nicht richtig mit dem Verdauungstrakt, und der nächste geht vielleicht zu einem Allergologen, weil er denkt, irgendwas ist doch da, was mich andauernd anschwellen lässt, und so ist diese unterschiedliche klinische Abbildung der Erkrankung ganz häufig ein Grund dafür, dass sie erst spät erkannt wird. Beim Hereditären Angioödem haben wir als Diagnostiker den Vorteil, dass es eine familiäre Erkrankung ist. Dass wir also die Frage stellen können, gibt es da noch andere Menschen in der Familie, die ein ähnliches Beschwerdebild haben, und wenn die Antwort Ja ist, dann muss uns das an HAE denken lassen. Aber wenn die Antwort Nein ist, muss ich trotzdem weiter daran denken, weil es sein kann – und das ist für das Hereditäre Angioödem relativ speziell –, dass dies ein Patient ist, der die Mutation erworben hat im Sinne von spontan erworben, ohne dass jemand früher in der Familie das auch schon gehabt hat. Das sind die Herausforderungen, wenn es um die Diagnostik des HAE geht.

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